Auf der Seiser Alm

Manchmal will ein Urlaubstag nicht wirklich gelingen. Und ein Malheur folgt dem nächsten.
So auch heute.

Zwei grüne E-Bikes stehen wie verabredet in der Garage.
Ein in der Größe S und eins in L. So weit so gut.
Rainer mit seinen langen Beinen hat so gar kein Problem auf das Rad zu steigen. Aber ich. Der Sattel ist so hoch wie auch Rainers.
So kann ich nicht auf- und absteigen.
Sicher könnte ich mich damit arrangieren, wenn das Gebiet, das wir befahren wollen, auf einer Ebene wäre. Aber nicht, wenn es durch bergige Landschaften geht.
Die Enttäuschung ist riesig!
Den Sattel tiefer zu stellen wäre eine Möglichkeit. Doch das Rohr ist fest und lässt sich nicht verstellen.
Ich versuche noch mehrfach, ob ich vielleicht doch so fahren könnte. Aber steile Wege in dieser Position zu fahren scheint mir fast selbstmörderisch.
Ok. Wir entscheiden, dass Rainer alleine mit meinem Rad nach Compatsch zu "Sport Hans" fährt, dem Vermieter des Rades, und dort ein kleineres Rad holt. Wir sitzen etwas in der Klemme. Eigentlich könnte man das Rad ins Auto hieven und runter fahren. Doch die Straße auf der Seiser Alm ist für private Fahrzeuge nur bis 9 Uhr befahrbar. Und an dieser Zeit sind wir knapp vorbei geschrammt 😐
Bis Compatsch sind es knapp vier Kilometer. Kurvig und recht steil bergab.
Während Rainer also schon auf dem Weg nach unten ist, kommt der Herr des Hauses, Herr Malfertheiner mit seinem Auto um die Ecke. Ich erkläre ihm das Dilemma und er nimmt mich ein Stück mit.
Aber eben nur ein Stück.
Den Rest der Strecke laufe ich. Scharen von Wanderern kommen mir entgegen. All die, die nicht auf der Seiser Alm wohnen, hier aber wandern wollen. Für sie bedeutet es etwa eine Dreiviertel bis eine Stunde Aufstieg bis zu den wirklichen Wanderwegen. Denn eine geteerte Straße zählt für mich nicht als Wanderweg.

auf der Seiser Alm,Südtirol,Italien,born4travel.de
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Kurz bevor ich Compatsch erreiche, treffe ich Rainer, der schon ein neues Rad hat. Das klingt gut - ist es aber nicht! Die Mittelstange ist so hoch, dass ich bei jedem Abstieg zur Seite springen müsste, um einem Schambeinbruch zu vermeiden. Als kleiner Mensch hat man es eben schwer!

Im Geschäft schauen wir uns nach einem Tiefeinsteiger um. Aber es gibt keine weiteren Räder. Aus der Traum vom E-Biken auf der Seiser Alm. Schade. Denn ich liebe das Fahrradfahren.
Wir teilen dem Personal unsere Entscheidung mit. Mit einem Rad können wir ja nichts anfangen. Wir bringen das andere also auch runter nach Compatsch. Doch so leicht kommen wir aus diesem Vertrag nicht raus. Für diesen Ausfall (für den Vermieter) werden wir dennoch zur Kasse gebeten. Wir zahlen knapp 80 Euro.

Etwas betreten überlegen wir, was wir mit dem angefangenen Tag machen. Um zur Seceda zu fahren bräuchte man hier und jetzt ein Auto. Oder eben einen Plan wie wir dahin kommen. Seceda verschieben wir auf übermorgen. So war es auch von Anfang an geplant.
So auf die Schnelle zu entscheiden ist gar nicht möglich. Wir kennen uns hier noch gar nicht wirklich aus.
Als wir überlegen, die Gondel zur Seiser Alm zu nehmen, kommt der Inhaber des Sportladens an uns vorbei und bietet an, uns ins Hotel Goldknopf zu fahren. Dort muss er ja das andere Rad abholen.
Unterwegs erzählt er uns das Ausmaß der Folgen durch Corona. Wie jedes Jahr verkauft er im Herbst 60% der Räder und kauft zum Beginn der Saison neue Räder. Doch dieses Jahr ist die Lieferung entweder verzögert oder ganz ausgefallen. Deshalb ist die Auswahl so bescheiden.
Nun gut. Uns hilft dieses Wissen nicht weiter.

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Oben angekommen schauen wir auf die Karte und entscheiden zur Peterlunger Lacke zu wandern.
Lacke ist die italienische Bezeichnung für einen Tümpel.
Das ist jetzt auch zu schaffen. Denn mittlerweile ist es halb Eins. Und wie jeden Tag gibt es eine Ansage, dass es in den Nachmittagsstunden regnen beziehungsweise gewittern soll. Und während eines Gewitters unterwegs zu sein, das möchte ich nie wieder erleben.
Bevor wir starten schauen wir uns auf dem Smartphone die ungefähre Route an. Und dann geht es endlich los.

# Wandern auf der Seiser Alm

Anfänglich gleichen sich die Bilder in etwa mit den gestrigen.
Nun. Wir sind erst den zweiten Tag hier und der Anblick des Schlern löst immer noch Begeisterung aus. Da reicht eine zusätzliche Hütte und schon bin ich hin und weg 😉

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Da ist der Weg zur Rosszahnscharte...

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An der Malga Sattler (Malga steht für Hütte in Italienisch) checken wir - besser gesagt: wir versuchen es - den weiteren Weg zu prüfen. Doch die Verbindung ins Netz ist seeeehr langsam und die Googlemap lädt nicht. Wir haben zwar die Karte mit, aber ausgerechnet dieses Areal ist zu klein, um einzelne Wege zu deuten. Da sieht man mal, wie Technik-verwöhnt aber auch wie abhängig wir im Laufe der Zeit geworden sind.
Wir fragen vorbeigehende Wanderer. Aber die kennen weder die Peterlunger Schwaige noch den Tümpel davor.
Vermutlich liegt die Lacke hinter dem Berg vor uns. So unsere Annahme. Deshalb entscheiden wir ganz forsch, den ausgetretenen Pfad zu verlassen. Und damit machen wir einen folgenschweren Fehler.

Es geht einen Wasserlauf entlang.
Mehrfacher Seitenwechsel ist dabei vorprogrammiert. Es ist schon abenteuerlich. Glücklicherweise bleiben meine Schuhe trocken. Nur Rainers nicht.
Immer noch sind wir uns recht sicher, dass dieses Wasser aus der gesuchten Lacke kommt. Anders kann das gar nicht sein...

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Es geht immer höher und höher. Aber von einem Tümpel oder Hütte ist nichts zu sehen.
Vermutlich ist die Karte nicht auf dem aktuellen Stand.

Als dann immer mehr Zäune auftauchen und wir uns ganz plötzlich auf einem offensichtlich privaten Gelände befinden, machen wir die spitze Kehre (mein neues Lieblingswort) und laufen fast in die entgegengesetzte Richtung.

Auf der schrägen Wiese vor der Sattler Hütte machen wir Rast.
Die Aussicht ist genial.
Die Freude über die Blumenwiese bleibt nur so lange bis das Kribbeln am Rücken unheimlich wird.

Schweren Herzens entscheiden wir, den Wandertag, der kein richtiger war, zu beenden. Wir geben die Suche auf.
Von hier ist es nicht mehr weit bis zum Goldknopf.
Nach einer letzten Steigung ist die Ebene des Hotels erreicht.

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Nun sind es noch etwa 150 Meter bis wir da sind.

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Ich würde gern zur "Edlweiß Hütte" gehen. Ein Radler täte jetzt gut.
Für Rainer kommt der Abstieg nicht in die Tüte.
Also nehmen wir im Halbschatten der Hotelterrasse Platz und trinken hier des Wanderers Lieblingsgetränk 😉

Jetzt schauen wir nochmals in Googlemaps nach unserem angedachten Ziel.
Tja. Unser anvisiertes Ziel liegt etwa 350 Meter hinter diesem Wasserlauf. Aber wer kann schon über Hügel schauen. Vielleicht Drohni. Aber die hatten wir ja auch nicht mit. Denn eigentlich wollten wir ja E-Biken...
Na ja. Morgen ist ein neuer Tag. Und morgen soll alles wieder nach Plan laufen.

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Den Rest des Tages machen wir Urlaub vom Urlaub.
Etwas sonnen am Naturpool, ein Powernap und dann ist's auch Zeit zum Abendbrot zu gehen.

Auch heute sind die Speisen ausgesprochen lecker.
Den Sauvignon Blanc bestellen wir heute als Flasche. Gestern haben wir nämlich registriert, dass man angefangene Flaschen zurückstellen und am nächsten Tag weiter trinken kann. Was für ein Service!

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Das abendliche Wetter von heute spult das gleiche Programm wie gestern ab.
Also fast. Der Goldknopf verschwindet in einer hauchgelben Wolke und die Sichtweite reicht gerade über die Terrasse.
Später, als wir wieder im Zimmer sind, ziehen die Wolken gen Osten und die restlichen Strahlen färben den Himmel etwas pinkig oder auch Vanillegelb.
Ein extremes Wetterschauspiel.

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Das war Tag 2 auf der Seiser Alm.