Kurz nach 1am
Es knistert und das Auto wackelt.
Ich werde wach, weil Rainer irgendetwas sucht.

"Oh Mann, ich will schlafen. Was ist'n los? "
"Wir haben ein Tier im Auto..."
"Waaaas?"

Blitzartig bin ich wach. Hellwach. Im Bruchteil einer Sekunde sitze ich aufrecht!

"Wahrscheinlich ist es auf dem Armaturenbrett!"
"Oh neee
Meine Fantasie geht mit mir durch: Eine Schlange - ein Skorpion - eine riesige Spinne?

Rainer fuchtelt mit der Taschenlampe rum.
"Sag doch! Was ist es?"
Aber Rainer läßt sich von meinen Fragen nicht ablenken.

"Da!"

Jetzt sehe ich es auch.
Auf dem Armaturenbrett sitzt eine vollkommen unter Schock stehende, von der Taschenlampe angestrahlte, niedliche kleine graue Maus.
Sie bewegt sich keinen Millimeter.
Wir aber auch nicht.
Mir fällt ein Stein vom Herzen, daß es "nur" eine kleine Maus ist und kein anderes Monster.
Aber diese Maus, die ist echt süß.
Ich würde sie gern fotografieren. Aber wo ist mein Fotoapparat?
Ach ja, auch vorn im Fußraum.
Da komme ich nicht ran.
Hm. Schade.

Gefühlte zehn Minuten schauen vier Menschenaugen in zwei verängstigte Mäuseäuglein.
Und dann endlich tippelt die kleine Maus in Richtung Fenster der Fahrerseite. Fummelt da etwas am Fliegengitter rum, kommt nicht raus und sprintet zur Beifahrerseite.
Ach ja. Nun wissen wir auch, wie sie reingekommen ist. Tatsächlich war schon das Ankleben der Gaze in dieser Ecke ein Problem aufgetreten. Deshalb habe ich gerade diese Stelle doppelt geklebt. Mit sichtlich schlechtem Erfolg

Die Maus scheint nicht dumm zu sein.
Sie findet tatsächlich den "Ausgang". Doch dann zögert sie etwas.
Hm. Was nun? Hat sie etwa was vergessen?
Wir feuern sie an: "Los, da geht's raus!"
Rainer betätigt zusätzlich den Fensterheber.
Allerdings dauert es noch eine Sekunde bis ihr Schwänzchen aus der Gefahrenzone raus ist.
Wir schließen beide vorderen Fenster und starten den Versuch weiter zu schlafen.

Es knistert auf dem Dach.
Die Kleine läßt wohl nicht locker. Ganz offensichtlich versucht sie nun, die Folie zu den Getränken durchzubeißen, die als Palette auf dem Autodach steht.
Ruhe.
Wie lustig. Unser Mäuschen läuft an der äußeren Wulst des hinteren Fensterrahmens. Es sieht aus wie ein Scherenschnitt.
Wir schließen nun auch die hinteren Fenster bis auf halbe Höhe und schlafen weiter.

4.15am
Der Wecker klingelt.
Es ist stockdunkel. Um 5am wollen wir ja vorn am Rim sein.
Hm.
Es ist noch soooo dunkel! Und das wenn in einer dreiviertel Stunde die Sonne aufgehen soll?
Das kann nicht sein.
Dann fällt uns ein, daß wir in Arizona sind und Philip ganz bestimmt 5am Arizona-Time meinte.
Unser Wecker hat uns also 3.15am geweckt.
Der Wecker wird umgestellt und wir schlafen gleich weiter.

4.15am Arizona-Time
Wieder klingelt der Wecker.
Es ist nicht mehr so dunkel aber der Himmel ist total bedeckt.
Und keiner von uns beiden hat Lust aufzustehen.

Kurz vor 6am
Endlich kommen wir zu uns.
Der Himmel ist immer noch bedeckt und von Sonne keine Spur.

Wir frühstücken an diesem sensationellen Platz, freuen uns, die Nacht überstanden zu haben.
Rainer will nie wieder im Auto schlafen. Zu hart für die alten Knochen.
Und ich?. Ich fand's irgendwie cool!

Am Rim angekommen, begrüßt uns schon Philip und fragt, wo wir zum Sunrise waren.
Aber er gibt Entwarnung. Denn es gab keinen Sonnenaufgang. Jedenfalls keinen, den wir verpasst hätten.

Inzwischen ist es halb sieben und die Sonne bohrt sich durch die Wolkendecke.
Na bitte. Sie hat auf uns gewartet.

Die Fotos direkt am Rim kann ich nicht machen. Trotz passender Schuhe traue ich mich auch heute nicht diesen Weg zum genialsten Aussichtspunkt zu laufen.
Rainer bekommt genaue Anweisungen mit welchen Einstellungen er welche Ansichten fotografieren soll.
Das nennt man Arbeitsteilung.
Von einer höher gelegenen Klippe gibt es nun eine Aufnahme von Rainer, wie er auf dem vorgelagerten Stein steht. Das sieht gar nicht so dramatisch aus!

Während also Rainer "beschäftigt" ist, schaue ich mir mit Philip sein ultimatives Sunrise-Foto von gestern an.
Er zeigt mir, wie er mit PS bei der Entwicklung seiner RAW's etwas "cheatet" und ein wirklich geniales Foto herstellt. Dazu sind meine Photoshopkenntnisse allerdings einfach zu schwach.

Gegen 10 Uhr verlassen wir den Toroweap Overview.
Alles ist "durchfotografiert".
Eine beeindruckende Stelle!
Ein Anblick den wir zum ersten Mal 1993 auf einem T-Shirt in einem Souvenirshop am Grand Canyon gesehen haben. Nie hätten wir damals gegelaubt, dass wir diesen Anblick mit unseren eigenen Augen sehen werden. Wir hatten tatsächlich geglaubt, dass man diesen Punkt nur mit dem Heli erreichen kann.

Halb Elf sind wir fertig für die Abreise und verlassen den Campingplatz.
Zuerst heißt es wieder die "Natur-Stufen" zu meistern.

Wir fahren wieder den gleichen Weg zurück und kürzen nicht ab, in dem wir die Strecken gen Westen nehmen. Hier wissen wir was uns erwartet.

Unterwegs, und das begeistert uns, ist der Boden total ausgetrocknet und trotzdem sieht man allerhand Leben.
Vögel mit seltsamen Schnäbeln, Hasen, Chipmunks und endlich viele zarte Blümchenteppiche.

Und dann kommt eine Strecke, wo Grashüpfer wie Popkorn aus dem Gras schießen und auf's Auto springen. Einer ist ganz hartnäckig und läßt sich mehr als zwanzig Meilen chauffieren.
Erst nehme ich ihn von innen auf. Man weiß ja nie wie lange er so sitzen bleibt. Als wir stehen bleiben, bewegt sich unser Hitchhiker auch nicht weg.
Ein geniales Fotomodell.

Die AZ389 ist nach nicht einmal zwei Stunden erreicht. Nun sind wir froh das Abenteuer "Toroweap" relativ unbeschadet überstanden zu haben.
Der Blick in den Rückspiegel in Richtung Grand Canyon sagt uns, daß wir froh sein können, trocken hin und zurück gekommen zu sein. Tiefhängende dunkle Wolkenwände verheißen nichts Gutes für die nächsten Tage.

Unser Auto sieht noch verstaubter aus als gestern.
Überall ist Staub.
Alles was man anfaßt ist sandig. Auch das Gesicht.
In Colorado City fahren wir an eine Tanke und sehen einen Wasseranschluß.
Rainer fragt, ob wir den benutzen dürfen...."absolutly".
Na dann aber los.

Die Anfahrt nach Hurricane ist schön. Von oben kommend, sieht man schon das Städtchen. Diese Strecke sind wir schon öfters gefahren. Und so ist es schon zu einer Gewohnheit geworden, als erstes bei Taco Bell meine absolute Lieblingsspeise dieses Restaurants zu essen: Challupas

Hurricane empfängt uns übrigens mit gut geheizten 44°C.

Die weitere Fahrt nach Las Vegas ist grauenhaft langweilig.
Das Thermometer steigt auf 47°C an.
Eigentlich lieben wir die trockene Hitze. Aber nach der letzten Nacht brauchen wir etwas Abkühlung.

Im Eingangsbereich in Hendersons M Resort Spa&Casino Hotels stehend, fühle ich mich als seien wir schon wochenlang außerhalb der Zivilisation unterwegs gewesen. Verstaubte und salzgetränkte Klamotten, Haare strohig, Gesicht sandig. Feinster Sand in jeder Hautfalte.
Der elegante Hotelgeruch und die angenehme Kühle ist eine willkommene Wohltat.

Unser Zimmer ist einfach nur...WOW.

Wir werfen alles hin und als erstes ist Duschen angesagt. Nee nicht duschen - schrubben!
Mein Gott, wie sind wir verpimpelt.
Jetzt merken wir erst, wie verwöhnt und allseits "gepampert" wir reisen. Dabei waren wir nur eine Nacht ganz ohne all die bekannten Annehmlichkeiten.

Es gibt Kaffee und Kekse.
An den zimmerhohen Fenstern sitzend, erfreuen wir uns an der Aussicht. In der Ferne kann man den Strip erkennen. Direkt vor uns ist der Hotelpool zu sehen.
Erst zögern wir und überlegen ob wir noch in den Pool gehen. Doch ehe wir uns entscheiden können, schließt der Pool.
Las Vegas eben.
Dabei könnte man doch jetzt noch etwas im Pool abhängen und an dem einen oder anderen Drink süffeln.

Eigentlich wollen wir am Abend noch in's "Städtchen" gehen, um etwas zu essen.
Es ist noch nicht einmal richtig dunkel, da werden aus den angrenzenden Wohnanlagen Raketen in den Himmel geschossen. Es wird immer mehr. Dann schließt sich eine Feuerwerksshow im Green Valley an.
Es ist nicht anders als bei uns in der Silvesternacht.
Na nun kriegt uns keiner mehr vom Fenster weg.

Gefahrene Meilen: 258mi = 415km