Südlich von Denver

Als wenn jemand einen Hebel umgelegt hätte, bin ich von jetzt auf gleich munter.
Vermutlich ist es noch viel zu früh. Ein Blick auf die Uhr: Es ist um Acht.
Gut gemacht - denke ich.
Dann schiebe ich mich zwischen die langen, wollweißen Übergardinen, um aus dem Fenster zu sehen, wie das Wohngebiet, in dem unser Sohn wohnt, am Tage aussieht. Und tatsächlich. Es sieht genauso aus, wie man sich das aus den vielen amerikanischen Filmen, die man im Laufe seines Lebens schon gesehen hat, so vorstellt. Echt gemütlich. Die Grundstücke sind nicht eingezäunt. Vor jedem Haus stehen Autos in der Einfahrt zur Garage. Alles sieht sehr aufgeräumt und gepflegt aus. Nicht schlecht 😉
Doch das allerbeste was ich heute sehe, ist der Himmel! So Blau. Nicht einfach nur blau wie an einem schönen Sommertag. Der ist stahlblau und so klar, dass man vermutlich bis in den Kosmos gucken kann.
Wahnsinn! Und das Ende Dezember. Wieso bietet man bei uns in Berlin so ein Wetter um diese Zeit nicht an? Da kann ich nicht anders, als gleich beste Stimmung zu haben.
Ich checke die Wetter-App. In Berlin ist es stark bewölkt. Was sonst?
Rainer schläft noch. Aber ich weiß schon jetzt, was es zu meiner Begeisterung über das Wetter sagen wird: Kontinentalklima. So ist das eben.

Irgendwo in Morrison,Colorado,born4travel.de
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Irgendwann in der Nacht musste ich auf Toilette. Auf dem Rückweg in unser Zimmer stand Noah zähnefletschend am Treppen-Gitter, das Chessy vor dem runterfallen schützen soll. In dem Fall hat es mich geschützt. Vermutlich hätte Noah sonst mit mir die Blutpolka getanzt.

Nun. Frank ist schon wach und hat zur Sicherheit auch das Babygitter unten geschlossen. Als ich langsam nach unten gehe, bellt Noah sofort los und stellt sich in seiner ganzen Länge an das Gitter.
Oh Mann! Das tut mir so Leid für das Tier. Nun wird er rausgeschickt. Für die nächste Zeit vereinbaren wir deshalb, dass wir immer Bescheid sagen, wenn wir die Treppe runterkommen, damit Noah entweder angeleint oder rausgeschickt wird.
Ab sofort nennen wir diese Zone, an der Noah uns anspringen könnte "Todeszone".

Nach dem Frühstück starten wir mit Frank in den Tag.
Auf dem Tagesplan steht heute die nähere Umgebung, in der unser Sohn sich mit seiner Familie niedergelassen hat.

Als wir das Haus verlassen, sitzen die zwei Rabauken am Fenster und jaulen, dass das Herrchen ohne sie weggeht.

Irgendwo in Morrison,Colorado,born4travel.de

Morrison liegt südwestlich von Denver und gehört zum Jefferson County. Eigentlich wäre der Ort nicht erwähnenswert, wenn da nicht der Red Rock Park dazugehören würde. Dessen größte Attraktion ist das Red Rock Amphitheater. Und genau da fahren wir jetzt hin.

Die Zufahrt auf der Red Rock Parks Road ist schon vielversprechend. Wir schlängeln uns immer höher und höher. Sind wir in Morrison bei 1.757 Meter gestartet, liegt der Parkplatz ganze 200 Meter höher.
Frank erzählt uns, dass die Straße nach hier oben zu seinen Trainingsstrecken gehört. Nicht selten nutzt er so seine Mittagspause, um eine Abwechslung zum sitzenden Job zu haben. Mit seinem Rennrad fährt er dann hierher.
Cool - denke ich. Und bin froh, dass es meinem Kind doch so gut geht.

Red Rocks Amphitheater in Morrison,Colorado,born4travel.de
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# Red Rocks Amphitheater

Das Amphitheater ist eine Freilichtbühne, die über 9.000 Zuschauern Platz bietet.
Den Auftrag zum Bau gab es im Mai 1936. Das auf zwei Jahre geschätzte Projekt dauerte letztendlich fünf Jahre. Fertigstellung war 1941. Doch erst sechs Jahre später wurde die Bühne zum ersten Mal für ein Konzert genutzt. Die Baukosten beliefen sich auf eine halbe Million US Dollar.
Der südliche Monolith (oben stehend rechts), der einem Schiff ähnelt, heißt „Ship Rock“. Auf der gegenüberliegenden Seite steht der „Creation Rock“. Beide Monolithen sind höher als die Niagarafälle.

Red Rocks Amphitheater in Morrison,Colorado,born4travel.de

Zwischen den zwei "roten Steinen", deren wahre Größe auf dem Weg nach oben kaum wahrnehmbar ist, befindet sich das Amphitheater. Hier werden nicht nur Konzerte veranstaltet, sondern auch Filme ausgestrahlt. In den Sommermonaten Juni und Juli finden hier jeden Sonntag "Yoga on the Rocks" statt.

Erst als ich hier oben stehe und in Richtung Bühne schaue, kann ich die gigantische Größe erfassen. Wahnsinn! Und schon jetzt wünsche ich mir bald wieder kommen zu dürfen, um bei einem Konzert dabei zu sein. Auf dieses Akustik-Erlebnis bin ich gespannt.
Beim Stöbern über die Fakten des Amphitheaters lese ich, dass hier schon die absoluten Musiklegenden Konzerte gegeben haben. So zum Beispiel The Beatles (1964), Beach Boys, Jimi Hendrix (1968), Jethro Tull(1971) und Sting. Aber auch U2 (1983) sowie Opernsänger, klassische Instrumentalisten, einschließlich der Colorado Symphony. 2019 haben hier Stevie Wonder und Diana Ross ein Konzert gegeben.
Wow!

Red Rocks Amphitheater in Morrison,Colorado,born4travel.de
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Die Plätze der rechten Seite von oben gesehen, könne sogar Denvers Skyline im Hintergrund sehen. Das muss ich mir für einen eventuellen Ticketkauf merken!

Red Rocks Amphitheater in Morrison,Colorado,born4travel.de
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Heute Vormittag findet hier natürlich kein Konzert statt. Die Bühne ist für jedermann offen und betretbar. Der Blick von hier aus ist schon monumental. So fühlt es sich also an, wenn einen als Künstler 18 Tausend Augen anschauen?

Es sind nicht wirklich viele Besucher hier. Aber auffallend viele Freizeitsportler, die die Reihen als sportliche Herausforderung nutzen. Und erwartungsgemäß dauert es nicht lange bis sich auch Vater und Sohn zu dieser kleinen Challenge herausfordern.
Boa! Von mir aus. Wenn ich nicht mitmachen muss...

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Ich schaue mir währenddessen schon mal einen Teil der Bühnenrückwand an:

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Hier hinten beginnt auch ein kleiner Rundweg zwischen den roten Steinen. Und manchmal gibt er den Blick ins Tal nach Denver frei.

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Durch dieses Steintor geht es wieder raus.

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Nächster Tagesordnungspunkt ist der Mount Falcon Park.

# Mount Falcon Park

Der Weg zum Mount Falcon Park West Trailhead führt entlang einer netten bewaldeten Landschaft. Hier und da sind ein paar vereinzelte Häuser zu sehen.
Das Indian Hills Community Center ist schon bekannt für allerlei markante Sprüche auf seinem Eingangsschild. Heute steht da dies:

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Der Mount Falcon Park ist ein beliebtes Ziel für Anwohner, Wanderer und Mountainbiker.

Der Parkplatz ist recht klein. Aber vermutlich ist hier eh nie viel los. Ist halt kein Hotspot, den die Insta-Gemeinde entdeckt hat. Und das ist auch gut so.

Der Spaziergang auf dem recht dürr bewaldeten Trail ist eine kleine Herausforderung. Nicht weil uns vielleicht ein extremer Anstieg quält, nein es ist der kalte und furchtbar schneidende Wind. Das sieht man natürlich auf den Fotos nicht. Aber wenn ich schon mit meinem dichten und sonst wärmenden Haarschopf eine Mütze aufsetze, dann ist es wirklich kalt!

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Am Ende, oder fast am Ende des Weges erreichen wir das "Eagle's Eye Shelter".

Diese Picknickhütte war von 1933 bis 1972 eine Sommerhütte, die der Familie Kirchhof gehörte. Stutzig macht uns das Schild am Eingang. Da sind ein paar Noten und eine wenig Text vom Lied "Am Brunnen vor dem Tore". Ein QR Code ist da auch. Der soll vermutlich zum vollständigen Text verlinken.
Irgendein Kirchhof war also Deutscher.
Das interessiert mich.
Frank Kirchhof war also ein in Hildesheim geborener deutscher Zimmermanns-Geselle, der als 22 Jähriger nach Denver kam, hier eine steile Karriere machte und sehr schnell zum größten Bauunternehmer Colorados wurde. Er baute viele bedeutende Gebäude, die es heute in die Liste historischer Bauwerke geschafft haben.

Mount Falcon,Colorado,born4travel.de
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Die Kirchhofs hatten doch echt ein schönes Fleckchen Erde für sich gefunden. Die Sicht erstreckt sich von Mount Lindo und Turkey Creek im Süden bis zum Gebiet Mount Evans im Norden und Westen.
Einfach ein wunderbarer Aussichtsturm. Doch leider hat sich ausgerechnet auf dieser Seite eine Wolkendecke breit gemacht. Die Sicht ist nicht mehr so gut. Ich habe ja gehofft von hier ein paar Viertausender zu sehen. Aber das kann mir abschminken. Das wird auch nicht mehr.

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Wir gehen etwas zurück. Auf der anderen Seite gibt es zwischen den Bäumen den Blick auf Denver. Leider habe ich keinen Fotoapparat mit. Mit Handy geht's natürlich auch. Aber eben nur in dieses Qualität 😐

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Der Wind hat hier oben seinen Job gemacht.
Wolkenfrei knallt die Sonne auf unsere zarte Winterhaut. Und die zeckt schon.
Sonnenbrand auf der Nase ist schon vorprogrammiert!

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Nun wird's Zeit etwas zu essen. Wir fahren nach Golden.
Franki's Lieblingsort im Western Stil.

# Golden (City)

Golden City ist eine der ersten Gemeinden in Colorado.
Eine kleine Menge Gold, die am Clear Creek entdeckt wurde, zog Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Siedler in diese Gegend. Wie schon an anderen Orten hier in Colorado boomte Golden City und wurde schnell zu einer wichtigen Versorgungsstation für Goldminenarbeiter, die ihr Glück in den angrenzenden Bergen suchten.
Golden wurde übrigens nach Thomas L.Golden benannt, einem Goldsucher, der 1858 in Jefferson County ankam.

1861 wurde mit der Gründung des Colorado Territory das Jefferson County mit Golden City als Sitz der territorialen Legislative gegründet. Benannt nach Jefferson, dem US-Präsidenten.
Irgendwie war die Bildung der Namen früher recht pragmatisch und nicht wirklich einfallsreich.
Heute wird es übrigens allgemein als „Jeffco“ bezeichnet.

Von 1862 bis 1867 war deren Sitz in dem Gebäude, das heute das Restaurant "Old Capitol Grill" beherbergt.
Golden City entwickelte sich zum Lieferanten von Nahrungsmitteln und Bergressourcen für die größere Metropole Denver. Als eine der beiden größten Städte Colorados zu dieser Zeit kämpfte Golden City mit Denver, um die Hauptstadt des neuen Territoriums zu werden. Golden City beanspruchte größere Bedeutung, weil es die Interessen der Bergbaugemeinden des Territoriums vertrat, während Denver sich als Makler und politisches Hauptquartier für das gesamte Territorium verstand. Denver siegte.

1872 strich man das Wort "City" aus dem Namen.
Das zur Historie.

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Gleich auf der Hauptstraße finden wir einen Parkplatz.
Das Wetter ist ein Träumchen. Nur der Wind ist brutal.

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In Colorado waren wir schon unzählige Male. Aber Golden ist mir bisher kein Begriff gewesen. Doch unser Sohn ist ganz stolz auf diesen Ort, als wenn es sein Wohnort wäre.
Nun gut. Wir lassen uns treiben und spazieren bis zur Brücke über den Clear Creek. Einfach "niedlich" hier.

Durch Zufall entdeckt Franki eine Aufschrift auf einem der Gebäude weiter hinten: "Coors". "Coors die Brauerei?" "Ja. Coors genau die Brauerei. Ich wusste gar nicht, dass die hier sitzen."
Und es geht den Menschen wie den Leuten. Immer wieder passiert uns das Gleiche. Da bekommen wir Besuch von irgendwo aus der Welt und die haben Infos über Berlin und Umgebung, da schlackern uns die Ohren. So vermutlich auch hier.

Beim Schreiben des Berichtes interessiert mich auch immer etwas die Historie. Meist verbergen sich interessante Tatsachen und Lebensläufe dahinter. So auch hier.
Denn wer weiß schon, dass der Werdegang der "Coors Brewing Company" im Jahr 1873 begann, als der deutsche Einwanderer Adolph Hermann Joseph Kuhrs als blinder Passagier in die USA gelangte, nach einem sehr steinigen Weg in Golden City landete, die Brauerei, am Fuß der Rocky Mountains gründete und hier sein Erzeugnis weltberühmt machte?
Aus Kuhrs wurde natürlich auf dem Weg gen Westen irgendwann Coors.

1873 brachten der deutsche Einwanderer Adolph Coors und sein Partner Jacob Scheuler eine wichtige Industrie nach Golden.
Zusammen gründeten sie die Brauerei, dessen alleiniges Eigentum Coors 1880 erlangte. Heute ist die Brauerei einer der wichtigsten Arbeitgeber und Touristenattraktionen der Stadt.

Somit kreuzt uns am heutigen Tage schon zum zweiten Mal ein Lebenslauf eines deutschen Einwanderers der hier um Denver eine Dynastie erschaffen hat.

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Wir kehren in die "Buffalo Rose Bar" ein.
Von außen eher ein einfaches, gut restauriertes Haus - von innen einfach nur wow!
Sehr gemütlich und sehr einladend. Und vor allem riesig!

Das Schild am Eingang macht mich neugierig: "Iller Block"
Da steckt doch bestimmt viel Historie dahinter.
Und das tut es tatsächlich:
Das Haus hier steht so seit den Gründerzeiten der Stadt. Im "Lot 6" (Grundstücksbezeichnung) an der Ecke Washington Ave. und 12th St. befanden sich schon immer verschiedene Geschäfte. Die Stadt Golden achtete bei Umbauten und Erneuerungen des Inneren stets darauf, die Gebäudehüllen so zu restaurieren, dass sie die ursprüngliche Architektur so genau wie möglich widerspiegeln, um den Charakter der Stadt nicht zu zerstören. Die Innenräume der Gebäude wurden jedoch komplett überarbeitet, um sie auf zeitgemäße Sicherheits-, Umwelt- und Komfortstandards zu bringen.

"Als Ergebnis dieser Bemühungen ist "The Buffalo Rose" nun bereit, für weitere 150 Jahre der Puls von Golden zu sein!"
Zitat aus Website

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Wir werden am Fenster platziert.
Was mir sofort auffällt, ist: die Angestellten hier haben alle eine Maske auf. Fest und ordentlich sitzend. Sehr vorbildlich.
Auch die Tische haben einen recht komfortablen Abstand.
Das fällt mir deshalb auf, weil in den entsprechenden deutschen Medien sehr oft von Missachtung der Hygieneregeln in den USA berichtet wird.

Die Speisekarte ist eine Mischung aus Zeitung mit vielen Infos über die Geschehnisse im Ort als auch die Auflistung des Menüs und der geführten Getränke. Nicht sehr umfangreich - jedoch gut genug, dass jeder für sich etwas Leckeres findet.
Auch finden wir die Auswahl an Craft Bieren sehr ordentlich!

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Wir sind mit unseren Speisen super zufrieden. Mein Burger schmeckt "umami" (5.Geschmacksrichtung) - anders kann ich das nicht bezeichnen.
Und wenn ich jetzt schreibe, dass es vielleicht auch damit zusammenhängen könnte, dass ich schon lange Zeit keinen Burger in den USA essen konnte, dann soll das in keinster Weise eine Degradierung sein. Am liebsten würde ich noch so ein Ding verschlingen!

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Nach so viel neuem Input geht's nun nach Hause.
Ein wenig mit Chessy spielen und der sonnengeschockten Haut entsprechende Pflege gönnen 😎