Wieder mal auf Gartentour
Das Wetter ist fantastisch und wir fühlen uns bereit für einen weiteren Tag Tokyo.
Am Ende unserer Straße steht das New Otani Tokyo. Ein Hotel der oberen Klasse.
Es besteht aus drei Häusern und einem wunderschönen Garten, der zu den echten
Geheimtipps gehört. Klein aber fein. Mit einem sechs Meter hohem Wasserfall.
Der ist zwar für Hotelgäste gedacht. Besucher sind allerdings gern gesehene Gäste.
Für sie steht täglich ein Besuchs-Zeitfenster zwischen 6 bis 22 Uhr zur Verfügung.
Halb Zehn verlassen wir das Hotel. Die drei parallel verlaufenden kurzen Gassen von
Akasaka-Mitsuke wirken am Vormittag ein wenig verschlafen. Es wird gekehrt und der Boden
mit Wasserschlauch gesäubert. Die Schaufenster der Drogerien werden auf Hochglanz poliert.
Das kann man übrigens jeden Morgen beobachten. In Tokyo glänzt nicht alles. Aber alles
ist verlässlich sauber.
Am anderen Ende spuckt die U-Bahn im Minutentakt hunderte Büroangestellte aus, die sich in nur wenigen
Minuten wie Ameisen verteilen. Bis die Straße leer ist und eine neue Untergrundbahn Beschäftigte in das Geschäftsviertel bringt.
Unser Ziel wirkt sehr nah. Von hier aus könnte man denken, es sei am Ende der Gasse.
In Wirklichkeit müssen wir einen richtigen Umweg machen, um die dazwischenliegende Hochstraße zu überwinden. Also checken wir die Lage, ob es sich lohnt ein Bike auszuleihen. Die erste halbe Stunde ist nämlich kostenlos. Und sitzend macht die Fortbewegung viel mehr Spaß.
# The New Otani Tokyo Japanese Garden
Wissenswertes:
Kaum vorstellbar aber die Geschichte des Japanischen Gartens im Hotel New Otani Tokyo reicht
über 400 Jahre zurück. Katō Kiyomasa (1562 – 1611), ein Samurai, nutzte das Gelände als Residenz und war der Erstbesitzer.
Später wurde das Land an die mächtige Ii-Familie übergeben, die während der Edo-Zeit (1603 bis 1868) dominierte.
In der Meiji-Ära (1868 bis 1912) wurde das Land Eigentum der Familie Fushimi-no-miya. Dann allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg
wurde das Gelände von Herrn Yonetarō Ōtani, einem Sumo Ringer und dem späteren Gründer des Hotel New Otani erworben.
Japans Sumo Ringer werden vergöttert und gehören nach einer erfolgreichen Karriere zur wohlhabenden Schicht.
Vielleicht vergleichbar mit den Fußballern der westlichen Welt. Er renovierte den Garten, der zu dem wurde, was er heute ist.
Die japanische Regierung bat in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1964 Yonetarō ein Hotel zu bauen, das er dann auf
dem Land seiner Residenz entstehen ließ. Dabei wurde der Garten zur Hauptattraktion.
Das Schöne an diesem Garten ist, dass man den für sich alleine hat. Jedenfalls sind wir eine ganze Weile alleine hier.
Mein Favorit ist bei jedem Besuch der erst 1974 geschaffene Wasserfall, der sechs Meter hoch ist.
Die Kasuga-Laterne ist eine Laterne aus der Kamakura-Zeit (1183-1333) (unvorstellbar - oder?) mit den zwölf Tieren des chinesischen Tierkreises.
Die scharlachroten Brücken sind ein wirklicher Hingucker und der beste Kontrast
zu dem vielen Grün der vielen japanischen Ahornbäume. Die Blattfärbung hat auch hier erst begonnen.
Aber den Höhepunkt werden wir wohl nicht sehen können. Vermutlich wird es erst in zwei Wochen so weit sein.
2016 dagegen waren wir genau zur richtigen Zeit in Japan. Wir erlebten nicht nur Koyo, also die Blattfärbung
sondern auch noch eine andere, seltene Laune der Natur: Schnee auf den orange und rot gefärbten Blättern,
das dann so aussah 👉🏻
The New Otani Garden Tower vom Fuße gesehen:
Beim Verlassen des Garten müssen wir (es gibt keinen anderen Weg) durch die Shoppingarcade
des Hotels. Hier ist natürlich noch nichts los. Außer dass die Schaufenster blitzblank gewienert
werden.
Ich bin ja hier mit Kind unterwegs. Und kaum dass ich mal nicht hingucke - macht es was es will 😆
Unsere beiden Räder stehen noch bereit. Das ist sehr gut.
Denn beide haben eine hervorragend geladene Batterie.
Es folgt eine längere Fahrt. Es werden insgesamt vier Kilometer.
Natürlich geht es insbesondere am Anfang, unter dem Highway und entlang des Grabens in eine
laaang gezogene Steigung, was unschwer an Sabines Gesichtsausdruck zu erkennen ist 😂
Die Steigungen scheinen so anstrengend zu sein, dass ich ganz vergesse ein paar Aufnahmen zu machen. Und so ist das Foto der einzige "Nachweis", dass wir dort waren.
Wir erreichen den Eingang des Shinjuku Gyoen im Nordosten des Parks, am Okido Gate.
Die Bike-Station zu finden - unsere ewige Herausforderung während des Urlaubs - erfolgt außergewöhnlich schnell.
Fühlt sich irgendwie wie ein Sieg an.
# Shinjuku Gyoen
Wie viele Parks in Japan hat auch dieser eine lange Geschichte.
Shinjuku Gyoen ist ein königlicher Garten und entstand während der Edo-Zeit, die zwischen 1603-1868 andauerte.
Einst die Residenz des Daimyo Kiyonari Naito's, später zum botanischen Garten umgewandelt, wurde im
Garten 1872 eine staatlich verwaltete Versuchsstation gegründet.
1903 an die Kaiserliche Familie überführt stellten sie bis 1906 die Gestaltung des Gartens fertig.
Es entwickelte sich als Palastgarten für internationale Diplomatie, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg,
während dem er fast vollkommen zerstört wurde, als Nationalgarten umbenannt und 1949 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Wir zahlen 500Yen Eintritt. Es gibt ein Faltblatt zur Orientierung im Park.
Der Park hat eine Fläche von 58 Hektar. Es gibt einige Sehenswürdigkeiten und zusätzlich gibt es
zeitlich begrenzte Sonderausstellungen. Momentan werden Chrysanthemen ausgestellt. Wir beide sind keine Chrysanthemen-Fans. Deshalb
lassen wir erst einmal die Ausstellung links liegen und stromern durch die weitläufige Anlage gerade da lang, wo wir die schönsten Bäume finden.
Eine Decke haben wir nicht mit. Die Jacken müssen herhalten.
In der Sonne ist es angenehm warm. Und so genießen wir den Luxus die kostbare und
kurze Zeit in Tokyo laufen zu lassen und einfach nur in den Himmel zu schauen.
Es hat etwas von unendlicher Entspanntheit.
Das machen hier viele so. Egal ob Jung oder Alt.
Der Taiwan Pavillon ist ein authentisches, chinesisches Bauwerk, das anlässlich der Hochzeit den 124. Tennō Japans, Kaiser Hirohito (1901 bis 1989) erbaut wurde. Finanziert wurde es durch japanische Bürger, die zu dieser Zeit in Taiwan lebten.
Der Shinjuku Park gehört nicht unbedingt zu meinen persönlichen Favoriten Tokyoter Parks. Außer zur Zeit der Kirschblüte. Dann ist es der Ort, an dem es Kirschblüten schneit. So schön habe ich es nirgendwo erlebt:
Zuletzt schauen wir uns doch noch die Chrysanthemen-Ausstellung an.
Nach dem Motto: "Wenn wir schon mal hier sind"
Chrysanthemen sind für Japan nicht nur irgendeine Blumensorte. Es ist die Symbolblume des Kaiserhauses und damit die Nationalblume Japans.
Man spricht ihr große Heilwirkung zu. Es gibt Chrysanthemen Tee aber auch Chrysanthemen Wein.
Und man würzt und dekoriert Speisen mit deren Blättern und Blüten.
Nun. Man kennt ja Chrysanthemen auch in Deutschland.
Aber Japaner haben sie erwartungsgemäß perfektioniert. In Größe und Form. Und was hier steht ist eine Blüte,
die so groß ist wie ein Babykopf. Es ist schon besonders. Jede Blüte steht einzeln. In verschieden Farben.
Und kein Blättchen hat nur einen klitzekleinen Makel.
Am Ausgang steht dann noch eine pyramidenartige Komposition, mit Chrysanthemen,
die verglichen zu den Riesenteilen fast schon mickrig aussehen.
Es ist halb Drei. Zeit etwas essen zu gehen.
Sabine hat einen Geheimtipp für ein Restaurant in Shinjuku. Einen, den sie von einem Treffen mit ihrer Tokyoter Freundin
kennt und damit als "approved" gilt. Bis zum Ziel sind es etwa 500 Meter.
Das Katsukura befindet sich
in der 14.Etage des Takashimaya Times Square Shinjuku. Über zwei Etagen verteilt sich ein Foodcourt.
Als USA Reisende ist das schon seltsam. Befinden sich dort die Foodcorts eher im Untergeschoss.
Wir gehen zielsicher zum Katsukura. Katsu - das hatten wir schon vor zwei Tagen - ist diese
japanische Art von Schweineschnitzel.
Weil es so gut besucht ist und wir auch nicht reserviert haben, bekommen wir zwei Plätze an der Bar.
Unser Schnitzel wird aus einem Kinka Pork zubereitet. Dieses Schweinefleisch aus der Präfektur Yamagata, das in Japan als beliebtestes Fleisch in Form von Tonkatsu-Gericht angeboten wird, kann man in keinster Weise mit dem Schweinefleisch, das wir in Deutschland oder auch Europa kennen, vergleichen. Es schmilzt praktisch im Mund, hat eine zarte Konsistenz und eine leichte Süße.
Wir bestellen das Standardgericht. Die Bedienung, mit dem eher schlechten Englisch gibt sich dennoch extreme Mühe, um uns zu erklären, was wir mit den bereitgestellten Soßen und dem Sesam machen sollen. Lösung: Wir mahlen den Sesam in einer speziellen Schüssel und rühren die dunkle Soße ein. Das ist die Soße, in die wir die Schnitzelstücke titschen. Die hellere Soße ist schon fertig und die Haussoße für das superdünne und vermutlich mit Laserstrahl geschnittene Weißkraut gedacht. Und es schmeckt köstlich! Das Kraut wird ständig nachgefüllt. Die Schnitzel leider nicht 😆
Es ist Dreiviertel Vier, als wir gesättigt das Kaufhaus verlassen.
Draußen ist die blaue Stunde angebrochen, die in Tokyo eher immer sehr rosa ausfällt.
So gut ich den November als Reisezeit für Tokyo empfinde, das gegen 16 Uhr schwindende Tageslicht
ist ein echter Nachteil. Nicht dass Tokyo dann in der Dunkelheit verschwindet - eher das Gegenteil ist der Fall -
nein. Mit der untergegangenen Sonne wird es echt kalt. Gut. Wir sind ja vorbereitet
und haben stets Schal und Handschuhe im Rucksack. Dennoch. Mehr Wärme fänden wir doch angenehmer.
# Shinjuku & Godzilla
Shinjuku Ward, im Westen des Zentrums von Tokyo gelegen, musste nach der massiven Zerstörung während des
2. Weltkrieges fast neu aufgebaut werden. Der Bahnhof Shinjuku stellt dabei das Zentrum dar.
Dieser ist übrigens mit mehr als drei Millionen Passagieren pro Tag der verkehrsreichste Bahnhof der Welt.
Wegen seiner etwas ruhigeren Lage - mit ruhiger ist der seismisch sicherere Ort gemeint -
entstanden hier die allermeisten Hochhäuser. Schon in den 1980er Jahren entstanden mehr als eine Handvoll 60-Stöcker in Shinjuku,
in den man die Erdbeben zwar deutlich spürte, die aber durch Japans Bauweise verbunden mit dem Standort relativ sicher erscheinen.
Das Tokyo Metropolitan Government Office, der Twin-Highscraper, zeichnet sich durch seine beiden
243 Meter hohen Türme aus. Die sieht man von fast jedem Standort. (siehe Foto)
Unser Ziel ist der Stadtteil Kabukichō, das sich nördlich des Bahnhofs befindet.
Kabukichō, benannt nach einem geplanten aber nie eröffneten Kabuki Theater,
galt schon vor der Zerstörung 1949 als das Rotlichtviertel für jede Ausrichtung.
Das hat sich selbst nach verschiedenen Reformen nicht grundlegend geändert. Schätzungsweise
gibt es in dieser Gegend rund 300 LGBT-Bars und Nachtclubs.
Wir betrachten Shinjuku's Kabukichō als stimmungsvolles Ausgehviertel mit einer riesigen
Auswahl an Restaurants und einer besonderen Atmosphäre.
Wir beide sind heute auf die Suche nach dem Godzilla Head.
Dazu beginnen wir die Suche in der Straße direkt am Green Peas. Dieses Haus kann man nicht übersehen.
Es ist schon am Ende der Brücke, die den Bahnhof tangiert, zu sehen. Das Green Peas
ist eins der bekanntesten Pachinko-Salons Tokyo's.
Weiter geht es kreuz und quer durch das Viertel. Immer mit dem Ziel vor Augen lassen wir uns treiben. Lassen uns immer wieder durch die Fassadengestaltung aber auch durch die akustische und visuelle Reizüberflutung ablenken, die ein Vielfaches von dem einer Stadt wie zum Beispiel New York City hat.
Hier hätten wir ihn schon sehen müssen! Wenn - wenn wir uns nicht strikt an den Weg gehalten hätten, den uns Google Maps anzeigt. Es steht ja eindeutig da: Godzilla Road 🤭
Wir drehen mehrere Runden ums Karree bis wir registrieren, dass Google uns durch die eng stehenden und hohen Häuser gar nicht richtig ortet! Das drückt dann irgendwo auch auf die Laune und wir sind kurz vor dem Aufgeben.
Vor der Reise las ich irgendwo: "... viel zu groß, um ihn zu verpassen"
Bei uns ist das Gegenteil der Fall. Der auf dem Soho Building befindliche massive 80 Tonnen schwere Godzilla Kopf
verschwindet schon aus einer Entfernung von 100 Metern im Gemenge. Wir haben ein riesiges Monstergebilde erwartet.
Ganz nebenbei suchen wir noch nach einem Daiso. Japans 100Yen Store.
Der befindet sich im Untergeschoss einer U-Bahnstation und ist nicht nur klein, sondern kann uns nicht einmal 100Yen
für irgendeinen Artikel abringen.
Etwas enttäuscht überlegen wir jetzt, wie wir nach Hause kommen.
U-Bahn oder Fahrrad?
Die Wahl fällt auf Fahrrad. Ganz eindeutig.
Nichts ist schöner, als radelnd die Stadt an einem vorbeiziehen zu lassen.
Es geht vorbei am Shinjuku Gyoen und am Nationalstadium bis zur Aoyama.
Während der Zeit als wir in Tokyo wohnten, habe ich gern in diesem Shop, dem Peacock Store Aoyama westliche Artikel gekauft.
Wenn ich Sehnsucht nach Sauerkraut oder einer ganz einfachen Wurst hatte. Leider kommen wir zu spät.
Im Februar hat der Shop nach 54 Jahren geschlossen. Eine Anzeige im Schaufenster gibt Auskunft.
Etwas nostalgisch angehaucht besuchen wir auch die obere Etage. Im Erdgeschoss ist die Auswahl an Lebensmittel nach wie vor exzellent.
Aber uns reicht nur ein Getränk und etwas für morgen früh.
In Mitsuke angekommen, gucken wir nicht schlecht.
Stimmt! Heute ist ja Freitag. Da tobt wie gewöhnlich der Bär in Mitsuke's Bars.
Geschäftsleute und Angestellte sind unterwegs auf einen Absacker. Ganze Abteilungen lungern in sauteuren Restaurants und vergnügen sich.
Man trinkt Bier und Whiskey. Nicht viel. Denn Japaner gehören zu den Volksgruppen, die eine Alkoholintoleranz haben.
Im Hotel angekommen, füllen wir unseren Koffein Haushalt auf und essen eine süße Kleinigkeit und stürzen uns anschließend ins Getümmel.
Die Entscheidung ist nicht einfach. Es gilt ja auch ein Restaurant zu finden, in dem wir nicht verarmen. Und so
bekommt das "82 Ale House" den Zuschlag. Hier war ich schon mit Rainer einige Male. Ein bevorzugter Treffpunkt vieler Expats
mit englisch sprechendem Personal.
An Alkoholintoleranz leiden wir zwar nicht, aber ein Whiskey reicht, um dann auf Bier umzuschwenken.
Die Auswahl ist unvorstellbar groß, wenn man bedenkt, wie klein dieser Laden ist. Die "wertvollen" Kohlenhydrate holen wir uns
über Edamame und hausgemachte, warme und höllisch scharfe Kartoffelchips.
Kurz nach Zehn fallen wir ins Bett.
Morgen steht uns wieder ein neuer ereignisreicher Tag bevor!