Wieder ist es ein wunderbarer, sonniger Tag.
Nach dem Frühstück auf dem Balkon starten wir gen Westen.
Das Ziel befindet sich am Ende dieser Straße:

Fast alle Ziele, die ich in mühevoller Recherchearbeit als "da-müssen-wir-unbedingt-hin" eruiere, werden während der Reise angefahren, besucht/besichtigt und bei besonderem Gefallen auch nochmals in einer folgenden Reise eingeplant. Ganz anders ist das mit dem Besuch des Tahquitz Canyons.
Ich frage mich: Sind es eigentlich schon drei, vier oder vielleicht doch fünf Versuche gewesen, diesen Trail laufen zu dürfen? Immer wieder standen wir vor dem verschlossenen Tor.
Das große Hindernis waren immer die Öffnungszeiten.
Bis 2018 waren wir ausschließlich in den Sommermonaten für ein paar Tage in dieser Gegend. Doch in den Sommermonaten ist dieses Areal nur freitags und samstags geöffnet. Wahrscheinlich standen wir deshalb immer vor verschlossenen Toren. 2019 hat es uns im April und im September nach Rancho Mirage verschlagen. In diesen Monaten ist täglich geöffnet. Doch da kamen wir zu spät. Denn der Einlass endet halb Vier.

Aber wir lassen uns nicht beirren und lassen nicht locker. Und wer hätte es geahnt? Im Januar 2022 haben wir es geschafft. Das Tor ist offen, wir zahlen brav die Eintrittsgebühr von 15 USD pro Person (Stand: 4.1.2022) im recht futuristisch aussehenden Eingangsgebäude, das auch ein Museum ist, zur Schlucht. Hier erfragen wir auch gleich mal, wie man dieses Tahquitz ausspricht. Ganz einfach: [Tah:kwish].
Wir sind nicht allein hier. Als "gut besucht" würde ich es bezeichnen. Dennoch nicht übermäßig voll.

Der Weg ist recht einfach zu laufen. Ein ausgetretener Pfad führt entlang des gleichnamigen Weges. Bis zum Wasserfall gibt es zwei Mal die Möglichkeit die Seite zu wechseln. Wir bleiben allerdings auf dem Nordpfad. Denn der andere Pfad befindet sich im Schatten. Und da ist es unangenehm kalt. Während es hier auf der Sonnenseite, wo wir laufen, angenehme Temperaturen gibt.
Link zur Route

Bis Zum Wasserfall überwindet man eine Höhendifferenz von etwa 106 Metern.
Der Weg wird auf der entsprechenden Website als "strenuous", also "anstrengend" klassifiziert. Was immer sich jeder darunter vorstellen mag.
"Anstrengend" ist für mich, als Flachlandtiroler der The Echo Canyon Trail auf den Camelback Mountain in Phoenix. Den musste ich nicht nur wegen Kondition vor allem aber wegen fehlenden Schattens und der extrem hohen Temperaturen abbrechen. Nur Rainer hat es geschafft.
Doch dieser Wanderweg ist nur stellenweise etwas anspruchsvoll. Mit festem Schuhwerk, es müssen keine Wanderschuhe sein, und vielleicht der einen und anderen Pause gut machbar. Im Sommer würde ich diesen Hike allerdings - aus reiner Vernunft - nur am frühen Morgen machen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in der sommerlichen Mittagshitze wirklich "strenuous" ist. Deshalb haben die Öffnungszeiten ihre Berechtigung!

Beim Berichte schreiben liebe ich es, mehr über das Gesehene zu erfahren.
Dabei geht es mir meist um Fakten. Die sind ja beim Tahquitz Canyon recht übersichtlich.
Dafür gibt es eine nette Legende:

Die Schlucht befindet sich im Reservat Agua Caliente und ist eine wichtige kulturelle Stätte.
Tahquitz war der erste Schamane.
Anfangs war er Schutzgeist aller Schamanen und gab ihnen Kraft, Gutes zu tun. Aber im Laufe der Zeit begann er, seine Macht aus egoistischen Gründen einzusetzen. Er fügte den Cahuilla-Indianern Schaden zu. Daraufhin verbannten sie Tahquitz in dieser Schlucht, die jetzt seinen Namen trägt. Er ließ sich oben in den San Jacinto Mountains in einer geheimen Höhle unter dem hoch aufragenden Felsen nieder, der heute als Tahquitz Peak bekannt ist.
Seit dem ist Tahquitz das Synonym für Böses oder gar den Tod.
Es wird gesagt, dass sein Geist immer noch in dieser Schlucht lebt.

Das sind Überreste eines Lebacho-Tahquitz Creek Bewässerungssystems.
Ursprünglich 1830 von den Cahuilla erbaut, um Wasser aus den Schluchten zum Trinken und zur Bewässerung ins Dorf zu bringen.

Ein kleiner Mensch-Stein-Vergleich:

Das ist eine vom U.S. Geological Survey im Jahr 1947 gebaute Wassermessstation, die heute noch in Betrieb ist.

Knapp 40 Minuten später kommen wir nach vielen Stopps am Wasserfall an. Kriegt man auch schneller hin. Aber wir haben nicht nur Fotopausen gemacht, sondern auch einfach nur die Natur auf uns wirken lassen.

Aus 16 Metern klatscht der Wasserfall in das Becken. Schön auch, dass wir es auch als Wasserfall sehen können. Es kommt eben genug Wasser runter. Vermutlich ist dieser im Hochsommer ausgetrocknet.

Wir bleiben nicht lange. Obwohl das Wasser hier verjüngend und heilend sein soll, gehen wir nicht baden. Es ist weder warm genug zum Baden, noch scheint hier die Sonne. Und immer noch ist es saukalt im Schatten. Genau das ist auch der Grund, warum wir den gleichen Weg zurückgehen und nicht wie geplant, den Loop. Denn nach wie vor ist dieser Weg im Schatten. Viel lieber genießen wir die wärmende Sonne auf der Haut und entdecken hier und da durch die andere Blickrichtung wieder ganz neue Ansichten des Canyons und ab und zu auch den Blick ins Valley.

Unterwegs kommen uns auch Paare entgegen, eines älteren Semesters. Geht also, denke ich. Auch die schaffen den Weg. Sogar mit aufgesetzter Maske.

Übrigens:
In den frühen 1950er Jahren verbrannten die Ältesten des Stammes ihr zeremonielles Haus und alle religiösen Artefakte ihres Stammes, weil sie glaubten, dass der Stamm sich bis zu dem Punkt vermischt hatte, an dem ihre Kultur entweiht wurde und es niemanden mehr gab, der seine Traditionen fortsetzen würde.

Die Schlucht des Indianerreservats Agua Caliente war nicht immer so schön.
Die Schließung des Canyons im Jahr 1969 durch den Stammesführer war mehr als begründet. Denn im Laufe der Jahre wurde es zum Anziehungspunkt für jährliche Spring Break Feiern, die Waffen und Drogen brachten.
Andere schleppten Zement in den Canyon, um sich eine Behausung zu bauen. Wilde Weinreben wurden zertrampelt. Süßwasserbecken verschmutzt. Nachdem dann aber ein Rockkonzert von Canned Heat mehr als tausend Menschen angezogen hatte, blieben die mehr als tausend jungen Leute im Canyon, um tagelang zu feiern und Berge von Müll zurückzulassen.
Anfangs wurden Schilder aufgestellt, die das Betreten verboten haben. Doch das wurde von der Polizei nur sehr lasch kontrolliert. Der Canyon wurde als Müllhalde benutzt. Und immer wieder lösten Lagerfeuer große Brände aus und gefährdeten die nah gelegenen Wohngebiete.
Es gab Übergriffe. 1994 wurde ein Mann erstochen. Jahr für Jahr mussten Rettungsteams Wanderer, die von den Klippen gestürzt sind, schwer verletzt oder auch als Leichen, bergen.
Der Stamm als Eigentümer sah sich genötigt, die Reißleine zu ziehen.
Um den Canyon zu retten und trotzdem die Kultur zu respektieren, begann man im Januar 1998 mit Aufräumungsarbeiten, die mehr als 100.000 Dollar kosteten. Sie entfernten Müll und Graffiti und vertrieben Obdachlose, die hier ihr Lager aufgeschlagen hatten.
Der 340-köpfige Stamm, der über riesige Immobilienbestände in Palm Springs verfügt und ein örtliches Casino betreibt, stand vor heiklen Entscheidungen, da die Mitglieder nicht nur mit finanziellen Streitigkeiten beschäftigt waren, sondern auch um unterschiedliche Visionen über die Richtung des Stammes rangen.
Aber beim Tahquitz Canyon waren sie sich einig: In der heutigen Welt ist es nicht möglich, einen Ort für sich zu behalten. Deshalb wurde einstimmig beschlossen, den Canyon zu öffnen, damit jeder besser verstehen kann, wie ihre Vorfahren gelebt haben.
Daraufhin wurden Zäune installiert, Sicherheitspersonal eingestellt. Für die Besucher wurde das Museum errichtet und die Wege besser ausgebaut. Ab 2001 durften Besucher nur mit einem Ranger den Canyon besuchen, ab 2005 gestattete man auch Self-Guided Trips.

Der Tahquitz Canyon und drei südliche Canyons sind im "National Register for Historic Places" eingetragen.
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Es ist noch recht viel Tag übrig. Und ohne lang zu überlegen, entscheiden wir den restlichen Tag im Joshua Tree National Park zu verbringen. Es wird nicht unser erster Besuch. Deshalb peilen wir kein besonderes Ziel an. Einfach nur Rote-Steine-gucken. Das ist was wir wollen.

Über die CA-62 geht es bis Yucca Valley und dort geht es auf den Yucca Trail.
Es ist eine sehr gute Straße. Bis zur West Entrance Station sind es knapp zehn Meilen.

Ein ganz typischer Anblick einer Straße im Park:

Es folgen ein paar Steinhaufen.
Hatte ich etwa noch vor der Reise behauptet, dass ich das alles hier nicht mehr brauche?
Dass ich all das schon gesehen habe?
Ich nehme alles zurück und kontere mit dem simplen und bekannten Satz: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern". Alles hier ist einfach wunderschön und faszinierend. Diese rechteckig gespaltenen großen Haufen, diese verrückt verdrehten und verknorrten Joshuas. Einfach alles. Es ist wie nach Hause kommen. Alles ist bekannt und doch entdecke ich neue Formen, neue Fotomotive.

Wir bleiben im nordwestlichen Teil des Parks.
Noch bevor wir die nächste T-Kreuzung erreichen, so etwa auf der Höhe wo der Split Rock Trail beginnt, kehren wir um. Nein den ganzen nördlichen Bogen machen wir nicht.
Es wird ja bald wieder dunkel.

Wir machen einen kleinen unanstrengenden Walk.
Der Rabe sitzt so fotogen auf dem Ast und bleibt auch da. Und ja. Der ist echt - fliegt vorerst auch nicht weg.

Sehe nur ich eine freundlich in die Landschaft schauende Schlange?
Den Stein habe ich hier noch nie gesehen.

Nein. Das sind keine Faxen. Es sind ein paar typische Asanas zum dehnen des Rückens.
Für ein echtes Yogi-Rad ist es mir hier zu hoch. Schließlich sind da noch ein paar Tage Urlaub, die ich gesund verbringen will 🤣

Vor dem Weg zum Jumbo Rocks Campground müssen wir unser Auto abstellen.
Reinfahren ist nur denjenigen erlaubt, die hier einen Campingplatz für die kommende Nacht gebucht haben. War das schon immer so?

Generell lässt mich der Gedanke oder die Frage nicht los, wer hier übernachtet.
Und während wir "unseren" Sunsetpoint suchen, kann ich nicht anders, als die Camper fast schon zu bemitleiden. Mit ihren festgebuchten Standplatz stehen nicht wenige schon jetzt im Schatten. Und da ist es, genau wie schon heute Vormittag im Tahquitz, kälter als saukalt! Obwohl es tagsüber im Tal bis zu 23°C sind, erwarten wir nachts 4°Celsius. Der Joshua Park liegt aber bei etwa 850 Metern Höhe.
Einige werden in einem Wohnmobil übernachten. Einige im Zelt.
Aber fast alle sitzen jetzt schon dick eingemummelt auf ihren Campingstühlen. Während wir noch kurzärmelig unterwegs sind. Na ja. Es sollte nicht mein Problem sein. Da sind wir uns einig: Für uns wäre das nix.

Bis zum Sunset bleiben wir dann doch nicht mehr.
2018 haben wir das gemacht. Da hatten wir allerdings auch ein paar Campingstühle mit. Und es war Sommer...

Zum Abschluss geht es noch zum Keys View.

Keys View ist der perfekte Aussichtspunkt im Joshua-Tree-Nationalpark. Mit einer Höhe von 1.580 Metern ist es auch der höchste Punkt im Park. Wir stehen an der Südwestseite des Kamms.

Der Ausblick ist grandios. Auch wenn die Sicht noch besser sein könnte.
Tatsächlich ist im Osten der verschneite Mount San Jacinto mit seinen 3.302 Metern Höhe zu erkennen. Und gen Süden schauend sehe ich den Salton Sea.
Das war's aber auch. Der Rest ist hinter einer Schleierwolke.
Der Besuch hat sich trotzdem gelohnt!

Es ist Viertel nach Fünf, als ich diese Aufnahme während der Rückfahrt mache. Mein Sinnbild für Palm Springs und fürs gesamte Coachella Valley.

Jetzt holen wir uns noch zwei Steaks und fahren wieder in unser Apartment.
Hier gibt es "the same procedure as every day": Gegrilltes Steak auf warmen Gemüse und Eisbergsalat.

Das war's also. Zwei Tage und drei Nächte mitten im Januar mit vollem Sommerfeeling.
Morgen ziehen wir weiter.
Und was uns da erwartet, dass können wir uns in den kühnsten Träumen nicht vorstellen.

Gefahrene Strecke: 157 Meilen = 253 Kilometer