Platz 14. unter den 14-Tausendern
Den Jetlag verarbeiten wir wie immer ganz unterschiedlich.
Während ich standardmäßig gegen 3 Uhr ausgeschlafen und fit bin, schläft Rainer
bis kurz nach acht. Das hat die Natur eindeutig ungerecht verteilt!
Es folgt der normale Trott: Frühstück - fertig machen und ab gehts.
Dreiviertel Zehn starten wir zusammen mit Frank zum Mount Evans.
Einem 14-Tausender (in Fuß gemessen).
Das Wetter meint es mit 27°C gut mit uns.
# Auf zum Mount Evans
Colorado ist das amerikanische Mekka der 14ers - wir würden Viertausender sagen. Klingt nicht nach so viel - ist aber das Gleiche. Denn in den USA wird die Höhe der Berge in Fuß angegeben, nicht in Meilen - würde sich ja total mickrig anhören.
Nirgendwo in den USA gibt es eine größere Ballung der 14ers, wie sie auch genannt werden.
Dabei sehen die meisten nicht einmal so sensationell aus wie zum Beispiel das Matterhorn oder der
Mont-Blanc. Meist ist es eher abgerundete Hügel.
Zum Wandern sind wir eindeutig nicht fit genug. Wir waren noch nie die großen Wanderer.
Ganz klar, dass Ziele in Reichweite von Denver, die für einen Tagesausflug wie gemacht sind,
genau unser Ding sind.
2018 haben wir den Pikes Peak nahe
Colorado Springs besucht. Und schon dort waren wir beeindruckt, wie gut und schnell diese
Höhen für Flachlandtiroler erreichbar sind. Ganz anders als in Europa. Jedenfalls fällt
mir nichts Derartiges ein.
Heute nun soll es zum Mt. Evans gehen.
Der Weg zum Gipfel, der Mount Evans Byway, gilt als
höchste asphaltierte Straße Nordamerikas.
Der kürzeste Weg aus der Denver Area bis zum Echo Lake (dort beginnt der Mount Evans Byway)
führt über den I-70 bis Idaho Springs und der CO-103 S.
Das Kürzeste ist aber selten das Schönste. Und die Zeit ist heute eh nicht relevant.
Frank hat uns schon letztens schöne "Schleichwege" in seiner Umgebung gezeigt.
Und so wollen wir dieses Mal auch wieder etwas Neues vorgestellt bekommen.
Die landschaftlich schönere Strecke ist - wie soll es anders sein - länger und kurviger.
Es geht über Evergreen auf dem CO-74 N und den Squaw Pass bis zum Echo Lake.
Wir tangieren gefühlt unendliche Nadelbaumwälder. Das schöne Wetter unterstreicht das alles.
Unterwegs zeigt er uns dies und das. Und ich freue mich für ihn, dass er in so einer
traumhaften Gegend wohnt.
Eine Stunde später sind wir da.
Der Bau der Echo Lake Lodge, fertiggestellt 1926, wurde einst vom Denver Mountain Parks
finanziert, um Touristen in diese wunderbare Gegend zu locken. Zwischenzeitlich, während des Zweiten Weltkriegs, wurde
es aber auch als Höhentrainingslager für das Militär genutzt.
Seit 1965 wird es von dem Familienunternehmen H.W. Stewart Inc. gepachtet und betrieben.
Sie betrieben auch das Mount Evans Crest House, das 1979 abbrannte. So blieb für
Touristen nur noch die Echo Lodge. Seit Anfang der 1980er Jahre werden aber keine Zimmer mehr vermietet.
Eigentlich sehr Schade. Denn die Lage ist sensationell.
Die 5.Generation betreibt die Lodge nur noch als Restaurant und Souvenirladen.
Im Giftshop schauen wir uns nach einem Andenken um. Am liebsten hätte ich diese
Tonuntersetzer, die ich schon vom Pikes Peak habe. Leider gibt es nicht annähernd etwas Äquivalentes.
# Mount Evans Byway
Gleich neben der Echo Lake Lodge beginnt der 14 Meilen lange Mount Evans Scenic Byway bis zum Gipfel.
Der Kontrollkiosk ist nicht weit vom Beginn des Byways.
Wichtig ist zu wissen, dass Mount Evans Byway nur vom Memorial Day (letzter Montag im Mai)
bis zum Labor Day (1.Montag im September) geöffnet ist. Danach wird die Straße nur
noch bis zum Summit Lake abhängig vom Wetter offen gehalten.
Seit 2022 ist es notwendig im Voraus ein "Mount Evans Recreation Area Timed Ticket" zu erwerben.
Das kann auf dieser Website
online gekauft werden. 2022 zahlen wir 15USD.
Heute ist Montag und sicherlich weniger los als am Wochenende. Auch hat es sich wohl noch nicht rumgesprochen, dass ein Ticket im Voraus gekauft werden sollte. Wir stehen in einer nicht zu langen Schlange, kommen aber trotz schon gekauften Tickets nicht voran. Wenn ich das auf der Website richtig verstanden habe, ist die Anzahl der Besucher pro Tag begrenzt. Und so blockieren die vorderen Autos - ohne Ticket - den Weg. Außer das vor uns. Das drängelt etwas ungeduldig in die andere Spur. Vermutlich hat er auch ein Online-Ticket. Irgendwann registriert das auch der zweite Ranger. Versetzt die Absperrung und öffnet den zweiten Kiosk. Und auch für uns geht die Reise weiter.
# Mount Goliath Natural Area - Höhe: 3.517 Meter
Die 1.6 Quadratkilometer große Mount Goliath Natural Area liegt auf halben Weg zum Summit
und gehört zur Mount Evans Recreation Area. Zusammen mit dem Denver Botanical Garden ist das einzige Gebäude hier,
das "Dos Chappell Nature Center", entstanden. Es ist eine kleine Ausstellung
die veranschaulicht, wie sich verschiedene Lebewesen an die raue Umgebung der subalpinen und alpinen Tundra angepasst haben.
Die Hauptattraktion jedoch sind die Rocky Mountain Bristlecone Pine Trees. Es gibt einen kurzen Rundweg,
den Bristlecone Loop Trail im "Krummholz Garden" (was für ein passender Name 😉 ) auf dem man die Bäume besichtigen kann.
Nun.
Wir lassen diese Attraktion guten Gewissens aus. Richtig coole Exemplare haben wir schon
2013 im Ancient Bristlecone Pine Forest
besichtigt. Hier steht kein einziges Exemplar, das dem dort nur annähernd Konkurrenz machen könnte. Sorry.
Ein paar Impressionen vom weiteren Weg:
# Mt. Evans - The Summit - Höhe: 4.345 Meter
Oben angekommen heißt's erst einmal verschnaufen und tief Luft holen. Wir befinden uns hier auf 4.345 Metern Höhe. Das heißt: langsam bewegen. Zu ungern erinnere ich mich, als es Frank und mir auf dem Gipfel des Pikes Peaks ziemlich schummrig wurde. Aber heute? Heute geht es uns super. Wir holen unsere Windjacken raus und machen uns bereit zur Erkundung.
Natürlich gibt es das obligatorische Foto vom Auto am Abgrund und dann wir Drei vor dem Fakten-Schild.
Hier oben ist ziemlich viel los.
Auf der einen Seite stehen ein paar Ruinen. Mit denen kann ich erst so gar nichts anfangen.
Weder imponieren die mit einer außergewöhnlichen Aussicht noch ist sonst etwas erkennbar.
Dennoch laufen hier extrem viele Leute durch.
Als ich dann diese Info-Tafel gefunden habe, ist alles klar.
Auch schließt sich
nach dem Durchlesen gedanklich der Kreis.
Die Ruinen sind die Überreste des Mount Evans Crest House,
dessen Pächter auch die Echo Lake Lodge managen.
Das 1939 bis 1941 erbaute Mount Evans Crest House war einst das höchst gelegene Bauwerk der Welt. Leider ist es 1979 bei einer Propangas-Explosion vollkommen zerstört worden. Seit 1992 wird es als Aussichtsplattform genutzt.
Ja und sonst? Jetzt sind wir hier und was nun?
Die meisten gehen auf einen höhergelegenen Hügel.
Ist das nun der tatsächliche Summit? - Ja. Ist er.
Jedenfalls fühle ich mich nicht in der Lage dort hoch zu wandern. Ich rede mich
mal mit den Nachwirkungen meiner Covid-19 Erkrankung raus. Aber die Jungs lassen
sich nicht beirren und wollen unbedingt noch hoch. Doch vorher müssen sie erst auf
Toilette und die Schlange ist echt lang. Das kann also dauern...
Und was mach ich in der Zeit?
Ich versuche mich doch am Aufstieg.
Denn ich weiß schon jetzt, was dann kommen würde, wenn Rainer zurückkommt:
"Weißt Du, was Du da verpasst hast? Schade, dass Du nicht oben warst".
Also gehe ich ganz langsam. Und ganz in Ruhe.
Der schmale Weg ist etwa 30 bis 50 Zentimeter breit. Es läuft sich gut, weil der Anstieg sehr moderat ist.
Und schneller als erwartet, stehe ich vor dem steilen Stück, das sehr steinig ist. Läuft
sich mit meinen Schuhen aber auch sehr gut. Geschafft!
Kurzzeitig mache ich den Fotografen, denn jeder will natürlich ein Foto von sich und der Gegend.
Dann erst nehme ich mir Zeit für einen Rundumblick.
Das ist der Blick gen Westen und Südwesten.
Kaum zu glauben, dass der Berg vor mir ein weiterer Viertausender ist.
Es ist der Mt. Bierstadt mit 4.286 Metern Höhe.
Und das ist der Blick gen Norden mit der imposanten Senke, in der der Summit Lake eingebettet liegt.
Was nicht fehlen darf ist natürlich dieser berühmte "Knopf" mit der
amtlich gemessenen Höhe:
14.258ft - übersetzt: 4.345 Meter - gemessen 1955
Ich mache es mir auf einem Stein gemütlich und lass die Landschaft wirken. Es ist weder windig noch ausgesprochen kalt. So kann man es eine ganze Zeit aushalten.
Gefühlt eine Ewigkeit später kommen meine zwei Männer.
Tolle Aussicht - das finden auch die Zwei.
Ein paar gestellte Fotos zum Andenken an diesen Besuch und dann geht es wieder zum Auto.
Hier vor dem einstigen "Meyer-Womble Observatorium".
Der Bau (1995-1996) wurde durch eine großzügige
Spende in Höhe von 3.8 Millionen USD durch Herrn Womble und dem Ehepaar Meyer, das sich mit
einer Million beteiligt, ermöglicht. Es galt kurzzeitig als das höchste
Observatorium der Welt. Im Winter 2011/2012 wurde durch starke Winde und eine hohe Schneelast
die Kuppel teilweise zerstört. Nach dem Neuaufbau der Kuppel konnte der Betrieb durch die Denver University
wegen fehlender Mittel leider nur noch bis 2018 aufrechterhalten werden.
Nach insgesamt knapp zwei Stunden machen wir uns auf den Rückweg.
Nächster Stopp: Summit Lake.
# Summit Lake - Höhe: 3.913 Meter
Die Differenz zwischen dem absoluten Summit und der Area um den Summit Lake beträgt 435 Meter.
Der See liegt wie in einer Senke eingebettet. Was wir von oben sehr gut sehen konnten.
Die weiten Flächen wirken wie mit dickem, saftigem und grünem Golfrasen belegt. So stelle ich
mir Irland vor. Was für 'ne Schande - ich war immer noch nicht in Irland!
Am See ist nicht viel zu sehen. Schwimmen darf man hier auch nicht. Wäre sicherlich eine kalte Erfahrung.
Ich versuche ein paar Spiegelfotos zu machen. Leider mit mäßigem Erfolg.
Und weil es anfängt zu nieseln, beenden wir den Aufenthalt.
Impressionen vom Mount Evans Byway nach unten:
Lincoln Lake. Der liegt immerhin bei 3.543 Metern Höhe
Um die Reise komplett zu machen, nehmen wir uns etwas Zeit für den Echo Lake. Vorhin
sind war ja schnurstracks nach oben gefahren. Eine Umwanderung kommt allerdings wegen der
Wettersituation nicht in Frage. Der Nieselregen von oben hat uns eingeholt.
Wir parken am Westende des Sees und gehen zum Ufer.
Sicherlich eine fotogene Location bei gutem Wetter. Übrigens ist das Baden im See strengstens
verboten. Hier darf nur geangelt werden.
Ausblick vom Squaw's Pass:
Inzwischen ist es kurz nach Drei. Ein wenig hungrig sind wir schon.
Während Franki immer weiter fährt, suche ich auf die Schnelle ein geeignetes Restaurant.
Einige sind tatsächlich geschlossen. Und auf Thai- oder Indienessen haben wir alle keine
gesteigerte Lust. Da müsste schon jemand hungrig zusammenbrechen und der absolute Notfall eintreten.
Das "Murphy's Mountain Grill" in Evergreen scheint das zu sein, was wir suchen:
Ein Platz auf der Terrasse direkt am kleinem, rauschenden aber viel zu lautem Bear Creek.
Die Bedienung hat ein Kommunikationsproblem und so sitzen wir eine halbe Stunde später immer
noch ohne Speisekarte. Irgendwann ist glücklicherweise Schichtwechsel und so fällt die Schose auf. Denn
wir sind nicht die Einzigen, die auf den Service warten. Als es endlich losgeht, steht
der Murphys Burger mit Lichtgeschwindigkeit auf dem Tisch. Genauso schnell ist der vertilgt.
Hm. Wir haben nur den Burger liefern lassen. Ohne Pommes oder so.
"Ich könnte noch so einen essen"
"Ich auch"
"Ich auch"
"Ok."
Kurze Zeit später steht für jeden von uns noch so ein Burger 😎
Richtig gut gesättigt fahren wir Richtung Nachhause.
Unterwegs gehts noch zu einem Walmart. Morgen startet unsere Colorado-Rundreise.
Und als perfekte bundesdeutsche Hausfrau kaufe ich einige Dinge für die Fahrt und als Grundausstattung
für die kommenden Übernachtungen, in denen wir immer eine Küche haben werden.
Klar könnte man immer in ein Restaurant gehen.
Aber will man das? Schon zum frühen Morgen?
Und wird es auch solche Restaurants an den Orten, wo wir sein werden, geben?
Fragen über Fragen.
Lieber kaufe ich es hier ein.
Meine Liste ist schon komplett geschrieben. Denn seit Jahren gehen wir so auf Tour.
Toastbrot, Avocado, Pastrami, Gurkenscheiben, frische Gurken und Tomaten, Iceberg Salat, Ranch Dressing
und Mayo.
Fehlt noch etwas?
Na klar!
Das ganze Repertoire das wir fürs Frühstück brauchen:
Eier, Speck, Milch, Orangensaft, meine Lieblingsflakes und Müsli.
Etwas überrascht bin ich, dass unser Sohn ganz erstaunt ist über die doch
guten Preise im Walmart. Hier kauft er nie Lebensmittel ein. Hmmm... Von Touristen lernen, sag' ich nur 😎
Zu Hause packen wir erst einmal alles in den Kühlschrank. Ein Glück, dass die jungen Leute so ein riesiges Exemplar haben. So passen unsere sieben Sachen auch noch rein.
Der Rest des Abends ist unserer Enkelin gewidmet.
Gefahrene Strecke: Meilen = Kilometer