Von San José de Chiquitos bis zum Refugio Los Volcanos
Wieder einmal ein Reisetag.
Wir verlassen die La Villa Chiquitana und damit auch San José de Chiquitos.
Schön war's. Wir hatten keine Vorstellung von diesem Gebiet und konnten so nur
positiv überrascht werden. Dennoch warten wir noch auf den Moment, an dem wir wie die
anderen Reisenden, von Bolivien schwärmen. Hoffentlich kommt das noch. Momentan
müssen wir uns erst einmal an den vielen Unrat gewöhnen, der am Straßenrand liegt.


Wir verlassen Chiquitania Richtung Santa Cruz und dann weiter gen Westen.
Die Ruta 4, die Richtung Brasilien richtig gut ausgebaut ist, verlangt in die andere Richtung
gen Westen, wo sich Santa Cruz befindet, viel Variabilität ab.
Geologische Straßenverwerfungen sind noch die harmlosesten Dinge.
Große Teile sind im Bau. Wir fahren auf einem Sandweg. Es stiebt und
die Sicht leidet. Während eine weitere Spur etwa zwei Meter höher liegt
und gerade am Entstehen ist.

Vier Stunden und 270 Kilometer später erreichen wir den zweiten Innenring im Süden von Santa Cruz.
Überstanden ist die eher schmutzige Umgebung.
Bei Starbucks tanken wir etwas Koffein
und beobachten, die weiteren Besucher, die durchaus gekleidet sind wie in der westlichen Welt.
Nachdem wir noch vor wenigen Stunden in Chiquitania waren, scheint es mir, als wenn
ich kurz den Kontinent in eine andere Welt gewechselt habe, ohne es wirklich bemerkt zu haben.
So eng beieinander ist innerhalb einer Stadt Arm und Reich.

Auf der Ruta 7 fahren wir den letzten Abschnitt zum heutigen Ziel.
Die Landschaft um uns wird grün. Die Häuser schöner und die Straßen sauberer.
Die Ruta 7 ist spiegelglatt asphaltiert. Als wenn sie gestern erst fertig geworden wäre.
Manchmal aber braucht es dann doch nur einen Truck, um die Fahrzeit drastisch zu reduzieren.
Die im Refugio, unserer nächsten Unterkunft, angegebene Ankunftszeit - etwa 4pm - ist nicht zu schaffen.
Ich teile es ihnen per WhatsApp mit.
Das erlösende Schild erreichen wir Dreiviertel Fünf.

Jetzt nur noch die fünf Kilometer unbefestigter Straße. Kein Hit mit unserem Land Cruiser - denken wir.
Leider haben wir mit so einer schlechten Straße nicht gerechnet. Bei jeder tiefen Rille und vielen
spitzen Steinen leidet Rainer mit dem Auto.
Hier sind es nicht Lastwagen, die unsere Durchschnittsgeschwindigkeit senken.
Hier haben wir es mit ganz natürlichen Hindernissen zu tun. Offensichtlich
sind diese Viecher Autos nicht gewohnt und denken nicht daran zur Seite zu gehen!
Der Weg bis zum Shelter, dem vereinbarten Treffpunkt, ist in einem wirklich schrecklichen Zustand.
Nicht zuletzt wegen dem furchtbaren Unwetter, das hier vor zwei Tagen gewütet hat.
Das Unwetter, das wir nur als tropischen, einstündigen Regen in
Agua Calientes wahrgenommen haben.


Knapp 40 Minuten später stehen wir durchgeschüttelt an dem Mirador nebst Shelter mit einer
unglaublichen Aussicht auf den Amboró National Park.
Am beschriebenen grünen Tor stellen wir das Auto ab. Hier bleibt es für die nächsten Tage
allein stehen.
Hier beginnt das Privatgelände des Refugios, das wir nicht befahren dürfen.
Der Netzempfang hat sich schon auf der Strecke nach hier oben verabschiedet.
Was also nun? Erst einmal ist das zweitrangig. Denn vom überdachten Shelter
gibt es die Aussicht, die so auf der Website des Refugios abgebildet ist.
Noch sind wir mit dem fotografieren beschäftigt, da wird uns durch
die Sprechanlage mitgeteilt, dass das Shuttle gleich da sein wird.
Nicht ahnend, welche Fahrt uns nun noch erwartet.
Der Parque Nacional Amboró befindet sich am Fuße der Cordillera Oriental. Ab nun beginnen wir unsere langsame Angewöhnung auf die Höhe. 1.368 Höhenmeter sind kaum bemerkbar und deshalb ein wunderbarer Einstieg.

Das Wetter sieht nicht gerade vielversprechend aus. Und wer weiss schon, wie es sich in den nächsten Tagen
entwickeln wird.
Wir nutzen die Wartezeit auf den Shuttle mit Aufnahmen von diesem Aussichtspunkt,
der den atemberaubendsten und spektakulärsten Blick auf den Parque Nacional Amboró bietet.
Pssst: Den kann man auch anfahren, wenn man nicht im Refugio übernachtet.


Unten - in der Senke - befindet sich das Refugio!


Der Fahrer unseres Shuttles hat die Backen voll mit Coca-Blättern. Diese sollen ja keine
bewusstseinsverändernde Wirkung haben, aber ich traue dem Ganzen nicht ganz so.
Denn die Fahrweise auf dem folgenden Teilstück ist eine wahre Zumutung.
Es geht steil hinab entlang eines tiefen Abhanges. Es ist kurvig.
Und der Fahrer fährt nicht wie mit rohen Eiern. Im Gegenteil.
Es schüttelt uns etwa zwanzig Minuten durch, wie ich so etwas noch nie erlebt habe!
Am liebsten würde ich vor Angst schreien.
Ich fasse es mal kurz: Ich habe ein Stoßgebet gen Universum gesendet!
Wahrscheinlich, wären wir selber gefahren, hätten wir zwei Stunden für den
Abschnitt gebraucht.
Gefahrene Strecke: 356 Kilometer
Refugio Los Volcanos
Es kann keinen treffenderen Namen für diesen Ort geben als Refugio.
Das Privatgelände, einst erworben von dem deutschen Albert Schwiening, der
als Agraringenieur und Bodenexperte
im Auftrag der deutschen Regierung in asiatischen und amerikanischen Ländern gelebt
hat, erwarb er diesen wirklich einzigartigen Ort für wenig Geld, baute ein Haus, ein Refugium für
Ornithologen, Naturliebhaber und außergewöhnliche Touristen.
Das Refugio liegt am Rand des Amboró National Parks.
Aufgrund der Schwierigkeit des Geländes und des fast vollständigen Mangels an
Infrastruktur im gesamten Park wurde ein Großteil davon nie botanisch vermessen.
Es gibt mehr als 480 Vogelarten, 115 Reptilienarten und 100 Orchideenarten, die vor Ort registriert sind.
Man ist aber fest davon überzeugt, dass viele weitere Pflanzenarten auf
Entdeckung in den abgelegeneren Regionen des Parks warten.
Das Refugio gehört seit sechs Jahren einem Kanadischem Ehepaar, das hier die Gäste
empfängt und gut versorgt. Zur Zeit unseres Aufenthaltes sind wir die einzigen Gäste
ohne ein Arrengement. Eine Gruppe, ein Mix aus gut betuchten Bolivianern und US-Amerikanern
weilen hier zur Erholung und Regeneration mit ganztägigem Programm.
Es gibt ein paar Guides, die allerdings eher nur als Wegführer dienen, damit man sich nicht verläuft.
Keiner von ihnen spricht englisch.
Impressionen vom Ankunftstag:


Es gibt nur wenige Orte, bei dessen Anblick uns einfach nur die Kinnlade runterklappt.
Das „Refugio Los Volcanes“ ist eins, von dem wir nicht genug bekommen.
Was uns jetzt erwartet, ist nicht von dieser Welt. Am Fuße und eigentlich umgeben von diesen monströsen
Felsen verbringen wir eine außergewöhnliche Zeit.
Wir entdecken Wasserfälle, faulenzen in der Hängematte beziehungsweise im Liegestuhl vor unserem Zimmer.
Immer mit Blick auf die riesigen Botzen vor uns.
Die Tierwelt umgibt uns entweder sichtbar oder unsichtbar.
Manche Tiere mögen uns - manche stechen ganz fies zu.



Dieses Pferd hat so gar keine Scheu und besucht uns öfter als es uns lieb ist. Angst habe ich nicht. Aber ungewohnt ist es schon, wenn man in der Hängematte liegt und plötzlich steht ein Pferd neben mir 🫢

# Senda: Tres Cascadas
Eine erste, kleine Wanderung machen wir am ersten Vormittag.
Der Trail, der an den drei Wasserfällen vorbeiführt, soll dreißig Minuten dauern.
So langsam sind selbst wir nicht 😉
Egal. Der Trail beginnt hinter dem Haus und führt uns durch einen dschungelgleichen und wunderschönen
Wald. Aufgrund des Unwetters vor einigen Tagen trägt das Wasser noch viel Sedimente
mit sich und ist braun - aber nicht schmutzig. Die Spuren des Unwetters spüren wir
insbesondere, weil außer Schmetterlingen so gut wie nichts von der Vielfalt der Fauna zu sehen ist.
Normalerweise - so hat man es uns gesagt - sind hier verschiedene Äffchen zu beobachten.
Es wird wohl einige Zeit dauern, bis sie alle wiederkommen. Deshalb ist nicht viel zu sehen.
Schade aber nicht zu ändern. Dennoch verbringen wir die gesamte Zeit bis zum Mittag
am zweiten Wasserfall, wo es uns am besten gefällt.





Umgefallene Bäume und alles Spuren des Unwetters von vor zwei Tagen:

Zum Baden ist es uns zu kalt.
Die Füße reinhalten - das ist alles, was wir hinkriegen.


Ansonsten sind wir umgeben von herrlich frischem Grün.






# Senda: Condor
Am Nachmittag macht Rainer den "schwierigen" Trail, den Senda Condor mit einem Guide,
der drei Stunden dauern soll. Doch auch diese Angabe ist vollkommener Quatsch.
Als er wieder kommt,
denke ich, es sei etwas passiert.
Aber nein. Der Trail ist auch in einer viel kürzeren Zeiteinheit locker zu schaffen.
Genau deshalb habe ich auf die Wanderung verzichtet. Ich hab's mir einfach nicht zugetraut.
Der Wanderweg beginnt hinter dem Haupthaus:






Rainer bringt wunderschöne Aufnahmen vom Ausblick mit.
Doch weder den versprochenen Condor noch die hier lebenden Äffchen konnten gesichtet werden.





Der Wanderer auf dem Rückweg:

Den zweiten Tag verbringen wir dann nur noch im Lager. Ganz ohne jegliche Wanderung.
Nach zwei Monaten Reisen ist es Zeit, uns wieder auf Vordermann zu bringen.
Rainer bekommt einen neuen Haarschnitt. Auch ich kürze meine Haare.
Wir waschen Wäsche und genießen die Zeit ganz ohne Anbindung ans weltweite Netz.
Friseurstuhl mit Ausblick:

Die Zeit hier ist eine Zeit des Beobachtens und Fotografierens der Vogel- und Tierwelt.
Leider haben sich momentan viele Tiere verzogen.
"Wegen des Unwetters" sagt uns der Inhaber.
"Das hatte solche beängstigende Ausmaße erreicht" und zeigt uns in einem Video, was der
langweilig dahinplätschernde Bach an enormer Höhe und Reisskraft vor gerade zwei Tagen erreicht hat.
Ok. Wir genießen es trotzdem hier zu sein.
Hier gibt es die Sicht mit Drohni's Augen:





Im Gemeinschaftsraum gibt es einige ausgezeichnete Bücher zur
Erkennung verschiedener Vögel. Dem Aussehen nach, sind sie wohl noch vom Erstbesitzer.
Aber das ist eher unwichtig, denn uns interessiert, welche Vogelart es
ist, die wir andauernd hier beobachten und die diese Säcke zur Anzucht
ihrere Brut bauen. Irre Töne machen sie zudem.
Es ist ganz eindeutig ein Crested Oropendola, ein Krähenstirnvogel.
Seine Iris ist leuchtend blau, der Schnabel hellgelb und das Schwanzgefieder hat eine sattgelbe Farbe.
Vorkommen: Tiefland Südamerikas östlich der Anden
Sein Nest sieht aus, wie eine grosse hängende Tasche, die aus Pflanzenfasern gewebt ist.



Rainer verbringt viel Zeit damit, den Krähenstirnvogel optimal abzulichten.
Am besten während dem Flug. Aber es gelingt trotz bester Hardware nicht sooo leicht, wie man es sich das vorstellt.
Am Ende aber sind doch noch viele tolle Aufnahmen zusammengekommen.


Und dieses Tierchen ist weder eine riesige Maus noch ne wunderschöne Ratte.
Dies ist ein südamerikanischer Aguti, ein Nagetier.
Es hat ganz offensichtlich seine Behausung am Rand des gepflegten Rasen unserer Anlage. Seit ich nämlich
das erste Exemplar entdeckt habe, "bewegen" sich die Berge aus runtergefallenen Blättern des öfteren 😆

Unsere Unterkunft: Refugio Los Volcanes
Das Refugio liegt 80 Kilometer von der Stadt Santa Cruz entfernt in Bermejo. Etwa 40 kilometer östlich vor Samaipata.
Untergebracht waren wir im Haupthaus, der "Valle Cabin",
das erhöht mitten auf der gepflegten Wiese steht.
Etwas weiter entfernt befinden sich weitere Häuser mit Mehrbettzimmern.
Zimmer Eins befindet sich an der Ecke mit Blick zum entfernten
Haus, wo sich die Rezeption, Speiseraum und die Meditationsräume befinden.
Da - wo auch die zwei monstergroßen Hunde der Eigentümer leben. Sie selbst sprechen von Dinosauriern. Die Inhaberin,
spottet, dass wohl jeder Kanadier seinen eigenen Bären braucht. Genau. So groß wie ein unausgewachsener Bär
ist auch der eine Hund, der gerade ein Jahr ist. Da frage ich mich echt, wie groß dieser
im ausgewachsenen Zustand sein wird.



Die Zimmer sind sehr einfach. Aber sauber.
Dennoch schaffen es alle möglichen Käfer und Flugtiere trotz Gaze am Fenster ins Zimmer.
Ansonsten kann man nichts bemängeln. Die Dusche wird mit Solarenergie gespeist und bietet genügend
warmes Wasser mit gutem Druck.
Außerdem lebt man eher vor als im Haus. Dafür stehen Liegestühle und Hängematten zur Verfügung.
Eine Unterkunft so abgelegen von der Zivilisation, wie wir sie so noch nie hatten. Vorerst.
Einfach und doch sehr liebevoll ist auch der Speiseraum
eingerichtet. Der ist tiefer gelegen und befindet sich direkt am Fluss.
Drei Mal am Tag werden sehr leckere, leichte Speisen serviert. Immer in Büffetform.
Festgeschrieben sind die Essenzeiten. Ein wenig wie Ferienlager:
Frühstück 7-9am -
Mittag 12-2pm -
Abendbrot 7-9pm
Das Inhaberehepaar, etwas spirituell angehaucht, versorgen uns mit „clean food“.
Das hören wir mehrfach.
Es gibt verschiedenste unglaublich leckere Speisen und Salate aus sehr frischen Zutaten.
Für uns und diejenigen, die nicht nur „clean Food“ essen, gibt es auch eine Fleischspeise.




Das ist die Ruheoase direkt am Flussufer hinter dem Haupthaus gelegen:

Auch ein Feuerplatz ist vorhanden:

Sunset im Refugio:

Positiv erwähnenswert ist, dass man am Anreisetag ab 10Uhr einchecken und am Abreisetag bis 18Uhr bleiben kann.
So lange können wir es nicht ausreizen. Wir bleiben bis halb Drei, lassen uns wieder bis zum Mirador
bringen, wo unser Auto zwei Tage Zeit hatte sich zu erholen.
So geht es weiter
Den Abreisetag haben wir uns ganz anders vorgestellt: Viel entspannter.
Leider kommen wir ohne Zubringer nicht aus dem Lager.
Viel zu spät erreichen wir die nächste Unterkunft, die ausgefallener ist, als
wir das jemals gesehen haben.
Das schöne Wetter macht Pause.
Und der große Stein, die Hauptattraktion von Samaipata reisst uns nicht vom Hocker.