Von São Paulo nach Prumirim
Elf Uhr checken wir aus und machen uns auf die erste lange Fahrt in Brasilien.
Die erste Stunde verbrauchen wir, um aus der Stadt zu gelangen.
Nein wir stehen nicht im Stau, die Stadt ist so groß!
In São Paulo wird auch an die Verletzlichen auf der Straße gedacht: Die Zweiradfahrer.
Sie haben eine eigene Spur!

Die Fahrt entlang der Küste zieht sich. Wegen dem bescheidenen Wetter ist der Blick auf das Meer
nicht verzaubernd. Am meisten nervt aber die Fahrt durch Orte. Denn die Geschwindigkeitsbegrenzung
erfolgt durch breite Bumper. Da gibt es die fetten, die eine zwanzig Zentimeter hohe Schwelle darstellen
und dann die ganz fiesen, die man nur ein Mal übersieht. Es ist sozusagen das Pendant des Hügels nur als Rille.
Zu schnelles drüber fahren tut weh!
So sparen sich brasilianische Ordnungshüter ganz viele Verkehrsschilder. Die Durchschnittsgeschwindigkeit
einer solchen Reise wird total minimiert und macht alles andere als Spaß am Fahren durch das Land.
Es ist ja Winter in Brasilien und so ist die Sonne schon hinter den Bergen verschwunden, als wir halb Sechs die Unterkunft für die kommenden vier Nächte erreichen.
Unser Apartment befindet sich ganz oben in der dritten Etage des Hauses. Der Zugang erfolgt über stark abfallende
mit Rollschutt belegte Stufen. Das ist für Paulistas, die mit einer Weekender-Tasche kommen ok, aber wir Langzeitreisende,
die mit zwei Koffern und drei Handgepäckstücken sowie sonstigen Taschen mit Lebensmitteln unterwegs sind, ist es der Horror.
Bei jedem Gang nach unten sehe ich mich schon den Weg in eine Rutschpartie ausarten zu lassen!


Das Apartment sieht auf den ersten Blick genau so schön aus wie auf der AirBnB Website.
Was dort nicht abgebildet werden kann, ist der Geruch.
Das stinkt wie in einer alten Kirche. Oder einem Keller eines alten Hauses, dessen Wände die Feuchtigkeit schon längst angesaugt haben.
Da hilft auch nicht der Ventilator, den die Vermieter auf allerhöchste Stufe gestellt haben und
es sich anfühlt, als wenn man vor einer Flugzeugturbine steht. Ok. Es ist leicht übertrieben ;)
Als erstes schieben wir die Fenster weiter auf (Einen Spalt breit sind sie ja offen). Aber das ganz große
Fenster hat keinen Fliegenschutz. Also gibt es nur noch Variante Querlüftung, denn die sehr breite Tür hat
einen Schutz. Es folgt die Abschaltung dieses Ventilators.
Während Rainer das gesamte Gepäck aus dem Auto holt, prüfe ich Handtücher und Bettwäsche auf Geruch.
Aber die riechen super. Nun ja. Wir versuchen es dann noch mit der Klimaanlage, die bekanntlich dem
Raum die Feuchtigkeit entzieht, aber schon bald geben wir auch dieses Experiment auf.

Viel bleibt vom Tag nicht mehr übrig.
Ich zaubere uns einen Salat mit Palmherzen - die zu meiner neuen Lieblingssalatzutat gehören - und dann
wird das Licht ausgemacht.
Gefahrene Strecke: 289 Kilometer
Praia do Prumirim
Prumirim befindet sich in mitten von Mata Atlântica, dem Regenwald, der sich über 3.300 Kilometer der brasilianischen Ostküste erstreckt. Den Ort habe ich als Zwischenstation zwischen den Megacities São Paulo und dem nördlich gelegenem Rio de Janeiro gewählt. Einen Plan gibt es nicht. Wir lassen es ruhig angehen. Etwas baden und sonst nix.
Die Unterkunft war - abgesehen vom anfänglich strengen Geruch - ein Glücksgriff.
Ruhig gelegen und bis zu den zwei Stränden sind es nur wenige Schritte.
Mich begeistert die Aussicht, die je nach Tageszeit eine andere Szenerie bietet.
Kurz nach Sonnenaufgang:


Das Fenster ist klasse.
Das kann man nämlich ineinander schieben und hat den unverstellten Blick nach draußen.



Mein absoluter Lieblingsanblick ist der Blick über die Lagune Richtung Meer.


Ganz oben, auf dem Dachgeschoss gibt es diese Lounge Area.
Die haben wir - warum auch immer - nie genutzt.

Zu meiner Überraschung gibt es hier keine Mücken.
Das Wetter "schwächelt" und richtig dunkelblauen Himmel haben wir an allen drei Tagen nicht.
Das scheint für hier vollkommen normal zu sein. Im Gegenteil. Im Netz sehe ich auffallend viele Fotos bei Regen.
Regenwald eben. Doch sich zu beschweren, wäre unfair. Es sind etwa angenehme 25 Grad Celsius.
Es wächst hier alles sehr üppig. Und wenn ich "üppig" schreibe, meine ich das so:


Erwartungsgemäß ist der sehr kurze Zugang zum Strand auch ein Gang durch den dichten grünen Dschungel.
Natürlich gibt es einen gepflegten Zugang. Der wird täglich, noch bevor wir zum Strand gehen, gekehrt.
Ich gehöre ja bekanntlich zu den Schissern dieser Welt und halte auf solchen Wegen ständig Ausschau nach solchen
Objekten wie Schlangen und großen Spinnen. Aber man hat sich mir nicht gezeigt 😉



Und vom Strand gesehen erkennt man die einmalige Lage:

Beide Strände aus der Drohnen-Perspektive.
Links der Strand ist der Jundu Praia . Es ist der längere Strand.
Gleich drei Beachrestaurants buhlen um die Kundschaft. Jedenfalls in der Woche.
Am Abreisetag, ein Samstag, trauen wir unseren Augen nicht. Der Strand, der zu den
Geheimtipps zählt, ist schon kurz vor Elf knüppeldicke voll. In drei Reihen!
Der rechte Strand, Praia Canto Itaipu ist eher eine kleine Bucht und an Wochentagen eher verwaist.



DerJundu Praia ist unser bevorzugte Strand.
Hier gibt es leckere Cocktails und frisch Gefangenes. Für mich natürlich nichts aber Rainer schmilzt dahin.


Und Abnehmer stehen auch schon bereit 😉



Praia Canto Itaipu


Mir persönlich ist das Wasser zu stürmisch - die Wellen zu hoch.
Aber Rainer lässt es sich nicht nehmen, täglich einen Kampf mit den Wellen aufzunehmen.

# Paraty
Das süße Nichtstun unterbrechen wir mit einer Besichtigung des etwas nördlich gelegenen Ortes Paraty, einem der drei Kolonialstädte
in Brasilien, die unter Denkmalschutz stehen.
Prumirim ist etwa eine Autostunde entfernt von Paraty.
Die Stadt gehört seit 2019 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Das genaue Gründungsjahr ist nicht feststellbar. Unterschiedliche Quellen nennen unterschiedliche
Zeitabschnitte. Irgendwann Mitte des 16. Jahrhunderts muss es gewesen sein.
Anfang des 17. Jahrhunderts lebte hier neben den "Guaianases" Aborígines bereits
eine immer größer werdende Gruppe von „Paratianern“.
Um 1640 wurde das heutige historische Zentrum gegründet.
Im 18.Jahrhundert galt Paraty wegen seines Hafens als wichtigster Ort. Von hier wurden Gold und Edelsteine,
die in der Gegend Minas Gerais - heute Bundesland - gefördert worden sind, nach Portugal verschifft.
Mit der Modernisierung des Landes und dem Bau der "Estrada Real", die direkt nach Rio de Janeiro führt,
wurde der Hafen nicht mehr benötigt und versetzte Paraty in eine große wirtschaftliche Isolation.
Das Ergebnis war ein Exodus der innerhalb von etwa 30 Jahren, die Einwohnerzahl von
16 Tausend auf „600 alte Menschen, Frauen und Kinder“ minimierte.
Über 250 Zuckerrohrmühlen, in denen der Zuckerrohrschnaps Cachaça produziert wurde, gab dem Ort neuen Aufschwung.
Paraty galt von nun an als Synonym für guten Schnaps.
Während aber im Rest des Landes immer mehr Verbindungsstraßen eröffnet wurden, konnte man Paraty nur mit dem Boot erreichen.
Diese unfreiwillige Isolation war paradoxerweise das, was sowohl die koloniale Architektur der Stadt als auch
ihre Bräuche bewahrte. Die Straßen wurden alle von Ost nach West und von Nord nach Süd gezogen.
Die Gestaltung der Wohngebäude war gesetzlich geregelt, und jeder, der sich nicht an die Regelungen hielt,
dem drohten Geldstrafe oder ein Gefängnisaufenthalt.
Paraty ist heute ein größerer Ort, der ausschließlich vom Tourismus lebt.
Uns interessiert allerdings nur die Altstadt, denn die ist ausserordentlich gut gepflegt.
Die einstige Bepflasterung ist noch im Original erhalten. Damals, 1820 war dies eine Rarität und Ausdruck für den Reichtum einer Stadt.
Doch ich bin eindeutig aus einer anderen Zeit. Trotz flacher Sandalen ist das Gehen furchtbar anstrengend.
Ständig muss man gucken wohin man tritt.
Wir haben Glück. Heute ist Donnerstag und Touristen kann man an zwei Händen abzählen.
Unser Rundgang gilt dem Motto "Immer der Nase nach". Die Altstadt ist ausgesprochen hübsch und autofrei.




Das historische Zentrum von Paraty erinnert stark an das Barichara Kolumbiens.
Die Steingassen mit ihren weiß getünchten Häusern, bunten Türen und Fenstern im Kolonialstil sind eine Augenweide.
In manchen sind sehr unauffällig kleine Läden und Kunstgalerien untergebracht.



Igreja da Matriz de Nossa Senhora dos Rosário
Auf der Praça da Matriz befindet sich die bedeutendste Kirche, die Igreja da Matriz de Nossa Senhora dos Remédios.



Es ist schon später Nachmittag und wir lassen uns im Restaurant "Casa Coupé", auf der Praça da Matriz nieder.
Während Rainer ganz langweilig nur ein Bier trinkt, trinke ich den Paraty-Cocktail
namens Jorge Amado, gewidmet dem bedeutendsten brasilianischen Schriftsteller Jorge Amado.
Zu seinen bekanntesten Werken gehört "Gabriela". Alles hängt hier mit allem zusammen, denn
es besteht aus dem Nelken-Zimt-Likör auf Basis von Cachaça namens Gabriela Cravo und Canela sowie Passionsfrucht und Zitrone.
Es gibt auch feste Bestandteile in Form von Shrimps und einer ganz typisch brasilianischen Speise, der "Bolinho de feijoada".

Frisch gestärkt schlendern wir noch durch weitere Straßen...




... und finden ganz zufällig die küstennahe Straße Rua Dona Geralda - Ecke Rua da Lapa, die gezeitenabhängig mehr oder weniger überflutet ist. Schöne Spiegelfotos sind hier kein Hexenwerk.



Bevor wir nun unseren Aufenthalt hier in Paraty beenden, suchen wir noch das in unserem Reiseführer empfohlene Margarida Café. Der Platz auf der überdachten Terrasse ist einfach mal der Schönste. Das üppige Grün ist hier so edel gestaltet. Und der Cappuccino ist definitiv der beste auf unserer bisherigen Reise.

Zurück gehts entlang des Rio Perequê Açu mit diesen abendlichen, sehr malerischen Ansichten.





Tschö Paraty, Schön war's!

Unsere Unterkunft: Loft in Ubatuba
Das "Loft in Ubatuba" habe ich bei AirBnB gefunden. Der Name irritiert. Denn es gehört zum sehr großen Umland von Ubatuba.
Letztere ist eher eine sehr touristische Kleinstadt und befindet sich etwa 30 Kilometer von Prumirim entfernt. Was übrigens
mindestens eine Stunde an Fahrzeit bedeutet.
Das Haus ist fantastisch im tiefen Grün eingebettet. Es werden dort noch mindestens zwei weitere Wohnungen vermietet.
Nur wenige Schritte vom Haus entfernt befinden sich die zwei Strände.
Der Zugang:



Es gibt eine Art Feuerstelle, wo man abends an einem Lagerfeuer sitzen kann.

Die Einrichtung des Lofts ist perfekt zum urlauben als Selbstversorger geeignet.
Die Vermieter stellen Grundnahrungsmittel wie Salz, Zucker, gutes Olivenöl und Kaffee zur Verfügung.
Zur Begrüßung gab es zwei Flaschen Corona und zwei Pralinen. Sehr aufmerksam 😍
Man kann sich wohl Einiges aus dem Dorf liefern lassen, aber da wir Null Portugiesisch beherrschen,
machen telefonische Reservierungen so gar keinen Sinn.




So geht es weiter
Vom verschlafenen Prumirim geht's in den Ort mit den vielen Zuckerhüten und einem der bekanntesten Stadt-Stränden der Welt.