Mein Geburtstag in Lissabon
Frühstück im Bett?
Leider Nein. Zur Feier des Tages gibt ein Glas Prosecco im Bett.
Den Rest, das Frühstück also, gibt es im Restaurant. Obwohl heute
Montag ist und weitaus weniger Gäste im Hotel weilen, ist das Büffet genauso
umfangreich wie gestern. Und wir haben's nicht drauf auf irgendetwas zu verzichten.
Also ist unser Tisch gut gefüllt und so bunt wie schon gestern.
Auf dem Programm steht das Areal westlich von Baixa: Bairro Alto.
Bairo Alto ist die höher gelegene Altstadt, auch Hochstadt genannt.
Um einen schweißtreibenden Aufstieg zu umgehen, bietet Lissabon mehrere
Möglichkeiten. Wir entscheiden uns für die Fahrt mit der Standseilbahn.
# Glória Funicular
Funicular oder Elevador wird sie hier genannt.
Die 265 Meter könnte man auch zu Fuß laufen. Wenn da nicht der Höhenunterschied von
48 Meter wäre. Für 3.80€ gibt es ein Ticket für Hin- und Rückfahrt (Stand März 2022).
Eine Einzelfahrt gibt es nicht. Das Ticket kaufen wir bei der Schaffnerin.
Die erste Bahn verpassen wir, weil ein Mitglied unserer Reisegruppe mit den Aufnahmen für unser Urlaubsvideo viel zu lange beschäftigt ist 🙄 Dennoch Glück gehabt. Die Bahn ist recht schnell wieder da und nimmt dieses Mal auch uns mit.
Enttäuscht bin ich dennoch. Eine der Hauptattraktionen Lissabons ist mit unendlich vielen Graffitis beschmaddert. Nix gegen künstlerisch schöne Graffitis als Street Art. Aber das ist für mich nur Geschmiere!
Etwa 12 oder 14 Leute passen hier rein.
Und dennoch können nicht alle mit.
Übrigens... die Bahn begeht ihren 137.Jahrestag ihres Bestehens.
Die Fassaden der knapp 300 Meter sind mit einer Freiluftausstellung der "Galeria de Arte Urbana" gespickt. Sieben Paneele zeigen aussagekräftige Graffitis. Der Rest ringsum, also das Mauerwerk ist leider einfach nur beschmiert.
Die Fahrt ist recht kurz. Ganz klar. Man ist schon mit dem, was man sieht, ziemlich abgelenkt.
Oben angekommen, beginnt der Stadtteil Bairro Alto, das Szene- und Kneipenviertel von Lissabon. Uns bietet sich rechterhand eine Art Park mit Bänken für einen Überblick im doppelten Sinne an: Einmal um zu schauen, was unser Reiseführer zu diesem Areal zu sagen hat, und dann liegt eine halbe Ebene tiefer ein grün angelegter Park.
# Jardim de São Pedro de Alcântara
Die tiefer gelegte Ebene ist eine grüne Terrasse und sicherlich
die preiswerteste Alternative einen Blick auf den Kern der Stadt Lissabon zu haben.
Es ist praktisch das Pendant zum Castelo de São Jorge,
wo wir gestern am Vormittag waren. Jetzt sehen wir die Festung von der anderen Seite der Stadt.
Heute ist der Himmel bedeckt. Bei Sonne jedoch, ist es zum Fotografieren
besser am Nachmittag oder gar Abend hierher zu kommen.
Nun stromern wir einfach weiter entlang der größeren Straße. Hier gibt es viele nett aussehende Restaurants. Einige davon gefallen uns sehr gut. Alle sind noch geschlossen. Sie öffnen erst heute Nachmittag beziehungsweise am Abend. Wir versuchen uns die entsprechenden Lokalitäten zu merken. Für das heutige Geburtstagsdinner.
Eine kleine aber sehr steile Straße, die Rua da Palmeira, ist irgendwie verlockender als hier oben zu bleiben. Abgesehen davon, dass ich engere Straßen mehr mag, sind hier ein paar wirklich schöne Murals an den Wänden zu sehen.
Weiter geht es immer der Nase lang. Ohne wirklichen Plan.
Es gefällt uns gut. Und das Schöne: hier sind wir ganz alleine.
Ab und zu huschelt jemand aus seinem Haus. Ansonsten ist hier absolut nix los.
So. Jetzt wissen wir auch wo Rumpelstilzchen wohnt.
Die nächste Straße, die Rua de São Pedro de Alcântara, holt uns aus der gefühlt verträumten Gegend. Es ist die Straße, die wir auch nach der Fahrt mit Standseilbahn erreicht haben. Nur eben südlicher. Der Weg, den wir also gemacht haben, war ein wunderschöner Umweg.
Wir stehen am Eingang eines Buchladens. Drinnen stelle ich fest, dass es gar kein Buchladen
ist, sondern eine Bibliothek. Der Flur ist im besten Zustand.
In der oberen
Etage sind Leseräume.
Aber wo sind die Bücher zum Ausleihen?
Es ist die Brotéria, eine Bibliothek und eine Gallerie, die anfänglich nur den Mitgliedern
der Jesuitengemeinschaft geöffnet wurde. Seit 1995 ist diese Bibliothek für die Öffentlichkeit
geöffnet.
Nun lesen wollen wir heute hier nicht. Aber wir schauen uns etwas in den Räumen um
und stellen fest, dass der Hausaufgang für uns am sehenswertesten ist.
# Convento do Carmo
An diesem Vorplatz angekommen, schließt sich der Kreis unseres Rundganges. Nicht ganz. Aber es gibt ein Aha-Erlebnis. Die Ruinen des Klosters sind so dominant, dass man sie selbst aus der Ferne - auch gestern von dem Castelo São Jorge - im rot-orangenen Dächermeer erkennen kann. Nun bekommt meine Orientierung eine Struktur. Ein Raster für die Altstadt Lissabons.
Rechterhand geht ein Weg entlang des alten Gemäuers.
Ich habe in meinem Reiseführer ein Foto vom Inneren der offenen Ruine gesehen. Doch es sieht nicht so aus,
als ob es zu diesem Areal einen Zugang gibt.
Vom Platz am seitlichen Eingang gibt es kaum eine Möglichkeit das Ganze
fotografisch festzuhalten.
Der Bau der Kirche und des Klosters der Igreja do Carmo dauerte von von 1389 bis 1423. Der 1. November 1755, an den man in Lissabon praktisch an jedem Ort erinnert wird, war auch der Tag, an dem das Kirchendach eingestürzt ist und nur noch dieses Gerippe stehen blieb.
Gegenüber steht dieses Haus.
Und das interessante an dem ist die sichtbare Gestaltung der Abwasserrohre.
Immer noch bin ich auf der Suche nach einem geeigneteren Fotospot, um die
Kirche noch besser vor die Linse zu bekommen. Über ein paar Stufen erreichen wir eine weitere Ebene.
Am Ende erreichen wir ein Plateau. Vollkommen überrascht stellen wir fest, dass
wir uns auf der oberen Etage des Elevador de Santa Justa, des Aufzugs, der die Unterstadt mit der
Bairro Alto der Oberstadt verbindet, befinden.
Wären wir mit Stadtplan oder Google Maps unterwegs, hätten wir es wohl eher gecheckt.
Nun. Den Aufzug können wir uns schenken, denn wir sind ja schon oberhalb.
Der Ausblick von hier oben ist übrigens wunderbar, um den "Wellenplatz", den Praça do Rossio, in Gänze zu sehen.
Wir wollen weiterhin Bairro Alto erkunden, deshalb geht es zurück.
In einem Schaufenster schauen wir zu, wie ein Kloß aus Kartoffeln? hergestellt wird.
Da fällt mir ein, dass ich Werbeplakate mit diesem Kloß und dem rauslaufenden Schmelzkäse schon mehrfach gesehen
habe. Irgendwie sieht das echt lecker aus.
"Wollen wir auch so etwas essen?"
"Ja warum eigentlich nicht?"
An einer Außenbar nehmen wir Platz.
Pastéis de Bacalhau heißen die Klöße. Dass es eine Mischung aus Kartoffeln und Stockfisch ist,
erfahren wir erst von der Bedienung. Damit ist klar, dass nur Rainer das komplette
Mini-Menü, bestehend aus dem Kloß und einem Glas weißen Portweins bestellen kann. Für mich
gibt es nur einen Portwein.
Alles wird in einem maßgeschneiderten Tablett geliefert.
Gerade als wir zahlen und dann gehen wollen, sagt man uns, dass die Gläser im Preis
inbegriffen sind. Und prompt reicht man uns eine entsprechende Tüte.
Ok. Machen wir doch. Als Liebhaber des Portweins sind die Gläser mit einer Prägung
ein willkommenes Mitbringsel!
# Café A Brasileira
Chiado ist der Name des Stadtbezirkes, der nach dem gleichnamigen, zentralen Platz
benannt ist.
Hier befindet sich auch ein nächstes, im Reiseführer aufgeführtes Highlight:
das Café A Brasileira.
Als Nicht-Portugieser sagt uns beiden der Name Fernando Pessoa absolut gar nichts.
Aber, da Reisen bekanntlich bildet, nehmen wir Platz auf dem Stuhl der Bronzestatue
vor dem Café und lesen nach:
Das Café war in der Spätzeit der Belle Époque (Ende des 20. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges)
Anlaufpunkt der wichtigsten Dichter der portugiesischer Sprache und der Intellektuellen.
Deren Verlage hier in dieser Umgebung ihre Niederlassung hatten.
Zu den Stammgästen gehörte eben auch einer der bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts,
Fernando Pessoa, zu dessen 100. Geburtstag im Jahr 1988 diese Bronzestatue eingeweiht wurde.
Adresse: Rua Garrett 120.
Dieses Viertel gilt übrigens auch als Geburtsort der Bica, der typisch portugiesischen Variante des Espressos. Den können wir leider nicht kosten, denn das Café ist brechend voll. Deshalb gibt es nur Fotos mit uns und dann geht unser Fußmarsch weiter.
Gerade als wir den Platz verlassen wollen, quietscht ein Wagen der Straßenbahnlinie 28
um die Ecke. In jedem Reiseführer als Must-do in Lissabon aufgeführt. Hier steht keine
Touristenschlange an und es wäre eine gute Gelegenheit mit dieser Bahn zu fahren.
Aber ehrlich? Mit solchen Bahnen bin ich als Kind schon gefahren. Deshalb gibt es ein Foto
und dann geht's weiter.
Unser nächstes Ziel ist der TimeOut Market.
Es geht bis fast zum Ufer des Tajo. In die Avenida 24 de Julho.
Mit netten Impressionen von unterwegs:
# TimeOut Market
Googelt man nach: "Was tun, wenn es in Lissabon regnet?" Dann steht
ganz oben der TimeOut Market. Ich gebe zu, diese Gemüse-Fisch-Blumen-Fress-Märkte
scheinen momentan in jedem Ort dieser Welt hoch im Kurs zu stehen. Die meisten bekommen
dann vor Ort von uns eher ein "Na ja" als Urteil. Es gibt nur wenige Märkte, die mir als
Attraktion wirklich in Erinnerung geblieben sind.
Dennoch. Ungläubig notiere ich es bei der kurzen Vorbereitung auf die Reise im Sinn.
Denn, dass das Wetter am dritten beziehungsweise vierten Tag unseres Aufenthaltes eher
unbeständig bis regnerisch sein wird, wusste ich. Habe natürlich gehofft, dass die Wetterfrösche irren.
Leider ist das Wetter wie vorhergesagt: Es ist alles dabei. Von Sonne bis Nieselregen. Und so ist dieser Ort zu allererst ein Fluchtort vor dem miserablen Wetter!
Genau in dem Moment, als wir das Innere des TimeOut Market betreten, nehme ich alle meine vorherigen Bedenken
zurück. Ich bin fasziniert vom Ambiente: Modern und großzügig. Die Sitzgelegenheiten in Holz und der Rest sind in Schwarz gehalten.
Beim ersten Rundgang schon (ja wir drehen zwei Runden) sind wir begeistert von dem kulinarischen Ort.
Hier gibt es eine fantastische Auswahl. Auch für Nicht-Seafood-Esser.
Und es dauert eine Weile, bis wir uns entscheiden. Denn im Grunde genommen ist keiner hungrig.
Schließlich hatten wir ein umfangreiches Frühstück. Fast einem Brunch gleichend.
Es gibt unfotogene aber leckere Salate und Wein. Die Atmosphäre wird durch die großen Gemeinschaftstische bestimmt.
Pappe satt wollen wir eigentlich unsere Lissabon-Tour fortsetzen. Bleiben dann aber an einem
Stand mit Craft Beer hängen und können dem Angebot nicht widerstehen. Ein IPA und ein Pale Ale gehen auch noch rein.
Wie gut, dass sich der Nieselregen in der Zwischenzeit verzogen hat.
Bei strammem Wind geht's Richtung Praça do Comércio. Doch weit kommen wir nicht.
Eine Bar lockt uns mit dem typischen portugiesischen Likör, dem Ginja, einem Kirschlikör.
Der wird hier in fingerhutgroßen Schoko-Bechern angeboten. Deshalb gibt es für jeden zwei 😆
Schließlich ist das heute mein Geburtstag!
Nun geht's wirklich zum Hauptplatz. Ohne stehen zu bleiben.
Eigentlich wollen wir nur noch einmal vom Platz startend die Promenade entlang schlendern. Noch ein Foto hier. Ein Foto da...
Lissabon ist auch bei schlechtem Wetter schön.
Und beim zigsten Foto des Triumphbogens entdecke ich zwei Menschen da oben.
Ja. Das wollen wir auch!
# Triumphbogen Arco da Rua Augusta
Der Triumphbogen ist wirklich ein Augenschmaus. Seit wir letzten Herbst in Rom waren,
und uns mit den typischen Säulenarten beschäftigt haben, ist die Klassifizierung
der Säulen für uns ein Kinderspiel. Selbstverständlich sind es Korinthische Säulen
die das Dach mit den Figuren tragen.
Auf den sechs Säulen stehen jeweils links und rechts zwei Statuen von
bedeutenden Persönlichkeiten, die in der Geschichte Portugals eine besondere Rolle gespielt haben.
Da wäre Vasco da Gama.
Ein portugiesischer Seefahrer und Entdecker des Seewegs nach Indien um das Kap der
Guten Hoffnung.
Nuno Álvares Pereira, ein portugiesischer Heerführer Ende des 14.Jahrhunderts.
Sebastião José de Carvalho e Melo, auch bekannt als Marquis von Pombal, der Lissabon
nach dem Beben von 1755 beim Wiederaufbau unterstützte.
Und Viriathus, ein weiterer Heeresführer, der im 1.Jahrhundert vor Christi Geburt lebte.
Ganz oben steht eine Gruppenskulptur, die eine Deutung auf Ruhm, Tapferkeit und Genie darstellen.
Das zum kleinen Grundwissen.
Alles schön und gut.
Ein (Über)-Blick von der Plattform ist als ungeplantes Highlight eingeschoben.
Wir zahlen 3€, um mit dem Aufzug nach oben zu gelangen. Also fast.
Es bleiben 76 Stufen, die locker machbar sind.
Oben angekommen sind wir happy. Von hier kann man auf die Rua Augusta und ihr schönes Muster der
Pflastersteine blicken. Auf der anderen Seite guckt man auf den Praça do Comércio und die Tejo-Mündung.
Das Castelo de São Jorge, das Dachgerippe der Igreja do Carmo und sogar den aus der Masse
herausragenden Elevador de Santa Justa sind zu sehen. Es ist schon jetzt mein Favorit
aller Aussichtspunkte in Lissabon!
Und das ist der Blick Richtung Promenade:
Was jetzt?
Jetzt trödeln wir Richtung Westen. Das ist der Stadtbezirk Alfama.
Unser Ziel ist die Sé, die Hauptkirche Lissabons, die mit vollem Namen Catedral Sé Patriarcal heißt.
Unterwegs ist nicht wirklich viel los. Ein einziges Gebäude beeindruckt mich wegen seiner
beeindruckenden Fassade. Vermutlich ist das zu einer wärmeren Jahreszeit
eine tolle und lebendigere Gegend.
# Catedral Sé Patriarcal
Die Kathedrale konnten wir gestern nicht besuchen. Es war Sonntag und Zeit der Messe.
Sé ist die älteste Kirche in Lissabon. Sie wurde an der Stelle gebaut, an der zuvor
eine Moschee stand.
Zwei starke Erdbeben hat sie überstanden. 1344 und 1755.
Jedes Mal hat das Beben deutliche Spuren hinterlassen. Doch im Grunde blieb sie
durch Restaurationen und Erweiterungen erhalten.
Das Fotografieren ist im Inneren nicht erlaubt.
Doch eins will ich an dieser Stelle vermerken: Nach fünf intensiven Besuchen Italiens und
seiner Kirchen, beeindruckt uns die Sé im Inneren nicht wirklich.
Auch schön. Oder?
Das Museum befindet sich nur wenige Schritte von der Kathedrale entfernt.
Genug gelaufen.
Ein Taxi bringt uns ins Hotel.
Der Himmel sieht gruselig aus. Stellt aber einen schönen Kontrast zur altrosa Fassade unseres Hotels dar.
Im Zimmer angekommen steht diese Überraschung da.
Ich bin fasziniert. Das ist mir noch nie vorgekommen, dass ein Hotel so
aufmerksam die Geburtsdaten anschaut und den Gast so überrascht.
(Übrigens habe ich nach der Reise bei Tripadvisor gelesen, dass dies kein Einzelfall ist.
Auch andere Gäste wurden ohne vorherige Ansage so bedacht.)
Es gibt Cappuccino und Torte. Fast wie zu Hause.
Wir ruhen uns etwas aus. Jedenfalls zwischen den Anrufen der Gratulanten.
Eigentlich wollten wir nun in die obere Altstadt gehen, um dort zu dinieren.
Doch abgesehen, dass wir heute schon drei Mahlzeiten hatten, kann sich keiner
von uns beiden wirklich aufraffen. Rainer besorgt im Minimarkt nebenan etwas Knabbergebäck.
Wir schnappen uns den Schampus, den mir das Hotel spendiert hat und gehen
auf die Terrasse in der 10. Etage, wo wir eingemummelt bei einem feinen Gläschen
den Ausblick auf Lissabon genießen.
Was für ein toller Geburts-Tag!