Von Figeac nach Carcassonne
Hatte ich nicht noch gestern vom Frühstücksangebot geschwärmt?
Heute enttäuscht es in vielerlei Hinsicht. Kurz vor halbcheck Elf (es gibt bis 11Uhr Frühstück)
gibt es weder Eier, Speck noch frische Äpfel. Die anderen sind
daran schuld. "Es waren so viele Gäste und sie haben auch noch so viel gegessen"
wird uns erklärt. "Uups. Sorry. Das ist ein Hotel" würde ich am liebsten sagen.
Heute ist Samstag. Und Samstag ist Markttag in Figeac.
Bis zum Check-out haben wir noch eine Stunde. Genug Zeit um auf dem Markt
einzukaufen. Und weil ich meine Handtasche mit einem Faltbeutel vergessen habe mitzunehmen,
gibt es ein echtes Transportproblem. Eine knappe Stunde später nämlich, haben wir Rocamadour, zwei Würste, Brot,
Tomaten und Oliven gekauft. Eine Flasche Weißwein fahren wir schon seit Mende durch die Landschaft.
Ich bin happy. So weiß ich schon jetzt, welche lästige Tätigkeit nach der Ankunft mir erspart bleibt 🥳




Bis Carcassonne schlägt uns Google mehrere Strecken vor. Wir entscheiden uns
für die Strecke, die uns überwiegend übers Land führt. Die beste Entscheidung die wir treffen konnten.


Die Landstrecke ist langsamer dafür wesentlich schöner, als eine Autobahn zu fahren. Die Dörfer sind meist wie leer gefegt. Absolut keine Leute zu sehen. Eine Ausnahme stellt Caylus dar. Hier findet eine Junge-Männer-Fete statt und die Stimmung ist ausgelassen. Jeder der durch den Ort fährt, wird lautstark begrüßt. Hier ist man im mittelalterlichen Ritter-Fieber.

Wir bleiben in Occitanie, das sich aus den Mid-Pyrénées und Languedoc-Roussillon zusammensetzt.
Kurz nach Vier erreichen wir Carcassonne.
Gefahrene Strecke: 261 Kilometer
Angefallene Mautgebühren: 9.40 €
Carcassonne - mehr als nur Cité médiévale
Carcassonne befindet sich in der südfranzösischen Region Languedoc-Roussillon.
Die Festung La Cité médiévale auf dem Hügel ist das Highlight der Stadt.
Und schon bei der Zufahrt
zu unserer nächsten Übernachtung für die folgenden zwei Nächte ist klar, der Tourismus hat den
Ort total vereinnahmt. Jedenfalls die Festung. Von unserer Terrasse beobachten wir, wie
am Porte Narbonnaise Busse Unmengen an Touristen abladen. Andere wiederum
holen ihre Schäfchen ab.
Unser Hotel mit dem neckischen Namen Good Knight befindet sich genau am Fuße
der Festungsmauer. Etwas versteckt mit bestem Blick auf die Festung. Wie sich herausstellt,
haben wir das beste Zimmer. Nämlich als Einzige mit Terrasse.

Rainer kann's nicht erwarten und muss unbedingt schon mal "vor"gucken.
Kommt aber bald ziemlich ernüchtert wieder zurück und ist geschockt, wie voll die Gassen in La Cité sind.
Menschen über Menschen sind da unterwegs.
Warten ist angesagt. Die Cité ist 24 Stunden geöffnet und für uns bedeutet das nur
ein paar wenige Schritte bis zum Haupttor.
Auf unserer gemütlichen Terrasse warten wir geduldig bis die Besucherströme abebben.
Kurz nach Sieben, als die Sonne schön tief steht und die Festungsanlage in warmes Licht färbt, machen wir uns auf Erkundungstour.

# La Cité Médiévale
La Cité, auf einem Hügel über dem Aude-Tal gelegen, ist eine noch bewohnte mittelalterliche Stadt. Das Besondere ist, dass es sich hier um eine der am besten erhaltenen Festungen Europas handelt. Zwei konzentrische Festungsmauern auf einer Länge von insgesamt drei Kilometern umringen die Burg mit 52 Türmen und Türmchen. Und es gibt noch eine Besonderheit: Sie ist Tag und Nacht über Porte Narbonnaise und Porte d'Aude frei zugänglich.
Halb acht ist es so weit. Die Andenkenläden sind schon geschlossen und in den Gassen ist Ruhe eingekehrt.
Nur noch wenige sind hier unterwegs.
Kaum haben wir die Brücke passiert, ist es wie in das Mittelalter versetzt zu werden.
Die Altstadt ist weitaus größer als die Cività di Bagnoregio,
mein bisheriges Highlight was dieses Thema anbetrifft, aber ursprünglicher. Die wenigen Geschäfte und Restaurants
machen das Flair nicht kaputt.

Das ist Madame Carcas. Sie war einstige Stadtherrin, die mit einem besonderen Bluff, die Karl den Großen von der Belagerung der Cité abgehalten hat, in die Geschichte einging. Was aussieht wie eine Plastik aus einer Komikserie ist tatsächlich eine Kopie des Originals. Allerdings wurde diese Kopie schon 1538 nachgebaut, weil das Original schon so stark verwittert war.


Meine einzige Aufnahme vom Inneren, da wo es Restaurants zu Hauf gibt, ist diese Spiegelung im Schaufenster.

Und dann geht's raus auf den umlaufenden Mauergang, den wir fast für uns allein haben.
Es ist nicht übertrieben, wenn geschrieben steht, dass man sich in diese Zeit versetzt fühlt.
Tatsächlich ist das so. Der Blick auf die Stadt von hier oben ist magisch. Ein besseres Wort fällt mir nicht ein.
Der Bau des inneren aber höheren Ringes der Burg geht auf die Römer und wird wegen der gallorömischen Türme auf das
1.Jahrhundert vor Christi datiert. Der äußere Ring entstand erst im 13.Jahrhundert. Damals wohnten etwa drei bis vier
Tausend Menschen auf dem Areal. Heute zählt man nur 229 Dauerbewohner in der Cité.
Im 19. Jahrhundert wurde die bereits verfallende Cité von Carcassonne restauriert.










1997 wurde Carcassonne zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt.
La Cité ist nicht alles, wofür Carcassonne bekannt ist. Unzählige Male war die Stadt Etappenziel der Tour de France, dem weltweit bekanntesten Radrennwettbewerb. Die mittelalterliche Festung hat auch Filmedreher inspiriert. Louis de Funès hat hier gedreht. Auch Kevin Costner gefiel die Festung als Drehkulisse für seinen Historien Movie: Robin Hood. Es wird gesagt, dass die Festungstürme sogar Walt Disney als Inspiration für seine Zeichentrickfilme Dornröschen und Schneewittchen gedient hat.
Auch ich bin verzaubert und konnte die Auswahl der Fotos nur schweren Herzens auf diese hier reduzieren.
Die Sonne ist schon tief und sendet die allerletzten Strahlen auf die Burg. Einfach nur schön.












Die Basilica Saint Nazaire hat leider schon geschlossen, als wir diese erreichen. Der Mauerrundgang hat einfach zu viel Zeit in Anspruch genommen. Das musste aber so sein.
Was muss man also wissen?
Als romanische Kirche im 10. Jahrhundert errichtet, wurde sie 1096 vom Papst zur Kathedrale geweiht.
Im 12. Jahrhundert wurde das Kirchenschiff mit sechs Buchten geschaffen.
Im 13. Jahrhundert im gotischen Stil erweitert.
Mit der Fertigstellung der Buchten der Apsis und dem Querschiff fanden im 14. bis 16.Jahrhundert weitere Erweiterungen statt.
Die letzten Restaurierungsarbeiten fanden 1844 bis 1864 statt.
Das Prunkstück der Cité soll die schönsten Kirchenfenster Südfrankreichs haben.
Nun ja. Das alles haben wir verpasst. Jedenfalls alle Ansichten von innen.
Wir haben die Kirche nur von außen betrachten können.



Wir schließen den inneren Rundgang. Es geht vorbei an sehr lautstarken Orten. Mehrere Bars und ein Konzert reißt uns aus dem mittelalterlichen Flair.
# Carcassonne - La Bastide Saint-Louis
Eigentlich ist am zweiten Tag Faulenzen angesagt.
Es ist Sonntag. Die Messe in der Basilica haben wir verschlafen. Das musste aber auch mal sein.
Wir brauchen Milch und Brot ein paar Dinge für das Abendbrot. Glücklicherweise sind in Frankreich einige Supermärkte auch an Sonntagen geöffnet.
Radelnd geht es also ziemlich steil in den anderen und vielleicht nicht ganz so touristischen
Teil Carcassonnes. Vorbei an diesen Murals, die eine Querstraße von uns entfernt ist.


La Bastide Saint-Louis ist das Zentrum der Stadt Carcassonne. Dieses neue Dorf ist 1247 am linken Ufer der Aude gegründet, um das bestehende Cité zu erweitern. Erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts wird Bastide Saint-Louis und La Cité durch die "Pont Vieux" verbunden. Hier wohnen heutzutage die meisten Carcassonnaise, wie die Einwohner von Carcassonne heißen. Es gibt zahlreiche Boutiquen, Restaurants und andere Geschäfte.
Ein kurzer geschichtlicher Abriss für Freunde der Geschichte (wie ich es neuerdings bin).
1247: Datum des Erlasses des Heiligen Ludwig (Ludwig IX.), der den Bau von Dörfern auf dem linken Ufer der Aude erlaubt und damit die Anfänge der Bastide Saint-Louis ermöglicht.
1355: Edward of Woodstock, Prinz of Wales bekannt geworden als Schwarzer Prinz zieht durch das Languedoc. Er verzichtet auf die Einnahme der Cité plündert die Unterstadt und setzt sie später in Brand. Sie wird vom Neuen stark befestigt wieder aufgebaut.
1660: Höhepunkt der Tuchindustrie in Carcassonne.
Die Stadt wird zu einem der ersten Tuchmacherzentren des Languedoc.
1810: Beginn der großen Umgestaltungen der Ville Basse, um die Stadt für die Bevölkerung angenehmer zu machen. Die Gräben werden in Promenaden umgewandelt, die Festungsanlagen werden geöffnet und der Canal du Midi kommt dazu.
Und das ist die neu erstrahlte Bastide Saint-Louis:



Die Altstadt, die sich seit 2015 immer noch im andauernden Renovierungsprozess befindet,
ist beschaulich und hübsch. Die ausgewählte Carrefour-Filiale befindet sich auf dem Place Carnot.
Ein riesiger Platz der erst 2021 komplett neu gestaltet wurde. Unzählige Bars und Restaurants
haben sich hier niedergelassen. Mit den riesigen Bäumen eindeutig ein Platz zum Verweilen.
Man fühlt die Leichtigkeit der französischen Gelassenheit. Kinder planschen im Wasser am Fuße des Springbrunnens
und unter den vielen roten Sonnenschirmen stehen Tische die hörbar "bleib hier!" rufen.
Das wäre zu schön wenn... ja wenn wir nicht gerade schnell verderbliche Ware gekauft hätten.
Kurzentschlossen bringen wir die Sachen ins Hotel und radeln ohne Pause wieder zurück, um durch die gottverlassenen
Straßen zu tingeln und wieder zum Place de Carnot zurück zu kommen.
Es sitzt sich ausgesprochen gut in den tiefen Stühlen vor dem Restaurant Omà.
Das Personal ist super freundlich, spricht gutes Englisch und die Burger schmecken wunderbar fleischig.
Der Wein ist perfekt. Was will man mehr?
Ja, ich höre sie schon. Die etwas vorwurfsvolle Frage "Wer bitte wird denn in Frankreich Burger essen?"
Da kann ich nur eins antworten: "Wer hat schon geahnt, dass Franzosen solche Burger können?"





# Église Saint Vincent
Der 54 Meter hohe, achteckige Glockenturm schmuggelt sich auf fast jedes Richtung Norden geschossenes Foto.
In seinem Glockenwerk - so sagt es unsere Broschüre - sind 47 Glocken untergebracht.
Der Bau begann 1269. Der Glockenturm diente als Wachturm in Kriegszeiten, insbesondere im 16. Jahrhundert.
Beeindruckend ist das 20 Meter breite Schiff, das eine Gewölbedecke von 23,5 Meter hat.
Mit dem Fahrrad brauchen wir knapp fünf Minuten bis zur Pfarrkirche. Müssen sie dann erst mehrfach umrunden,
weil wir einfach keinen offenen Eingang finden können.




Nach dem ersten Wahrnehmen des Kircheninneres entdecken wir einen Stand neben dem Eingang, der gerade eröffnet wird. Hier werden die Tickets für den Aufgang auf den Glockenturm verkauft. Für 2.50€ darf man die 232 Stufen aufsteigen. Ich habe ja eine begründete Ausrede auf diese Herausforderung zu verzichten. Deshalb steigt Rainer allein hoch und bringt diese Fotos vom herrlichen Ausblick auf die Teile Carcassonnes mit.



Nun. Es geht Richtung Hotel zurück.
Ein nächster Kirchenturm - eine weitere Kirche liegt auf der Strecke:
# Église Saint Michel
Zusammen mit der Saint Vincent stellt die Pfarrkirchen Saint Michael eine Nord-Süd-Achse dar.
Diese gotische Kirche aus dem 13. Jahrhundert ist mit einem einzigen Kirchenschiff recht einfach.
Sie besitzt jedoch acht Spannweiten. Also acht Bögen von 20 Metern Breite.
1803 wird sie zur Kathedrale ernannt. 1849 musste sie nach einem Brand restauriert werden.
Leider können wir diese nicht von innen sehen. Sie ist geschlossen.


# Place Gambetta
Und dann gibt es noch den weitläufigen Gambetta Platz, der mir schon wegen dem wunderbaren Duft, der sich
über das gesamte Areal verteilt, auf der Hinfahrt aufgefallen ist. Auf dem Rückweg nehmen wir uns mehr Zeit.
Herrlich ist dieser Duft den Millionen von wilden Rosen freisetzen. An den Rosenbögen rankt
Jasmin, der sich gerade in voller Blüte befindet. Leider kann man Duft nicht fotografieren.
Es ist ein wunderbarer Platz zum Verweilen. Und bei hohen Temperaturen ideal geeignet, um sich abzukühlen.
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Der Salle du Dôme sieht etwas verloren aus, wie er so da auf einem Parkplatz steht. Das Dach funkelt in der Sonne und man fragt sich, was und wieso? Im Netz finde ich die Antwort: Es ist ein Teil der Überreste des Hôtels Dieu, dessen angrenzende Kapelle im Jahr 1977 abgerissen wurde, um so mehr freien Raum zu schaffen.

# Pont Vieux
Die Pont Vieux stammt aus Mitte des 14.Jahrhunderts, die die einstige Steinbrücke ersetzte. Die bis dahin getrennten La Cité und La Bastide Saint-Louis wurden durch diese Brücke verbunden Die Bögen haben ungleiche Abmessungen. Die Durchmesser der Bogenöffnungen variieren zwischen 10 und 14 Meter. Zwei Bögen brachen 1436 ein mussten repariert werden. Andere Teile wurden 1559 modifiziert. 1999 sanierte die Stadt Carcassonne das östliche Ende der Brücke und den Zugang zur Trivalle Street.
Die Pont Vieux ist 225 Meter lang und nur für Fußgänger und Radfahrer zugelassen.




Fahrt durchs Dorf.


Der Tag war lang. Ausruhen und Faulenzen ist anders.
Letztendlich war es ein wunderschöner Tag ganz ohne Plan. Ein Tag an dem wir Carcassonne so gesehen haben wie nur Wenige.
Am Ende des Tages bin ich einfach zu schlapp, um diesen Anstieg noch zu fahren.
Rainer chauffiert mein Rad und ich gehe die letzten Meter zu Fuß.

Unser Abendbrot fällt bescheiden und doch so reich aus.
Keine Gault&Millau-Küche. Aber absolut frisch zubereitet.
Beine hochlegen, Ausblick genießen und schlemmen - das hat auch 'was.


Nützliche Links:
City Map Carcassonne
Grand Sites Carcassonne
Unsere Unterkunft: Good Knight

Das Doppelzimmer mit Terrasse und Blick auf die Festung im Good Knight war uns eine gute Bleibe für zwei Nächte.
Es ist übrigens das einzige Zimmer mit Terrasse und den schönen bodentiefen Fenstern,
von dem man den besten Blick auf die Festung hat.
Es ist ein B&B und ein Hotel gleichzeitig.
Die Anweisungen zum Einchecken erfolgten per Mail.
Es gibt einen Code, mit dem man den Schlüssel entnehmen kann und auch einen für den kostenlosen Parkplatz gleich neben an.
Im Vorraum stehen ein recht geräumiger Kühlschrank und eine Mikrowelle zur gemeinsamen Benutzung zu Verfügung. Und zwei Nespressomaschinen. Die dazugehörigen Kapseln findet man im Zimmer. Wo außerdem auch ein Wasserkocher steht.
Uns gefiel die Möglichkeit der Terrassennutzung besonders gut. Wir haben hier gefrühstückt und
zu Abend gegessen. Und uns bis in die tiefe Nacht den Anblick der illuminierten Festung genossen.
Was uns auch gefallen hat, war das tägliche Housekeeping.
War da noch etwas?
Ach ja. Mister Good Knight hat vor unserer Tür auf uns aufgepasst🫶🏻




So geht es weiter
Es geht in die Pyrenäen. Der Gebirgskette, die zwischen Frankreich und Spanien
und vom Atlantik im Westen und dem Mittelmeer im Osten begrenzt wird.
Genauer gesagt geht es in den Zwergstaat Andorra.
Ein Traum von mir, den ich schon
seit Schulzeiten hatte. Seit ich im Geografie Unterricht gelernt habe, dass es
da - eingequetscht zwischen dem riesigen Spanien und Frankreich - diesen Stadtstaat gibt.