Von Antofagasta de la Sierra nach Tolar Grande
Acht Stunden Fahrzeit sollen wir bis Tolar Grande einplanen. So die Auskunft in der Oficina Turismo. Claro 🫡
Halb Neun ist unsere Zeit. Früher schaffen wir es einfach nicht los zu kommen.
Das Wetter ist wieder einmal perfekt. Doch obwohl die Sonne vom dunkelblauen Himmel knallt, ist es extrem frisch.
Hier noch eine letzte Aufnahme vom Stadtrand von Antofagasta de la Sierra, bevor wir unsere abenteuerlichste Fahrt der gesamten Reise antreten.

Und das ist die heutige Herausforderung.
Links, die etwas abgegriffene Wandkarte aus dem Centro de Turismo in Antofagasta de la Sierra und rechts
meine erarbeitete Route auf Googlemaps. Allerdings werden wir dann zwischen Antofalla und Antofallita
eine andere Erfahrung machen als die, die uns gestern vorausgesagt wurde. Beide Strecken sollen zu den schwierigen Abschnitten gehören.
Die westliche soll aber die einfachere sein 😐

Am Ende des Tage wird so der Verlauf unserer Fahrt sein:

Der heutige Tag - das kann ich schon verraten - wird gleich nach der Fahrt durch Sud Lipez zu den Highlights der gesamten Reise
die durch Bolivien, den Nordwesten von Argentinien und Nordosten Chiles führt, gehören.
Es ist ein Roadtrip durch wirklich einsame Gegenden voller außergewöhnlicher Landschaften,
die wir so noch nicht oft gesehen haben.
Ganze 284 Kilometer werden wir fahren, nur einer Handvoll Menschen begegnen und mit einigen Fotopausen werden
wir ganze 10.5 Stunden benötigen. Als wenn dies nicht schon ziemlich viel Herausforderungen auf einmal sind,
wird die Suche nach einer Übernachtung in die Top-Erinnerungen all unserer Reisen gehören.
Passo 4.255 NM
Wir verlassen Antofagasta de la Sierra und fahren ziemlich streng gen Westen.
Die Route - Strassen haben wir schon gleich hinter dem Ort verlassen - ist trocken und fest, gut zu fahren
aber eben unbefestigt.
Gleich hinter der Stadt tangieren wir die Laguna Colorada. Wie wir auf der weiteren Reise bis La Paz lernen werden,
ist dies ein sehr inflationäre Name. An der Gabelung fahren wir nach links.

Wenig später erreichen wir ein sehr weitläufiges Tal, dessen gegenüberliegende Anhebung wie mit gelbbrauner Farbe angestrichen aussieht. Irgendwann schlängelt sich die Strecke immer höher, so dass wir nach etwa einer Stunde den ersten Pass - mit einer Höhe von 4.255 Metern - an diesem Tag erreichen.





Auf der anderen Seite des Passes angekommen, sieht es nicht weniger schön aus.
In einer Schlucht sehen wir ein paar abgegrenzte Flächen ohne weit und breit ein Gut oder ein Haus zu sehen.
Geschweige einen Menschen. Aber im abgegrenzten Raum leben Andengänse, deren Lebensraum - so lese ich - sich bei
drei bis fünf Tausend Metern befindet. Stimmt.
Ein paar geschorene Vicuñas schauen, wer da kommt. Einige hüpfen erschrocken davon. Erschrocken, dass jemand hier vorbeifährt.
Oder ist es zu früh? Wir wissen es nicht 🤷🏼♀️


Auch die weitere Fahrt ist faszinierend.
Die Landschaft bietet viel. Vor allem viel Farben.
In den Tälern wächst knallgelbes Pampa-Gras.
Sobald wir aber die weitläufige Ebene erreichen, wird selbst das scheinbar unverwüstliche Gras zur Rarität.

Es folgen die ersten Ausläufer des Salar de Antofalla
Noch wissen wir nicht, wie wir über diesen Streckenabschnitt kommen werden.
Werden die Salzflächen fest genug sein, dass wir drüber fahren können?
Oder wird es eine Rutschpartie?
So schön wie dieser Streckenabschnitt auch ist, ich bin angespannt und unruhig, ob wir das schaffen oder die gesamte
Strecke zurück müssen.


Ein Blick auf unseren derzeitigen Standpunkt bei Googlemaps.
Puh. Wir haben noch eine Menge Fahrt bis zu den Campo de Ojos.
Und das ist noch nicht einmal die Hälfte des heutigen Ritts.



Lago Salar de Antofalla
Kurz nach halb Elf erreichen wir die Hochebene des Lago Salar de Antofalla, die sich in der Puna de Atacama in der Provinz Catamarca befindet. Das 163 Kilometer lange Becken, das sich vom Nordosten gen Südwesten zieht, misst etwa eine Fläche von 500 Quadratkilometer. Es gilt als eine der unwirtlichsten und unzugänglichsten Orte der Puna Argentina. http://www.andeangeology.cl

So entlegen dieses Terrain auch sein mag - die Ausschilderung ist top. Mag sein, dass der ein oder andere mitten im Nichts die Orientierung verloren hat - hier kann man nicht verloren gehen. Ganz ohne befürchtete Probleme erreichen wir die westlich gelegene Seite des Salars, der Salzebene, auf einer gut präparierten Verbindung zwischen den Ufern.

Und so geht es auf der anderen Seite weiter:


Fast sind wir schon am ersten der anvisierten Punkte von heute angelangt. Da geht es ganz plötzlich nur noch
im Schneckentempo voran. Ein Traktor schiebt die weisse Mischung aus Erde und Salzmasse zur Seite. Wahrscheinlich ein Vorgang
der öfter gemacht werden muss, um eine Verbindung zwischen den Orten aufrecht zu erhalten. Antofalla oder auch Antofallita wären sonst
gänzlich von der Welt abgeschnitten. Zwei Orte deren Einwohnerzahl zusammengezählt nicht einmal die 50 erreicht.
Wir müssen uns in Geduld üben, denn auch wir sehen, dass der Traktor nicht einfach so über diesen Erdwall fahren kann, um uns
vorbeifahren zu lassen. Wir drücken uns die Daumen, dass es noch vor Antofalla eine Tasche oder eine andere Möglichkeit gibt,
wo wir überholen können. Und tatsächlich gibt es die Gelegenheit.

Es gibt ein Hinweisschild zu den Ojos. Ja aber wir übersehen es 🙈
Also heisst es wieder wenden. Gerade noch rechtzeitig, bevor der Traktor auf der Oneway-Spur am Abzweig ist.
Er hat geahnt, wohin wir wollen und deutet mit seiner Hand an, dass wir "diesen" Pfad nehmen sollen.
# Campo de Ojos
Knapp drei Stunden haben wir hierher, bis zu den Campo de Ojos gebraucht.
Die Ojos, also die Augen, sind genau zwölf fast kreisrunde natürliche Wasserlöcher im ausgetrockneten Salar.
Von der Straße nicht erkennbar. Wir stellen unser Auto ab und ich spaziere los. Rainer lässt inzwischen Drohni gucken.
Die einzelnen Löcher sind recht gut durch das am Ufer wachsende Gras zu orten.
Tatsächlich sind sie kreisrund wie mit einem Zirkel gezogen. Gern würde ich die Hand reinhalten.
Oder den Fuß. Aber je mehr ich mich dem Rand nähere, macht der Untergrund einen Eindruck, als wenn ich auf einem Floß mitten
im Wasser befinden würde. Da habe ich ehrlich gesagt Angst, dass ich hier einbrechen könnte. Also muss ich mich mit dem Anblick
zufrieden geben, der nicht der Schlechteste ist.





Während das Wasser der Ojos vom Boden aus gesehen, durch die Spiegelung des Himmels in sehr dunklem Blau erscheint, ist es von oben gesehen in sattem Dunkelgrün.
Hier auch ein kleiner Größenvergleich: Unser Landcruiser steht links.



Es gibt einen Info-Shelter mit ein paar Infos.
Sieht es auf den ersten Moment aus, als wenn es hier so gar keine Tiere geben, täuscht es.
Keine Ahnung wie viele von den frechen Vögeln ganz plötzlich hier aufgetaucht sind. Schätzungsweise könnten es zwanzig oder dreißig sein.
Mit wenig Scheu wagen sie sich ziemlich nah an meine Füße.
Auf den ersten Blick sehe ich als Nicht-Ornithologe einen Spatzen. Beim genauen Hinsehen erkenne selbst ich, dass es keiner ist.
Dank GoogleLens kann ich sie später identifizieren.
Der mit dem langen gebogenen Schnabel ist eine Geositta cunicularia. Ein in Südamerika weitverbreiteter Sperlingsvogel, der sich von Insekten und Samen ernährt. Er lebt in weiten Teilen Chiles, Argentiniens und Uruguays sowie in Teilen Perus und Boliviens und im südlichsten Brasilien. Sowohl im Grasland als auch in Sanddünen. Hoch in die Anden aber auch am Meer.

Der Morgenammer kommt in großen Teilen Südamerikas vor.
Adulte Morgenammer haben einen schwarzen Scheitel mit einem schmalen grauen Mittelstreifen. Deshalb heissen sie im Deutschen
Rostscheitelammer.
Die Federn bilden am Oberkopf häufig eine kleine Haube. Check! Stimmt.

Wieder etwas dazugelernt.
Frei zusammengetragen aus: Animalia.bio
Nach etwa einer Stunde geht es weiter.
Der Weg ist trocken und feinsandig. Hinter uns zu fahren, ist nicht empfehlenswert. Aber wir sind sowieso ganz allein unterwegs.

# Antofalla
Antofalla, der einzige Ort im weitem Umkreis, besteht aus ein paar Häusern. Die Population stagniert. Seit dem Zensus von 1991, wo 44 Einwohner gezählt wurden, kam bis 2010 ein einziger Mensch dazu. Nun sind es stattliche 45 Leute, die hier wohnen. Wie zu erwarten, haben wir keinen von ihnen gesehen.

Gleich hinter dem Ort zweigt der Weg Richtung Tolar Grande ab.
Es geht sehr zügig, sehr steil nach oben. Das ist für unseren Landcruiser so gar kein Problem.
Ein Problem ist die Fahrbahn. Die besteht nämlich aus faustgroßen, eckigen und sehr scharfen Steinen
- etwas größer als die, die man von Gleisstrecken kennt - auf denen wir fahren müssen. Erst ist uns nicht wohl dabei.
Hoffen aber auf ein Ende dieses Belages. Doch der kommt nicht. Wir erreichen eine enorme Höhe und sehen im Rückspiegel, dass ab und an
da unten, auf der anderen Verbindung, SUV's vorbeirasen.
Wir geben auf und kehren zurück. Auch wir nehmen nun auch die andere Verbindung, die, vor der wir im Informationcenter in Antofagasta
de la Sierra gewarnt worden sind. Wir sind etwas unsicher. Aber auf dem steinigen Weg befürchten wir trotz vorsichtiger Fahrweise
einen Platten.

Die Verbindung entlang des Salars entpuppt sich als sehr gut fahrbar.
Im Nachhinein war das Wenden eine sehr gute Entscheidung.
Am Abend werden wir allerdings jemanden kennenlernen, der diese Verbindung mit den fiesen Steinen, sogar mit dem
PKW durchgezogen hat. Da sind wir echt perplex!
# Laguna Verde
So kommt es, dass wir am Ufer des Salars fahrend, angenehm überrascht werden. Denn auf dem weiteren Weg, wenige Kilometer nördlich von Antofalla befindet sich die Laguna Verde. Ein Name, der wie schon die Bezeichnung "Laguna Colorada" ziemlich inflationär eingesetzt wird. Die wesentlich bekanntere Laguna Verde befindet sich nämlich im Süden Boliviens Sud Lipez. Aber das werden wir erst in anderthalb Wochen erreichen.
Nun. Diese Laguna Verde steht auf dem Tourenplan vieler Veranstalter. Der Zugang ist beplankt.
Tatsächlich sehen wir seit heute früh zum ersten Mal zwei andere Menschen, die mit einer Tour hier sind.
Rainer läuft allein bis zur Laguna und bringt diese Aufnahmen mit:

Zugegeben würden wir es toll finden, wenn wir nun endlich am Ziel wären.
Die Menge an Input schlaucht.
Rechterhand tangieren wir ein Feld mit Gesteinsformationen, die sehr stark
an Campo de Pedra Poméz erinnert. Nur in Rosa.
Einige Steine blenden, als wenn da viel Glitter drin wäre. Rainer meint, es wären Scherben.
Aber woher sollen hier so viele Scherben kommen?
Nein, das glaube ich nicht und wir müssen stehen bleiben. Das muss ich mir genau anschauen.
Und ich sollte Recht behalten. Der Glittereffekt ist im Stein eingeschlossen.
Hm. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir das Feld als Erste entdeckt haben. Ganz sicher haben das
schon andere getan. Aber wie es aussieht ist dieses Stück Land noch nicht vermarktet.
Leider habe ich vergessen Aufnahmen zu machen. Wie kann das nur passieren?
# Antofallita
Aus der Ferne sehen wir Bäume. Hoch und schlank. Ähnlich den italienischen Zypressen.
Und nein. Es ist keine Fata Morgana.
Es ist Antofallita - schon der Name deutet auf etwas Kleines!


Antofallita ist der kleinste Ort im Departemento Antofagasta de la Sierra. Es Ort zu nennen, ist sehr großzügig. Aus unserer Sicht ist es eher eine Estancia mit einem Haupthaus und Nebengebäuden. Bis hierher haben wir etwa zwei Fahrstunden benötigt.
Wir folgen wir dem schwach zu erkennenden Weg und schaffen es (🙈), uns zwischen den Häusern zu verfahren.
Wir fahren 'ne Runde und sehen keinen Ausweg. Die einzige Spur führt direkt auf das Haupthaus. Aber
direkt vor die Eingangstür zu fahren, ist uns unangenehm. Es vermittelt den Eindruck auf ein Privatgelände einzudringen.
"Da können wir ja nicht drauf zu fahren?" Da sind wir uns beide einig.
Müssen wir auch nicht.
Längst schon werden wir beobachtet. Ohne es selbst bemerkt zu haben.
Einer Frau, mit einem gegerbten Gesicht. Vermutlich die einzige Bewohnerin von Antofallita.
Sie macht keine großen Anstalten, sondern deutet mit ihrer Hand nach links direkt an ihrem Haus vorbei.
Nach links? Da fließt doch ein Bach und ein Weg ist nicht zu erkennen.
Ich checke bei Googlemaps, wohin wir eigentlich fahren müssen. Tatsächlich sind wir richtig.
Diese dünne Linie da hinten auf dem Berg, ist das nächste Ziel. Halleluja!

Buy buy Antofallita!
Und schon gewinnen wir wieder an Höhe.

Hinter Antofallita verläuft die Grenze zwischen der Provinz Catamarca und Provinz Salta.
Die Passstraße mit einer beängstigender Steigung führt uns über 4.014 Meter Höhe.
Auf der anderen Seite sehen wir schon das nächste Objekt der Begierde:
Lago Salar de Arizaro
Es ist kurz nach Drei, also eine Stunde nach dem wir Antofallita verlassen haben, als wir die nächste Bergkette fast geschafft haben, und diesen unglaublichen Blick auf den Südteil des Lago Salar de Arizaro mit seinem absoluten Highlight, dem Cono de Arito vor Augen haben.
Dieser Lago Salar de Arizaro gehört zum Departemento Los Andes und ist mit seinen Abmaßen
von 100 x 50 Kilometern der sechstgrößte Salzsee der Welt.
Die Ebene bewegt sich laut meiner Watch auf etwa 3.500 Höhenmetern.
Der Name Salar de Arizaro entstammt den Atacameña-Sprachen Arizaru und Quecha.
Die Salzmenge belegt nach Uyuni (Bolivien) und Atacama (Chile) Platz Drei.
Der zentrale Salzkern umfasst eine Fläche von 1.600 Quadratkilometern. Der größte Teil der Oberfläche besteht aus reinem Salz,
dessen Dicke bis zu über hundert Meter beträgt. Das Interessante an diesen Salzseen ist das darunter liegende, weltweit begehrte
Lithium. Hier vermutet man 70 % des weltweiten Lithiumvorkommens. Man bezeichnet es das Lithium-Dreieck Südamerikas.
Wir nähern uns dem Salar aus dem Süden, hier wo in Steinbrüchen Gold und Onyx abgebaut wird. Verwendet wird Onyx für Schnitzereien ortsansässiger Handwerker. Natürlich haben sich hier auch Firmen niedergelassen, deren Interesse einzig in der Lithiumförderung besteht.

Die Straßenbeschaffenheit ist wahrlich schlecht. Die einst asphaltierte Straße zersetzt sich und ist über weite Strecken mit Salz belegt. Es folgt kurzzeitig ein Abschnitt mit einer glatten Bahn. Doch die Freude währt nur kurz. Die meiste Zeit ist sie eben schlecht. Das rüttelt unentwegt das gesamte Auto durch. Wir begegnen einigen sehr großen Truckern, die so groß sind, wie wir sie sonst nur in Australien gesehen haben. Und sie fahren definitiv nicht vorsichtig sondern reizen ihr Fahrlimit aus. Allein der Sog der von einem entgegen kommenden Fahrzeug beim Vorbeifahren entsteht, kommt einem Erdbeben nah.
.# Cono de Arita
Als nächstes fahren wir am Cono de Arito vorbei.
Die 200 Meter hohe Vulkanpyramide aus Salz und schwarzer Lava gilt als der perfekteste natürliche Kegel der Welt.
Davor zu stehen ist beeindruckend. Ich glaube, ich beginne an UFO‘s zu glauben. Das ist definitiv eins! Oder eben das Werk
von Außerirdischen😉
Den Namen hat der Kegel von den Aymara bekommen und hat die Bedeutung "scharf".
Für die Einheimischen ist es ein heiliger Ort.



# Airport
Auf der weiteren Strecke, die kein Ende nehmen will, "fliegen" wir an einem geöffneten Tor vorbei.
"Was war das? War das ein Airport?"
Wir kehren nochmal um und schauen uns das an. Am liebsten würden wir reinfahren. Trauen uns aber nicht,
obwohl hier niemand zu sehen ist. Aber es sind Kameras angebracht. Wer weiss...
Wir machen ein paar Bilder und fahren weiter.

Noch siebzig Kilometer bis Tolar Grande. Das klingt nicht viel. Fühlt sich aber ätzend lang an.
Der Geduldsfaden reisst bald. Auch das Sitzfleisch mag sich endlich in Bewegung setzen!
Tolar Grande
Seltsame aber schön anzusehende „Beulen“ ragen am Eingang zum Ort empor.
Und wir fahren mittendrin. Endlich mal wieder ein anderer Anblick.
Ich bin begeistert!




"Der Ort ist so hässlich, wie kaum einer". Diese Meinung wird Rainer wohl sein Leben lang in Erinnerung behalten. Ich dagegen finde, er hat ein besonderes Flair. Ein Bergbauort eben. Das Wetter ist klar. Deshalb bin ich im Frieden mit Tolar Grande.
Der Anblick des Ortseingangsschildes ist erleichternd.
Wir haben es geschafft!

Ein unglaublich scharfer und kalter Wind schüttelt unser Auto durch.
Wir haben für die kommenden zwei Nächte keine Übernachtung. An einigen Häusern hängt ein Schild: "Hospedaje".
Doch niemand macht auf. Auch das Einzige Hotel der Stadt ist unbemannt.
Daneben ist ein Hostel mit Schlafsälen. Für Männer und Frauen - getrennt natürlich. Was also tun?
Wir fahren andere Häuser an. Als Rainer dem Auto am etwa ein Meter hohen Bordstein einen mehr als fetten und breiten
Kratzer verpasst, kann ich nur noch feixen. Gut, dass mir das nicht passiert ist. Die Stimmung kann man ab sofort als angespannt bezeichnen 😝

Rainer geht Klinken putzen. Bei einem Ehepaar aus Frankreich, Helene und Jorge, das ein Haus für nur eine Nacht gemietet hat, wird er fündig. Gern würden sie uns aufnehmen. Denn in diesem Haus ist ein zweites Zimmer. Leider abgeschlossen. Die Inhaberin ist nicht zu erreichen. Sie notieren meine Telefonnummer, um über WhatsApp in Verbindung zu bleiben. Wir erfahren, dass heute ganz Tolar Grande auf dem Friedhof ist. Sie gedenken der Toten. Jetzt schließt sich der Kreis. Jetzt wird auch uns klar, warum der Ort so menschenleer ist.
Geduld ist gefragt.
Jetzt schon ist die Entscheidung gefallen, aus unserem geplanten zweitägige Aufenthalt in Tolar Grande nur einen Tag zu machen.
Wir sitzen im Auto und überlegen heute in diesem zu schlafen. Aber nachts soll es minus 6Grad werden? Brrrr.
Wir fahren erst durch die Straßen und dann vor die Stadt auf der Suche nach einer geeigneten Stelle zum Campen. Finden aber nix.
Der Blick wandert ständig zum Smartphone. Wartend auf eine Nachricht von Helene.
Zur Not - so vereinbaren wir - werden wir hier zwischen den Bergen campen. Wir sind ja dafür ausgerüstet.
Dann genießen wir einen fantastischen Sonnenuntergang.





Genau zur richtigen Zeit kommt die erlösende WhatsApp von Helene, der Französin, mit der Nachricht, dass die Eigentümerin
bald das zweite Zimmer aufschließen wird und wir die kommende Nacht in einem Bett schlafen können.
Ein Stein fällt uns vom Herzen.
Wir sind den beiden unendlich dankbar für all den Einsatz.

Wir trinken zusammen einen Tee. Das tut gut. Wir sind nämlich ziemlich durchgefroren.
Es sind eigentlich fremde Menschen, die uns aufgenommen haben und mit den wir jetzt gemeinsam am Tisch sitzen.
Dennoch haben wir viel zu erzählen. Wie gut Befreundete. Wir erzählen uns, was wir schon gesehen
haben, was wir alles erlebt haben. Die beiden kamen aus Nordosten.
"Und welchen Weg seid Ihr nördlich von Tolar Grande gefahren?" fragen wir.
Die Antwort beruhigt uns! Sind doch die beiden tatsächlich den Weg bis hier mit ihrem normalen Stadtauto gefahren. Morgen werden
sie mit dem PKW unsere heutige Strecke in anderer Richtung fahren. Wie wir später erfahren, ist es ihnen gut geglückt.
Während die beiden noch ins Dorfrestaurant gehen, schlürfen wir unsere heisse Cup Noodel-Suppe und kriechen ins Bett. Wir sind fertig mit dem Tag! Unser Zimmer hat zwei Einzelbetten und jeder hat mehrere, sehr schwere Decken drüber. Und das ist auch gut so. Denn nachts fällt die Aussentemperatur auf Minus sechs Grad Celsius.

Am Ende wird eben alles wieder gut!
Gefahrene Strecke: 284 km
So geht es weiter
Tolar Grande verlassen wir einen Tag früher als ursprünglich geplant. Sehr früh und machen uns auf den Weg nach Chile. Wir testen zum ersten Mal unseren Campingkocher, erleben am ersten Grenzübergang die große Pleite, müssen viele weitere Kilometer bis zum Paso de Jama fahren und erleben am zweiten Grenzübergang nervige aber auch lustige Momente. Es bleibt abenteuerlich.