Es geht zurück nach Denver
Es musste ja so kommen. Die Zeit in unserem Lieblingsdomizil ist vorbei.
Und wo bitte ist die Tasche, wo ich all das hier einpacken kann?
Alles von hier. Das Klima, die Aussicht und die Gelassenheit. Alles würde ich mitnehmen.
Oder noch besser. Ich ziehe hierher!
Da könnte ich sogar auf die vielen Quadratmeter zu Hause verzichten, wenn dieser Balkon auch
mein Wohnzimmer wäre.
Nun ja. Schöner Traum. Wunschdenken eben.
Es ist 8 Uhr als ich diese Aufnahme mache.
Heute ist frühes Aufstehen angesagt.
Die Luft fühlt sich sehr, sehr frisch an.
15°C sollen das sein. Das kann ich gar nicht glauben. Die Kälte zeckt auf der Haut!
Das Ritual, auf dem Balkon zu essen, lassen wir uns dennoch nicht nehmen. Schließlich gibt ja auch Pullover. Den Tisch rücken wir ganz nahe an die Brüstung des Balkons. So kann man es aushalten. Und während dessen schiebt sich ganz langsam die Sonne rüber.
Dreiviertel Neun verlassen wir das Apartment. Während Rainer mit dem
Auto zur Rezi fährt - einer muss sich ja um das Gepäck kümmern - gehe ich
zu Fuß nach vorn. Noch einmal sauge ich das Flair auf. Am liebsten würde ich den
Aufenthalt verlängern. Leichter gesagt als getan. Den Flug zu verschieben
wäre wohl der kleine Akt. Aber da ist noch die Autobuchung. Und die hätten wir schon
vorgestern ändern müssen.
Es bleibt alles wie es ist. Wir kommen ja wieder. Und ich hoffe so bald wie möglich.
Unser Flieger geht kurz nach Zwei. Und zwar ab Los Angeles.
Bis dahin sind es etwa 130 Meilen. Also etwa 200 Kilometer. Normalerweise schaffen wir das
auf dem schnellsten Weg in zwei Stunden. Doch schon auf dem Hinweg haben wir auf
der Fahrtrichtung gen Westen elend lange Staus gesehen. Die könnten uns
durchaus ein bis zwei Stunden Verzögerung bringen.
Aber wir hoffen das Beste🤞🏼
Der Stau entpuppt sich als zäh fließender Verkehr. Glück gehabt.
Auf den letzten Meilen des Highways kurz vor dem Ziel, ist uns das Riesenglück bewusst,
das wir vor vier Tagen hatten. Als die Luft über LA so klar war, dass wir
von den höchsten Viewpoints im
Kenneth Hahn so fantastisch
die Skyline von Downtown vor dem verschneiten Bergmassiv sehen konnten.
Heute hängt ein braunroter Teppich in Höhe der Wolkenkratzer. Nix mit Fernsicht!
Punkt Elf Uhr stehen wir an der Tanke 76, an der Kreuzung Aviation und Century Boulevard. Hier tanken wir fast jedes Mal, bevor es zum Car Return geht. Sicherlich gibt es noch preiswertere Tankstellen. Das ist heute aber zweitrangig. Denn uns war eine relativ saubere Toilette wichtiger 🤓
Der weitere Ablauf ist ein Akt, der immer in gleicher Folge abläuft: Auto abgeben und mit Shuttle
zum Airport gebracht werden.
Fünf vor Zwölf mache ich dieses Foto:
Koffer abgeben und Sicherheitskontrolle erfolgt vollkommen unaufgeregt.
Ganz vorbildlich sitzen wir zwei Stunden vor Abflug am Gate und warten auf unseren Flieger.
Kurz vor Zwei:
Ein Flieger ist an unserem Schnorchel nicht zu sehen.
Hm.
Das bekannte Surren am Handy informiert über eine Mitteilung: UA teilt mir mit, dass der Flug
sich um eine halbe Stunde verspätet.
Nicht zu ändern. Wir sind entspannt. Ärgerlich nur, dass wir bei diesem schönen Wetter
hier auf diesen harten Kunststoffschalen sitzen müssen. Sonnig bei 21°C ist es dagegen draußen.
Endlich dockt ein Flugzeug an. Hoffentlich ist das unser.
Und tatsächlich. Es ist
unsere Maschine. Eine B737.
Jetzt geht's los, denken wir. Auch die anderen. Es gibt eine gewisse Unruhe.
Eine Mitarbeiterin positioniert sich am Counter. Der letzten Kontrolle bevor man
ins Flugzeug steigt. Nun. Sie kann nichts Gutes verkünden. Das Flugzeug ist
zwar da. Aber es fehlt ein Flugbegleiter. Der Vierte wird noch erwartet. Bald.
Wann genau weiß man nicht.
Er ist noch nicht einmal gelandet, denn auch sein Flieger ist verspätet.
Fast zeitgleich erhalte ich wieder eine Notiz von United:
"Winterstürme im Raum Denver können zu Unterbrechungen Ihres bevorstehenden United-Fluges führen,
einschließlich möglicher Verspätungen oder Annullierungen. Möglicherweise sind Sie berechtigt,
Ihren Flug ohne zusätzliche Kosten zu ändern. Wenn Ihre Reisepläne flexibel sind, sollten
Sie vielleicht an einem anderen Tag fliegen oder in einer anderen Stadt umsteigen.
Um nach Umbuchungsoptionen zu suchen, besuchen Sie bitte den Abschnitt „Meine Reisen“ in der United-App".
Langsam werde ich nervös. Nicht weil wir womöglich einen Anschlussflieger verpassen würden,
sondern weil ich die WetterApp gecheckt habe: Ab 6pm sind Schneestürme in Denver
angesagt. Und wenn wir dann nicht fliegen könnten, womöglich eine Nacht in einem Airport-Hotel
übernachten müssten... Dann wäre ich echt sauer!
Halb Vier steigen wir in den Flieger. Also anderthalb Stunden später.
Das Boarding erfolgt auffallend flott. Alle sind bemüht schnell wegzukommen.
Wir sitzen in Reihe 2. Auf der linken Seite.
Über den Ausblick kann man nicht meckern. Wie so oft geht es über eine ausgedehnte Linkskurve
nach oben. Etwas verschwommen ist die Küste einer Insel der Channel Island Gruppe zu sehen.
Schön war's. Denke ich. So wenige Schnuppertage in SoCal. Und doch so erholsam!
Es geht auch über LA. Direkt über Downtown.
Wir sind schon ziemlich hoch. Landungen sind besser für den Blick auf eine Stadt.
Im Weiteren überfliegen wir den Griffith Park. Das muss er sein.
Denn das Observatorium ist gut zu erkennen.
Und dann verlassen wir das Areal, das ich noch einigermaßen eruieren kann.
Die kleinen verstreuten Bupsel... Wo befinden die sich?
Irgendwo auf dem Weg nach Nevada.
Nun haben wir schon Nevada erreicht. Verzuckert zeigen sich der 3.632 Meter hohe Charleston Peak und die umliegende Bergkette der Spring Mountains. Diese isolierte Bergkette, nennt man so, wenn praktisch ein Massiv aus dem Nichts, also aus dem platten Land (hier Mojave Wüste) nach oben schießt, befindet sich nordwestlich von Las Vegas. Sie ist etwa 110 Kilometer lang und etwa 45 Kilometer breit. Sie ist vollständig von der Wüste umgeben.
Die Sonne verabschiedet sich Richtung Westen. Dabei verfärbt sich die
dünne Wolkenschicht, zwischen uns und der Erde, gigantisch rot-orange.
Fast unnatürlich. Und doch so schön.
Es sind die letzten Aufnahmen. Dann schließt sie die Wolkendecke.
Davon abgesehen wird es immer dunkler.
Jetzt kommt das Essen. Es ist das gleiche wie schon auf dem Hinflug.
Eine gut gewürzte Speise die einen indischen Touch hat. Ein Foto bekommt
es nicht. Denn es sieht nicht dolle aus. Schmeckt aber lecker.
Ganz gespannt schaue ich immer wieder raus und hoffe auf ein Wunder: Nämlich, dass über den Rockies
die Wolkendecke löchrig wird. Den Gefallen tut sie mir aber nicht. Im Gegenteil.
Der Kapitän bittet nochmals die Anschnallzeichen zu beachten. Es wird rumplig.
Wir fliegen in den Schneesturm rein.
Kurze Zeit später meldet sich die Purserin. Sie sagt für die Passagiere im Flieger alle relevanten
Anschlussflüge nebst Nummer an, die entweder auch verspätet ankommen werden, beziehungsweise schon verpasst wurden.
Außerdem bittet sie alle Passagiere, die keinen Anschlussflug haben, aus Rücksicht
zu denjenigen die schnell das Flugzeug verlassen müssen, sitzen zu bleiben und den Weg frei zu halten.
Als wir den Boden erreichen, sieht man nur horizontale, weiße Linien.
Es sind Schneeflocken. Die gesamte Fläche ist weiß.
Das ist doch mal ein Erlebnis: Heute Vormittag noch über 20°C plus und hier sind es gerade 13°C Minus!
Und dann dauert es noch eine gefühlte Ewigkeit, bis wir anlegen können.
Denn das Gate ist besetzt. Schließlich gibt es durch den Schneesturm auch Liegenbleiber, die gar nicht erst starten können.
Also warten wir im gebührenden Abstand auf ein Gate, das uns zugewiesen wird.
Aber die Spannung für die Weiterfliegenden bleibt. Denn nun dauert es auch eine Weile, bis uns jemand
am Schnorchel den Ausgang bereit macht. Inzwischen ist der Gang voll mit denen, die weiter wollen.
Viele bedanken sich bei uns, die sitzen geblieben sind und den Weg frei machen.
Die Koffer lassen ziemlich lange auf sich warten.
Just in dem Moment, als die Schiebetür zur Straße aufgeht, ist die Kälte fühlbar.
Glücklicherweise müssen wir auf den Shuttlebus von National/Alamo nicht warten. Der fährt auch los,
obwohl nur zwei Paare im Bus sitzen.
Die Prozedur des Ausleihens ist so schnell wie noch nie. Und wir dürfen uns ein Auto aussuchen.
Das ist neu. In Denver haben wir die Erfahrung gemacht, dass hier für den Kunden ausgesucht wird!
Draußen pfeift uns der eisige Wind um die Ohren. Schnell ab zum Auto.
Es stehen genau drei FFAR's da. Wir nehmen einen von zwei Nissan Armada. Alle Autos sind
von der Windseite verschneit. Es dauert keine Minute, da sind die Finger steif.
Es tut furchtbar weh. Unsere Handschuhe liegen eh bei unserem Sohn im Haus.
Mund und Gesicht frieren fast zu.
In Eile hieven wir das Gepäck in das Auto und ab geht's.
Für die Fahrt bis Morrison benötigen wir definitiv ein Navi. Nur will dieses Navi im feinsten Spanisch mit uns kommunizieren.
Egal was wir machen, wir können es nicht umstellen. Bis zur Ausfahrt drehen wir noch ein
paar Pirouetten auf dem vereisten und verschneiten Boden.
An der Ausfahrt stehen drei oder vier Autos vor uns. Es dauert ewig, bis wir endlich dran sind.
Auch der Mitarbeiter macht einen unbeholfenen Eindruck, was unser Navi anbetrifft. Er tippt hier und da. Ganz ohne Erfolg.
Wir sollen noch einmal zum Eingang fahren und dort jemand um Hilfe bitten.
Das haben wir schon befürchtet. Hilfe kommt und wie es aussieht,
sind spanisch Kenner klar im Vorteil.
Nun also nochmals anstellen und dann geht es endlich Richtung Wärme!
Die Highways sind noch nicht geräumt. Und teilweise so eisig, dass wir nur schleichend vorankommen.
Kurz nach halb Neun erreichen wir Morrison und sind happy, wohlbehalten angekommen zu sein.
Was für ein Tag.
Gefahrene Strecke: 131 Meilen = 210 Kilometer