Auf der Plätzwiese
Durch die bedrohlich dunkle Wolkendecke lugen hin und wieder hellere Wolken.
Und ab und zu kann man den Baum vor dem Haus erahnen. Die Sichtweite mag unter 100
Metern liegen.
Im Hotelprospekt habe ich gesehen: Dies muss eine wunderschöne Umgebung sein.
Doch wir sehen nichts!
Es war ja zu erwarten, dass unser Wetterglück ein Ende nehmen wird. Alpen eben.
"Unpredictable" - so ist das Wetter hier.
Die ganze Nacht über hat es schon kräftig geregnet.
Reisende wie wir es sind, die es gewohnt sind im Netz die momentane Wetterlage nebst Regengebiet zu eruieren,
sind ohne Internetverbindung vollkommen aufgeschmissen. Denn auf dem Zimmer des Hotels gibt es keinen Empfang.
Lohnt eine Wanderung?
Oder wird es wieder regnen?
Plötzlich ist die Wiese zu sehen!
Ich springe auf und quetsche mich durch das Seitenfenster, um wenigstens eine Aufnahme zu machen.
Es muss das Seitenfenster sein. Denn die wunderbar großen Fenster, in der Mitte, kann man nur etwa 10 Zentimeter öffnen. Irgendein
"Keksperte" muss sich beim Bau vermessen haben. Ein herabhängender Balken verhindert um wirklich wenige Zentimeter,
dass die Fensterflügel breit zu öffnen sind.



Immerhin kann man aus dem Fenster den Ansatz zum Bergmassiv der Hohen Gaisl sehen.

Und zoome ich dann ganz stark an, ist eine Steinbrücke zu sehen!

Dann schiebt sich die Nebelwand wieder vor das Bergmassiv.
Ach nö. Ich will wieder nach Venedig!
Zum Frühstück schöpfen wir wieder Hoffnung auf besseres Wetter. Aber kurze Zeit später
schiebt sich endgültig alles zu. Es beginnt zu nieseln.
Im Zimmer ist es kalt und alles irgendwie klamm.
Ich beschließe hiermit auch vor dem Hintergrund, dass ich noch nicht ganz topfit
von meiner Erkrankung bin, bis zum frühen Nachmittag im Bett
zu bleiben und etwas am Reisebericht zu schreiben.
Rainer macht sich fertig zum Wandern und geht alleine los.
Kurze Zeit später bekomme ich eine E-Mail vom Tourismusbüro Südtirols. Es ist eine Absage für die heute geplante Nachtwanderung, die ich auf dieser Website gebucht habe.
# Plätzwiese: Wanderung zum Strudelkopf
Allgemeines:
Die Plätzwiese gehört zum Naturpark Fanes-Sennes-Prags und liegt bei 2.000 Höhenmetern.
Umgeben vom Dürrenstein, der Hohen Gaisl
und dem Dreigestirn der Tofane
ist das Hochplateau mit nur zwei Übernachtungshäusern eine Art Ruheoase
mit faszinierenden Ausblicken. Jedenfalls wenn die Wolken die Sicht nicht behindern.
Am südlichen Ende der Plätzwiese kann man sogar den Monte Cristallo sehen.
Die Plätzwiese ist Mitte Juli bis Mitte September nur von 10.00 Uhr morgens und ab 15.00 Uhr mit dem eigenen Auto
zu erreichen (gebührenpflichtig). Es sei denn die gebuchte Übernachtung befindet sich
auf der Plätzwiese. Dann erhält man zur Buchung ein Permit zur freien Durchfahrt.
Alle anderen sind auf den öffentlichen Bus angewiesen, deren letzte Station sich in Brückele (Ponticello)
befindet.
Wanderung zum Strudelkopf:
Der Wanderweg Richtung Strudelkopf führt an unserem Hotel vorbei.
Aufgrund des Wetters sind nur wenige Wanderer unterwegs.
Erst geht man den Weg Nr. 37 bis zur Dürrensteinhütte, um dort
auf den Weg Nr.34 zu wechseln, von dem man den Strudelkopf erreicht.
Bis zur Dürrensteinhütte verläuft der Weg weitestgehend eben.
Und immer wieder muss man stehen bleiben, um die faszinierende Landschaft zu betrachten und
das Einmalige zu erfassen!


Nun geht es auf dem Weg Nr.34 weiter.
Ungefähr auf halber Strecke nach oben tangiert man die Überreste einer
Festungsanlage aus dem Ersten Weltkrieg.



# Heimkehrerkreuz
Oben angekommen, befindet man sich bei 2.309 Höhenmetern.
Hier steht auch das im Volksmund sogenannte Heimkehrerkreuz,
das zum Gedenken an die gefallenen Soldaten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg errichtet wurde.

Hinter dem Kreuz ist der Dürrenstein zu sehen.

2015 errichtete die UNESCO diese Plattform, die hilft, die aufragenden Berge und Felsgiganten zu identifizieren.

Die unvorbereitete Wanderung hatte noch eine Überraschung
im Hemdsärmel.
Während also eine fantastische Rundumsicht durch tiefliegende Wolken eigentlich nicht
möglich ist, reißt für nur wenige Minuten die geschlossene Wolkendecke auf.
Und womit Rainer nicht rechnet: Es erscheinen die 3 Zinnen für nur kurze Zeit,
bevor sie sich wieder verhüllen!


Auf dem Rückweg über einen Alternativweg, geht es vorbei an dieser Holzbrücke.
Die Wanderung bedarf keiner besonderen körperlichen Voraussetzungen und ist für Jedermann
zu schaffen.


Nach knapp drei Stunden ist Rainer wieder zurück.
Durch den anhaltenden Nieselregen vollkommen durchgeweicht. Die wind- und wasserdichte Jacke
ist offensichtlich "drüber" 😉
Am frühen Nachmittag hört es endlich auf zu nieseln.
Für den heutigen Tag war eigentlich noch die Fahrt zum Pragser Wildsee geplant.
Also entschließen wir uns nach einer Aufwärm-Pause für Rainer, zum nah gelegenen
Wildsee zu fahren.
# Von der Plätzwiese nach Prags
Es geht zum Pragser Wildsee.
Die Plätzwiese ist nur über eine Straße mit dem Ort Brückele verbunden.
Eine serpetinenartige Straße, die durch teilweise bewaldete Abschnitte führt. Gestern haben wir ja absolut nichts sehen können.
Heute scheint zwar keine Sonne, aber auf dem Weg nach unten bleiben wir öfter
stehen. Denn der Ausblick ist sensationell.
Zuerst gibt der Wald den Blick auf die 3.234 Meter hohe Hohe Gaisl frei:


Am 19. und 20.August 2016 gab es Felsabgänge an der 2.860 Meter hohen Kleinen Gaisl (Piccola Croda Rossa). Dabei stürzten erst etwa 300 und am darauffolgenden Tag mehr als 700 Tausend Kubikmeter Gestein im Gipfelbereich unter lautem Donnern ins Tal. Dies waren nur die größeren Abgänge von mehreren in Folge. Laut Geologen sind insgesamt eine Million Kubikmeter abgerutscht.
Der nun offene Teil des Gesteins, in orange-rötlichem Ton, wirkt wie eine große Wunde. Deshalb wird es auch "Bleeding Heart of the Dolomites" genannt.




Gleich hinter Brückele (Ponticello) sehen wir den Dürrenstein.
Mit seinen 2.839 Metern Höhe ist es der zweithöchste Berg der Pragser Dolomiten.


Die Fahrt alleine ist es schon wert gemacht zu werden. Trotz des bescheidenen Wetters - oder nur deshalb - leuchten die Wiesen in einem saftigen Grün. Fast schon unnatürlich.



Kirche San Vito und die hübsche Kapelle ganz in der Nähe des berühmten Pragser Wildsees.

# Pragser Wildsee - Lago di Braies
Sucht man nach Highlights Südtirols findet man unter den ersten zehn Nennungen definitiv
auch den Pragser Wildsee.
So ging es auch mir bei der Vorbereitung. Die Bilder in Social Media sind umwerfend.
"Da muss ich definitiv hin". Und außerdem ist es nicht weit
von unserem Hotel!
Die Fahrt von der Plätzwiese bis hierher war landschaftlich schon sehr schön.
Nun bin ich gespannt auf den Pragser Wildsee.
Kurz bevor wir das Ziel erreichen, sind rechterhand Parkplätze. Bezahlte und "wilde". Wir fahren so weit wie
es nur geht. Entlang der Straße sind schon ganze Heerscharen von Menschen unterwegs.
Der letzte Parkplatz ist - so scheint es - am größten.
20 Minuten kann man hier kostenlos parken.
Bis zum See sind es nur wenige Meter.
Auf unserer gesamten Reise habe ich nicht so viele Menschen auf einmal gesehen.
Auf der kleinen, schmalen Brücke bevor man den Pragser Wildsee erreicht,
hat fast jeder eine Maske auf. Das ist auch angebracht. Denn hier kommt man sich
extrem nahe und kann keinen Corona gerechten Abstand halten.
Zugegeben. Ich wusste, dass dieser See ein touristischer Magnet ist, aber dass hier
so viele Menschenmassen unterwegs sein würden, damit habe ich nicht gerechnet.
Natürlich spiegelt sich auch der Seekofel nicht auf der Wasseroberfläche.
Geht ja nicht. Es ist leicht windig und weit hinten sind auch Boote unterwegs.
Dafür muss man wohl früher aufstehen. Aber wegen einem Foto solchen Aufwand zu treiben,
käme uns nicht in den Sinn!
Auch die Umrundung sparen wir uns. Lieber spazieren wir noch auf unserer einsamen
Plätzwiese als hier.
Ich mache genau drei Fotos so ganz nach dem Motto: "Wir waren hier" und dann kehren wir um.
Auf der Anhöhe hinter der Hütte sitzen mehr als zehn Fotografen teilweise mit Stativ.
Ok. Jedem das Seine.


Während Rainer das Auto holt - ja wir haben es geschafft, kostenlos zu parken -
schaue ich im Andenkenshop nach etwas, was mich ansprechen könnte. Tut es aber nicht!
Was für ein preiswerter Ausflug 👍🏻
# Abendlicher Spaziergang bis zur Dürrensteinhütte
Zurück auf der Plätzwiese, wo wir das Gefühl haben, alleine auf dieser Welt zu sein, entscheiden wir spontan noch etwas weiter als nur zum Hotel zu fahren, um noch etwas spazieren zu gehen. Die Wolkendecke reißt immer wieder etwas auf und so ist einem abendlichen Spaziergang nix entgegen zu setzen.
Es ist der gleiche Weg, den Rainer schon heute früh gelaufen ist. Ich bin ja echt neidisch, dass er die Drei Zinnen sehen konnte. Vor allem aus dieser Perspektive! Eigentlich ist ja der morgige Tag für den Besuch des Drei Zinnen Parks eingeplant. Aber die drei berühmtesten Erhebungen heute schon mal zu sehen, wäre auch nicht schlecht.
Die Plätzwiese in ihrer vollen Schönheit:


Ist dieser Anblick nicht grandios?
Die Dürrensteinhütte und das Sperrwerk vor dem Monte Cristallo Massiv :


# Sperrwerk Plätzwiese

Das Wort Sperrwerk wird hier für Festung oder auch Fort verwendet.
Zwischen 1885 und 1890 errichtet diente es während dem 1. Weltkrieg
zur Verteidigung der Plätzwiese und um den Zugang zum Höhlensteintal und
Altpragser Tal zu sichern.
Während dem Ersten Weltkrieg war das Sperrwerk mit Maschinengewehren,
Feldkanonen und Panzermörsern ausgerüstet, denn
die Plätzwiese war ein stark umkämpftes Gebiet.
Das Heimkehrerkreuz am Strudelkopf wurde von
Pustertaler Frontkämpfern zum Gedenken an die gefallen Kameraden beider Weltkriege errichtet.
Nach Kriegsende wurde das beschädigte Sperrwerk teilweise wieder restauriert.
# Dürrensteinhütte - 2.040m
"Die Dürrensteinhütte hat bis heute eine interessante und abwechslungsreiche Geschichte.
Sie wurde 1968 von Tristano Costantini gegenüber einer alten österreichischen Ruine,
die man noch heute bewundern kann, erbaut. Schon in der Bauphase gab es reichlich Aufregung,
als eine Bombe aus dem 1. Weltkrieg gefunden und entschärft wurde.
Im Sommer 1970 gab es dann die große, feierliche Eröffnung.
Die Hütte wurde dann 1972 von Ferdinand und Maria Mair gepachtet.
Ferdinand Mair war ein bekannter Skilehrer und Bergführer. Die beiden führten
das Haus lange Jahre, hatten viele zufriedene Kunden und schließlich kauften
sie die Schutzhütte im Jahre 1987.
Seit 1982 gibt es den wunderschönen, sehenswerten Naturpark Fanes-Sennes-Prags.
Viele Gäste erfreuen sich regelmäßig der schönen Natur, sowohl im Sommer als auch im Winter,
sogar der Papst hat die Dürrensteinhütte besucht und zwar im Jahre 1992.
Mit einer Vergrößerung der Hütte im Jahr 2002 gingen auch eine Renovierung und Modernisierung
einher, so dass den Gästen fortan noch mehr geboten werden konnte. Vom Sommer 2008 bis Ostern 2012
hießen die Pächter Margit und Philipp Schwarz. Ab 29.04.2012 wurde die Hütte
von Ferdick Elisabeth übernommen, 2020 Baur Evi."
Quelle: Website Dürrensteinhütte

Die Hütte ist ideal am Südrand der Plätzwiese gelegen. Von hier ist die Gruppe des Massivs um den Monte Cristallo - 3.221 Meter fast zum Greifen nahe. Ein Wahnsinnsausblick!


Wir gehen noch etwas höher aber weil die Wolkendecke wieder dichter wird, entscheiden wir uns, nicht zum Strudelkopf zu gehen und umzukehren.
Und hier meine Sammlung als Blümchenfotograf:





Impressionen vom Rückweg:


Hotel Hohe Gaisl
Unser Zimmer befindet sich ganz oben.

Auch heute ist das Abendbrot recht fotogen. Geschmacklich ist es gut aber
kein Reisser verglichen zur bisherigen Reise.

# Sunset Plätzwiese
Gerade als wir ins Zimmer kommen, kommt noch einmal die Sonne partiell raus.
Der Anblick auf die Wiese und die Cristallo Gruppe ist betörend schön.
Glühendes Rot trifft saftiges Grün.



Als die Nacht einbricht ist die geschlossene Wolkendecke endlich Geschichte.
So hätte es doch tagsüber sein können.
Für diesen Zustand haben wir unseren geflügelten Witz: "Nachts scheint die Sonne 😐 "

Na denn: Gute Nacht