Wenn man denkt schon alles gesehen zu haben
So ein Late-checkout ist etwas Feines. Bis 13 Uhr haben wir Zeit.
Wir schlafen ohne Hektik aus, wir frühstücken und schaffen es sogar noch, unserem geliebten Pool einen Besuch abzustatten.
Das Wetter von heute schleift etwas. Es ist extrem windig und der Himmel ist "hazy.
Ich meine, wir verlassen eh Rancho Mirage.
Was kümmert's mich?
Kurz nach Zwölf machen wir uns auf den Weg. Unser nächstes Ziel hat nämlich nur bis 13 Uhr geöffnet. Es ist nicht weit von Rancho Mirage und liegt auf dem Weg nach Los Angeles.
Unterwegs: Werbung für die "Feinste Apotheke" in Desert Hot Springs.
# Cabots Pueblo Museum
Desert Hot Springs beherbergt ein seltsam aussehendes Gebäude.
Ist es eine Ruine? Oder soll das so sein?
Das Areal eingezäunt, der Parkplatz riesig und sauber und trotz der Tatsache, dass es sich
um ein Museum handelt, ist hier kein Kassenhäuschen für den Eintritt zu sehen.
Das Gebilde steht auf einem Berg und hat eine traumhafte Lage mit unverstelltem Blick
auf das Valley.
Als Erstes springt die riesige Statue eines Indianers vor die Linse.
Waokiye (Y-oh-kee-ay) heißt er und bedeutet "traditioneller Helfer" in der Lakota-Sprache.
Waokiye wurde vom Künstler Peter "Wolf" Toth geschnitzt und im Mai 1978 fertiggestellt.
Der Kopf ist 6,7 Meter hoch und wurde aus einem einzigen 45 Tonnen schweren Sequoia Redwoodstamm geschnitzt
und dem Museum gespendet. Die Feder ist 4,5 Meter hoch und wurde aus einer Weihrauchzeder von Idyllwild hergestellt.
Das Cabot's Pueblo Museum gehörte Cabot Yerxa, geboren 1883.
Ein Weltenentdecker der sich mit 30 Jahren, also 1913, im Coachella Valley niedergelassen hat.
Er selbst bezeichnete sich als Exzentriker, Einsiedler, Händler von Klapperschlangen und Chuckwallas.
Zusammen mit seinem Esel namens Merry Christmas, ließ er sich auf einem 160 Hektar großen Grundstück nieder
und versuchte zu überleben.
Er grub nach Wasser. Und stieß auf heißes Mineralwasser.
Mehrere Meter weiter grub er nochmals nach Wasser und fand kaltes Mineralwasser.
Daraufhin nannte er den Berg, auf dem er sich niederließ, Miracle Hill.
Und so weiter und so fort...
Es gibt viele Geschichten um diesen Mann, den man Gründer des Ortes Desert Hot Springs nennt.
Cabot glaubte an Wiederverwendung, Recycling und Reduzierung. Er sammelte Dinge obsessiv
und recycelte praktisch alles. Verwendete Eisenbahnschwellen und Telefonmasten.
Alle möglichen Materialien zum Bauen hat er von irgendwoher zusammengetragen. Sogar
Treibholz aus der Salton Sea.
Ein Umweltaktivist par excellence.
Kein Fenster, keine Tür, keine Wand ist parallel. Sein Hopi inspiriertes Pueblo hat
über 35 Zimmer, 150 Fenster, 65 Türen und ist vier Stockwerke hoch.
Um das Anwesen in aller Ruhe zu bestaunen, haben wir nicht genügend Zeit. Denn in
den Sommermonaten, und da zählt der Juni auch dazu, ist das Museum nur bis 13 Uhr geöffnet.
Man kann eine Führung machen, die man selbstverständlich buchen muss.
Dennoch. Was wir sehen, ist irgendwie echt beeindruckend.
Das Areal außerhalb des Hauses ist dabei genauso interessant wie die äußere Erscheinung des Pueblo.
Weil die Zeit rast, haben wir nur wenig Zeit, um uns drinnen umzusehen.
Aufgrund der Außenfassade habe ich ein ebenso spartanisches Innere erwartet. Aber
es sieht sehr gepflegt aus. Vor allem wenn man bedenkt, dass das alles nur aus alten Klamotten
geschaffen wurde.
Übrigens kann man hier eine Festivität buchen.
Und jährlich finden auf dem Gelände große Empfänge statt. Als ich entsprechende Fotos von den Galas,
die heutzutage für mehrere Tausend Dollar Eintritt stattfinden, gesehen
habe, war ich zugegeben tief beeindruckt.
Bevor wir den Ort verlassen, schauen wir uns in einem Hotel um. Das ist mir auf der Herfahrt
aufgefallen. Entgegen der Wohnanlagen, wo wir gestern unterwegs waren, scheinen diese Häuser
eher einfacherer Art zu sein. Aber das kann natürlich täuschen.
Der Eingang des Hotels ist mit den vielen verchromten
Rahmen ein Hingucker.
Ein kurzer Check bei Booking und ich bin beeindruckt. Denn das "Azur Palm Hot Springs Resort"
ist alles andere als eine preiswertere Bleibe. Im Gegenteil. Ein Zimmer selbst ohne Balkon,
ist kostenintensiver als die Wohnung im Westin Mission Hills.
So kann man sich täuschen.
Die Lobby sieht sehr gepflegt aus. Hinter der Lobby eröffnet sich eine nett gestaltete Plattform
mit Loungemöbeln.
Und das Coolste ist der Blick ins Tal und auf den Hotelpool.
Gern würden wir hier ein Kaffeegetränk einnehmen und beim Trinken die Aussicht genießen.
Es gibt nur Selfservice. Auch nicht schlimm. Schlimm ist die Auswahl. Denn so etwas Triviales
wie Cappuccino wird gar nicht erst angeboten. Nur super gesunde Shakes. Und darauf haben wir beide
keine Lust.
Nun verlassen wir endgültig das Desert. An der Tankstelle des Casinoresorts Agua Caliente Fuels tanken wir für 5.759USD die Gallone.
Der Weg bis nach Los Angeles zieht sich ewig hin. Erst bleiben wir im Desert Hills Outlet stehen und werden wie so oft von dem Angebot enttäuscht. Gut, viel Zeit investieren wir nicht wirklich. Ein paar neue Nike's sollen her. Aber das, was hier in den Regalen steht, will ich nicht einmal kostenlos mitnehmen.
Und auf der weiteren Strecke quälen wir uns durch den Freitags-Stau LA's.
Kurz vor Fünf erreichen wir Hawthorne. Ein Vorort oder Stadtteil von LA. Egal. Ich habe dieses
Hotel bewusst ausgesucht. Es war bezahlbar und nur etwa zehn Fahrminuten vom Flughafen
entfernt. Außerdem ist es ein Hotel der Marriott Gruppe und die sind meist nach unserem Geschmack.
Das Gebäude ist zweischenklig. Dass jeder Schenkel aber ein anderes Hotel ist, das bemerken wir erst beim Einchecken.
Denn schnurstracks und sicher marschieren wir in das Courtyard rein. Hier sucht man ewig nach unserer
Reservierung, bis ich dann meine Unterlagen aus dem Ordner hole.
Peinlich peinlich.
Die TownePlace Suites Los Angeles LAX/Hawthorne
befinden sich genau im anderen Haus.
Aber es gibt eine interne Verbindung, die wir nutzen dürfen. Und ehe wir an der
anderen Rezi stehen, ist der Einchecker schon informiert, dass wir kommen. Vermutlich passiert das täglich.
Alles wirkt sehr modern und die Wandgestaltung finde ich echt fetzig (um mal ein altes Wort aus
meiner Jugendzeit zu verwenden). Unser Zimmer befindet sich am Ende des furchtbar langen Ganges in der zweiten Etage.
Ja. Das Zimmer ist wunderbar. Gleich neben dem Eingang ist eine sehr moderne und gut ausgestattete Kitchenette. Hier könnte man sein Frühstück mit Speck und Eiern selbst machen. Aber das müssen und werden wir nicht. Denn Frühstück ist inklusive.
Im Grunde genommen könnten hier locker vier Erwachsene übernachten. Denn die Ausziehliege ist sehr groß. Es gibt einen kleinen neckischen Couchtisch und unter dem Schreibtisch ist ein großer Esstisch integriert, der völlig solo stehen kann und den man mittels vier Rädern zur Liege oder zum Bett rollern kann. Sehr praktisch.
Wir machen uns frisch und trinken ein Käffchen.
Den Rest des Tages - viel ist ja nicht mehr übrig - soll es nach Marina del Rey gehen. Dort waren wir noch nie. Und vielleicht schaffen wir es noch bis zum Pacific Cove Beach, um den Sonnenuntergang genießen zu können.
Bis Marina del Rey ist es nicht weit. Aber das bekannte Hindernis sind die überfüllten Highways. Wir haben keine Eile. Nach fünf Tagen in der Wüste und bei mindestens 35°C auch am Abend, empfinden wir die Außentemperatur hier echt unangenehm. 20°C sind eindeutig zu kalt!
Marina del Rey ist eher eine Enttäuschung. Weit und breit Wohnbunker. Die Bucht sieht vielleicht am Tag einladend aus. Aber es ist insgesamt nicht unsers.
Auch der weitere Weg macht keinen Spaß. Wir sehen schon das nächste Ziel schwinden. Das schaffen wir definitiv nicht vor Dunkelheit. Die Enttäuschung hält sich allerdings in Grenzen. Ich habe da noch ein paar Punkte, die wir jetzt gleich in der Nähe anfahren können.
# Binoculars Building
Ob es nun ein Highlight ist oder nicht. Ich wollte es schon immer mal in Original sehen. Doch nie hat uns die Reise hergeführt. Und heute, da wir in der Nähe sind, passt es sehr gut.
Eine bessere Werbung als dieses überdimensionale Fernrohr, hätte die Werbeagentur
nicht bekommen können. Das „Binoculars Building“, der inoffizielle Name des ehemaligen Chiat/Day-Gebäudes,
ist ein Werk Frank Gehry's mit dem Künstlerpaar Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen,
die bekannt sind für außergewöhnliche Bauten.
Es ist 13,7 x 13,4 x 5,5 Meter und steht seit 1991 in der Main Street in Venice.
Parken ist hier schwierig, wenn man kein Ticket bekommen will. An der gegenüberliegenden
Straßenseite stehen zwar Wohnwagen von Homeless People, aber Rainer ist nicht bereit,
sich nur eine kurze Zeit in die Reihe einzuparken.
Das Projekt: Paradise Cove ist immer noch nicht vom Tisch. Wir versuchen es. Doch die Straßen sind voll.
Wir kommen kaum voran. Heute ist Freitag und gefühlt ist alles auf den Beinen.
Das macht alles keinen Sinn. In der Gegend um das Santa Monica Pier waren wir schon
mehrfach vor vielen Jahren. Deshalb hat keiner von uns beiden Ambitionen hier zu bleiben.
Und so entscheiden wir den nächstbesten Boulevard gen Osten zu nehmen. Es ist der Santa
Monica Boulevard. Und der ist wie ausgestorben.
Unser nächstes Ziel ist die Kunstinstallation
"Urban Light", am Wilshire Boulevard.
Bis dahin sind's laut Google noch mehr als eine Stunde
Fahrzeit.
Als die Sonne untergegangen ist, sind wir immer noch unterwegs. Ich versuche Rainer
über einen besseren beziehungsweise kürzeren Weg zum Ziel zu leiten.
Aus dem Augenwinkel sehe ich die Tankstelle! Boa!
Natürlich ist es gerade ungünstig
stehen zu bleiben. Wir wenden und suchen uns einen Parkplatz.
Die Tankstelle Union 76 an der Ecke Crescent Drive und South Santa Monica Boulevard in Beverly Hills ist eine wahre Ikone der Mid-Century Modernism. Zufälligerweise hat sie die gleiche Dachform wie das Dach des Visitorcenters in Palm Spring. Wo wir gerade erst gestern waren. Entworfen von der Architektengruppe um den chinesisch-amerikanischen Architekt Gin Wong sollte dieses Detail ursprünglich ein Teil des Los Angeles International Airport werden. Als es dort nicht zum Einsatz kam, wurde es 1965 als Baldachin des unscheinbaren Tankhäuschens angewendet.
Zwischen den Häusern steht das hell erleuchtete Beverly Hills Civic Center.
Ein echter Hingucker.
# Urban Light
Seit 2008 stehen 202 historische Straßenlaternen aus den 1920er und 1930er Jahren, die ursprünglich in ganz Südkalifornien verteilt waren, kunstvoll aneinandergereiht neben dem Los Angeles County Museum of Art (LACMA). Es ist ein Geschenk der Gordon Family Foundation, der Familie des Künstlers Chris Burden.
Seit 1993 sind wir regelmäßig hier in der LA Gegend. Vieles haben wir uns schon angeschaut.
Aber von diesen Lampen habe ich noch nie vorher gehört. Geschweige denn, irgendwo ein Foto davon gesehen.
Es war ein Zufall, dass ich es in einem Hotelbuch, irgendwo unterwegs im Südwesten der USA, entdeckte.
Lange vergessen und für diese Reise aus der Retorte geholt.
Das Areal ist nicht groß. Aber anhand der vielen Besucher, scheinen wir die letzten oder vorletzten zu sein,
die von der Existenz erfahren haben.
In der nachträglichen Recherche erfahre ich, dass die Leonardo DiCaprio Foundation großzügig den Ersatz aller 309 Glühlampen durch LED-Lampen unterstützt hat, was zu etwa 90% der Energieeinsparung für LACMA führte und gleichzeitig die Emissionen von Treibhausgasen und anderen schädlichen Stoffen reduziert.
Ich bin vom Ambiente begeistert.
Auf dem Weg zum Auto sehe ich rechterhand irgendetwas, das in diesem Ferrari Rot angeleuchtet wird.
Rainer meint es sei eine Baustelle.
Eine Baustelle?
Ich sehe doch Wellenlinien, die silbrig und rot auf der Fassade die Farben wechseln.
Es lässt mir keine Ruhe und ich gehe in Richtung dieses Hauses.
Halleluja. Was ist das für ein Gebäude!
# Petersen Automotive Museum
Dieses einem Auto nachempfundene Gebäude beherbergt eines der größten Automobilmuseen der Welt. 2015 wurde das Museum einer umfangreichen Renovierung unterzogen und ihm diese Fassade aus 100 Tonnen Stahl verpasst.
Robert E. Petersen begann als Verleger des amerikanischen, monatlich erscheinenden Hot Rod Automagazins.
Die Petersen Publishing Company beschäftigte sich mit allen Publikationen rund ums Auto.
Das zur Historie, die natürlich wesentlich umfangreicher ist.
Mich interessiert heute erst einmal die Fassade, die unendlich viele Fotomotive bietet.
Es ist Viertel nach Neun. Bis zum Hotel sind es noch zwölf Meilen.
Die Straßen sind mäßig befahren. Doch das dauert. Eine Ampel folgt der anderen.
Alles etwas zäh!
Unser Hotel, das haben wir schon gesehen, liegt abseits von irgendwelchen Fressmeilen.
Und da wir es weder während unseres Aufenthaltes im Januar noch bis heute geschafft haben,
bei Panda Express essen zu gehen, soll es heute passieren.
Auf dem Weg gibt es eine Filiale am West Century Boulevard. Das ist die Straße die direkt zu LAX
führt. Zugegeben, so ganz geheuer sind mir die Gestalten hier nicht. Und deshalb machen
wir schon aus, dass wir das Essen schnappen und es entweder im Auto essen oder
gleich ins Hotel fahren. Doch so weit kommt es nicht.
Die Filiale schließt 9.30pm. Bis dahin sind es noch 10 Minuten, doch die Pfannen sind leer.
Hier wird nur noch das verkauft, was da ist.
Total betreten gehen wir raus.
Jetzt wollen wir es aber wissen. Wo ist die nächste Filiale? Und wie lange hat die überhaupt geöffnet?
Nun. Es sind keine fünf Minuten bis zum nächsten Laden.
Es gehört zum offenen Areal des Vergnügungs- und Shoppingareal am SoFi.
Alles ist hier hell, freundlich und modern. Drin sind etwa zwanzig oder mehr Leute vor uns.
Und es geht nicht vorwärts. Denn mit dem Zubereiten des Orange Chicken kommt man
nicht nach. Kaum wird eine volle Pfanne gebracht, ist die auch wieder leer.
Das ist der Wahnsinn!
Wir sind ganz entspannt. Essen naht! Das Wichtigste ist, dass wir überhaupt zum Zuge kommen.
Denn wie immer im Urlaub, haben wir vergessen, zwischendurch essen zu gehen. Unsere letzte Mahlzeit war unser Frühstück.
Kurz nach Zehn erreichen wir unser Hotel und endlich kommen wir auch zu unserem Orange Chicken. Das schmeckt wie gewohnt lecker. Ein Foto gibt es nicht. Denn nicht einmal mein gelobtes iPhone lässt es nur annähernd so gut aussehen wie es schmeckt!
Gefahrene Strecke: 196 Meilen = 315 Kilometer