Wenn's anders nicht geht

Zwei Bandscheiben (oder ist es doch nur eine?) machen mir das Leben schwer.
Es geht nichts mehr. Wir müssen uns beugen und hier in Hà Nội die Reise beenden.

Es entfallen so schöne Ziele, die noch kommen sollten.
Das Pferderennen in Hong Kongs Happy Valley zum Beispiel. Auch der Besuch der Verbotenen Stadt in Beijing. Auch entfällt der Besuch der Großen Mauer und das feierliche Mai-Spektakel am Bund in Shanghai.
Eine weitere Zeit, die eine Schnupperreise nach China sein sollte.
Eine, die uns den Einblick geben sollte, ob wir uns mehr Zeit für dieses Land nehmen wollen.

Auch entfällt die schöne Tradition am Ende der einen Reise, schon die Flüge für die nächste Reise zu buchen. Im Gegenteil. Ich storniere alle bevorstehenden Buchungen. Aus heutiger Sicht macht es keinen Sinn, weitere Planungen zu machen.
Gesundheit geht vor, sagt man.

Das letzte Mal gibt es zum Frühstück meine heiß geliebte Phở.

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Wir verabschieden uns voller Dank, insbesondere an Tiana.
Und wie üblich wird persönlich so lange gewartet, bis wir im Taxi sitzen.
Auch das Winken darf nicht fehlen.

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Um den langen Flug nach Hause zu überstehen, greife ich zum letzten Notbehelf, der mir überhaupt noch einfällt. Gestern Abend habe ich mich von Rainer tapen lassen. Karin, eine Physiotherapeutin, hat mir dafür ein paar Bilder geschickt.

Gegen 9:45 Uhr machen wir uns schließlich auf den Weg zum Nội Bài Airport.
Die Fahrt dorthin dauert rund fünfzig Minuten.


Von Hà Nội nach Singapore mit Singapore Airlines

Der Airport ist übersichtlich gegliedert.
Rainer geht mit den Koffern schon etwas vor und beginnt den Check-in-Vorgang.

Kaum ist unser Name im Computer eingegeben, steht bereits ein Rollstuhl für mich bereit.
Dank Tiana vom Meritel Hotel Hanoi bekomme ich diesen für mich so wichtigen Service, der rechtzeitig bereitsteht. Anschließend geht es über Schleich- und Sonderspuren, wir passieren alle Kontrollen im Eiltempo und werden in der Lounge "abgeladen".
Die nette Begleiterin macht noch ein Foto von mir, damit man uns beim Abholen wiederfindet, und verschwindet dann auch schon. Denn nicht nur alle Asiaten sehen für uns gleich aus – auch wir mit unseren westlichen Gesichtern sehen für sie gleich aus.

Die Lounge ist sehr schön. Das Buffet ist riesig.
Vor Jahren noch, als Lounges etwas Unerreichbares für mich waren, hätte ich nie geglaubt, dass ich eines Tages in einer sitzen würde und mich so gar nichts anspricht. Ich bin einfach in meiner Welt und glücklich, wenn die fiesen Schmerzen ein Stadium erreichen, das ich nur noch als „Es tut einfach weh“ bezeichnen kann. Mir ist nach gar nichts.
Rainer pfeift sich derweil mehrere Sushis rein und ist begeistert.

Ach ja: Auch dieses Jahr vergesse ich, mein iPhone mit auf die Toilette zu nehmen, um die goldenen Waschbecken zu fotografieren. Dass in jeder Kabine Toto-Washlets stehen, versteht sich von selbst.

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Rechtzeitig werden wir wieder abgeholt und dürfen als Erste in den A350 der Singapore Airlines.
Wir haben ja erst vor vier Tagen das Ticket gebucht und so sitzen wir getrennt. Ich am Fenster und Rainer in der Zweier-Mittelreihe, allerdings auf der anderen Seite.
Clever wäre es gewesen, wir hätten alles so belassen sollen und an Bord mit dem anderen Passagier einfach tauschen können. Bei einem der letzten Flüge hatten wir damit gute Erfahrungen gemacht.
Aber nein… wir haben unseren Tauschwunsch schon am Check-in-Schalter geäußert. Die Damen dort haben es jedoch falsch verstanden und meinen Fensterplatz vergeben. Davon ahnten wir zunächst nichts. Froh darüber, in meinem Sessel endlich eine einigermaßen schmerzarme Haltung gefunden zu haben, steht plötzlich eine Mitarbeiterin vom Bodenpersonal neben mir – den Tränen nah – und bittet mich, ihr zu helfen. Zuerst verstehe ich gar nicht, was das Problem ist. Als sie versucht zu erklären, dass beim Platztausch ein Fehler passiert sei, realisiere ich den jungen, aufgeplusterten Herrn, der trotz meiner offensichtlichen Behinderung darauf besteht, dass ich den Sitz räume. Und das, obwohl auf der anderen Seite exakt der gleiche Platz frei ist 😐 Nun ja.

Singapore Airlines SQ191,HAN-SIN,born4travel.de
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Bei schönstem Wetter erreicht der Flieger mit einigen zusätzlichen Warteschleifen Singapore verspätet. Für uns ist das allerdings kein Problem, denn wir haben rund sechs Stunden Aufenthalt vor uns.

Wieder wartet am Flugzeug ein Rollstuhl auf mich. Auf unseren Wunsch werden wir in die Lounge im Terminal 3 gebracht, obwohl unser nächster Flieger von Terminal 2 abfliegen wird. Die Lounge in T3 kennen wir bereits. Sie ist einfach riesig und bietet viele verschiedene Sitz- und Liegemöglichkeiten, die gerade für mich besonders wichtig sind.

Bis es wieder weiter geht nutzen wird die Zeit mit dösen, lesen und duschen.

Singapore Lounge T3,born4travel.de
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Von Singapore nach München mit Lufthansa

Halb elf vor Mitternacht geht es wieder los. Eine neue Abkürzung, die wir bisher nicht kannten, bringt uns direkt zu Terminal 2. Natürlich wieder vorbei an den langen Schlangen der verschiedenen Kontrollstationen.

Am Eingang des A350 der Lufthansa steht die Purserin bereit und hilft mir über die Schwelle ins Flugzeug.

Unsere Plätze liegen in Reihe 7, mein Sitz 7K, in der zweiten Kabine gleich hinter der Trennwand. Keine schlechte Wahl, denn so haben wir eine zusätzliche Ablagefläche direkt vor uns.

Der Flug startet verspätet.
Zunächst muss eine Passagierin krankheitsbedingt das Flugzeug verlassen, und mit ihr natürlich auch ihr Gepäck. Das geht erstaunlich schnell. Dennoch können wir nicht gleich abheben. Laut Pilot sorgen die vorgeschriebenen 15-minütigen Mindestabstände der über Indien fliegenden Maschinen für die weitere Verzögerung.

Dann folgt ein echtes Novum: Der Blick auf Singapores Marina ist wolkenfrei.
Wir sind sicher schon mehr als fünfzehn Mal hier gestartet, aber noch nie konnten wir die bunte Skyline so klar und eindrucksvoll sehen.

Und noch eine Premiere. Seit 1988 begleitet mich eine unkontrollierte Flugangst, die mich jedes Mal zwingt, mich auf irgendeine Art „zu betäuben“. Dieses Mal verspüre ich jedoch weder Angst noch ein mulmiges Gefühl. Muss ich also sagen: Bandscheibenvorfall sei Dank?

Der Flug ist trotz ausgedehnter Gewitterfronten, die uns die ersten zwei Stunden begleiten, so ruhig, als wenn ich in meinem Wohnzimmersessel sitzen würde.

Das LH-Essen ist zum ersten Mal - seit vielen, vielen Jahren - sehr enttäuschend. Geschmacklich nicht ausgewogen. Sowohl Rainers als auch meins. Mein Fleisch ist tot gekocht. Am besten sind dann die Nachspeisen. Sowohl die süße Speise als auch mein Käseteller mit Graham's 10 Jahre Old Tawny Port.
Nun. Um so schneller beginnt für uns die Nachtruhe.

Lufthansa SIN-MUC,born4travel.de
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Es müssen etwa fünf Stunden Flugzeit vergangen sein, und wahrscheinlich schlafen 99 % der Passagiere, als unser Flugzeug plötzlich Bewegungen macht, die ich noch nie erlebt habe. Nicht nur dass wir absacken, auch die horizontale Lage verhält sich anders als bei normalen Turbulenzen. Den Anfang dieses Vorfalls verarbeite ich erst in einem Traum, bevor ich wieder wirklich in der Realität angekommen bin. Dann fühlt es sich an, als würden wir auf Waikikis gleichmäßigen Wellen surfen.
Nur wenige Momente, nachdem sich das Flugzeug wieder gefangen und die normale Fluglage erreicht hat, meldet sich der Kapitän mit den Worten: „Nun sind wir alle wach“. Er erklärt, was genau geschehen ist: Wir sind in die Wirbelschleppe einer A380 geraten, die 300 Meter über uns in die entgegengesetzte Richtung flog. Nun werden wir – das verspricht er – etwas neben der Spur fliegen. Das war das Aufregendste auf diesem Flug.

Nach einem eher mäßigen Frühstück landen wir nach 12 Stunden und 15 Minuten in München.

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Von München nach Berlin mit Lufthansa

Der bestellte Rollstuhl – ja, der ist nicht da.
Sechs Personen benötigen Hilfe, aber es ist nur eine Mitarbeiterin mit einem einzigen Stuhl für eine Person da, die gar nicht als Passagier im Flugzeug saß 🙄 Willkommen in Deutschland!

Die Verspätung konnte nicht aufgeholt werden, und unser Anschlussflug steht ohnehin schon auf der Kippe. Zu Fuß hätten wir ihn vielleicht erreicht, doch mit diesem Service geht das nicht. Unser Weiterflug ist vermutlich schon unterwegs, als auch endlich mein Rollstuhl kommt. Das Umsteigen vom Stuhl auf den Buggy hilft wenig, denn die Wege am Flughafen München sind nicht durchgehend. So müssen wir vier- oder fünfmal stehen bleiben, um den Fahrweg frei zu machen. Im Servicecenter wird uns ein Vorfeldflug angeboten, worüber ich schon skeptisch bin – wird da auch rechtzeitig eine Hebebühne bereitstehen? Glücklicherweise stellt sich heraus, dass nur noch ein Platz frei ist 🤦‍♀️. Was für eine Arbeitsweise! Ist es wirklich so schwer, zwei Plätze von MUC nach BER zu finden.

Drei weitere Stunden warten wir in der Lounge auf den letzten Zubringer nach Hause.
Natürlich klappt es wieder ohne Zutun nicht. Gut, dass wir darauf bestanden haben, den Rollstuhl bei uns behalten zu dürfen. Denn die Servicekraft, die uns zum Gate bringen soll, kommt etwas zu spät.

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Auch in Berlin haben schon längst alle 198 Passagiere das Flugzeug verlassen, die neue Crew ist auch schon da, bevor ein Rollstuhl für mich erscheint. Diesem verzeihen wir die späte Ankunft, weil er uns dafür bis zum Parkplatz von Miles Carsharing bringt.

Noch am gleichen Tag bekomme ich eine WhatsApp von Tiana, der Frontdeskmanagerin des Meritel Hotels in Hanoi. Es rührt mich sehr, dass sie nach uns fragt. Wir freuen uns unendlich über diese Aufmerksamkeit und bewundern, wie selbstverständlich Herzlichkeit und Fürsorge Teil der asiatischen Servicekultur sind.

Lufthansa MUC-BER,born4travel.de

FAZIT

Das war sie also – unsere siebenwöchige Reise durch Vietnam. Ein Land mit unbeschreiblich freundlichen Menschen.
Eine Reise ganz ohne außergewöhnliche Attraktionen und dennoch voller täglicher Highlights.

Am meisten mochte ich die Zeit, als wir mit dem Moped unterwegs waren.
Als wir ganz individuell und mittendrin dabei sein konnten.
Etwas, das wir ohne Moped niemals erlebt hätten.
Die unendliche Freiheit – und ebenso die Freude an den individuellen Entdeckungen, die wir für uns ausgewählt haben.

Vietnam 2025, born4travel.de

Noch nie zuvor auf unseren Reisen haben wir so viele Attraktionen gebucht, die uns viel vom einheimischen Handwerk nahegebracht haben. Die Idee habe ich übrigens bei Katja & Julian abgeguckt, die wir auf einer Gondelfahrt über Boliviens La Paz nur kurz kennengelernt, dann aber auf ihrer Reise durch Südamerika lesend begleitet haben.

Wir haben gesehen, wie unter wirklich primitiven Bedingungen das Kokosnussfleisch für die weitere Verarbeitung vorbereitet wird. Wir haben eine Coffee-Class besucht und gelernt, verschiedene Sorten des vietnamesischen Kaffees zu kochen. Mir wurde gezeigt, wie man Vietnam-Pancakes zubereitet – und natürlich auch meine Lieblingssuppe, die Phở, die ich auf dieser Reise mit wenigen Ausnahmen täglich zum Frühstück vertilgt habe.

Vietnam 2025, born4travel.de

Wir haben gelernt, Laternen zu basteln, und gesehen, wie viel Aufwand es zur Herstellung eines vietnamesischen Hutes bedarf.

Nahe dem Ende der Reise hatten wir das vietnamesische Essen dann leider doch über. Es fehlte etwas. Ich kann es nicht benennen. Es fehlte einfach etwas Umami.

Vietnam 2025, born4travel.de

Mit den Highlights ist das so eine Sache. Vietnam ist vielfältiger, als man glaubt.
Die Reise vom tiefsten Süden bis in den Norden an die chinesische Grenze hat uns das sehr deutlich vor Augen geführt.

Viel einfacher, als ich es noch bei der Planung befürchtet hatte, funktioniert der Transport von A nach B. Auch wenn man den sehr preiswerten Bus meiden möchte, gibt es genügend Plattformen, auf denen man die einzelnen Abschnitte kurzfristig buchen kann. Und selbst, wenn dort einmal nichts verfügbar sein sollte, hilft die jeweilige Unterkunft – zuverlässig und ohne dass man über den Tisch gezogen wird.

Alles in allem war es eine gelungene Reise. Die Auswahl der Orte gefiel mir, auch wenn ich zum Beispiel Nha Trang nicht so berauschend fand.
Aber auch das ist eben Vietnam. Außerdem erhielt ich dort die besten Massagen. Massagen verschiedenster Arten haben wir übrigens richtig liebgewonnen. Mindestens zwei- bis dreimal die Woche haben wir uns die Zeit dafür genommen. Mein persönliches Highlight war natürlich die Power-Painkiller-Combo mit erhitzten Akupunkturnadeln.

Vietnam 2025, born4travel.de

Tom-Bob‘s Phở nahe Hang Múa belegt übrigens mit Abstand Platz 1 aller Suppen, die ich gegessen habe. Sie kostet dort ganze 40.000 VND, was etwa 1,35 € entspricht. Grund genug, dieser Gegend noch einmal einen Besuch abzustatten. Ansonsten möchte ich gern noch einmal ins Mekong-Delta reisen und das Gebiet um Cao Bằng intensiver erkunden. Natürlich darf auch die Hauptstadt noch einmal auf das Programm.

Vietnam 2025, born4travel.de

Etwas Statistik:
In 17 Hotels haben wir übernachtet. Im Durchschnitt hat eine Nacht 107 € gekostet. Dabei haben Aufenthalte in Luxushotels wie dem Peninsula Bangkok, dem Fusion in Saigon, dem Legacy, dem Meritel Hanoi und im Resort in Quy Nhon den Schnitt deutlich nach oben getrieben.
Dennoch zähle ich Vietnam zu den preiswerten Reiseländern – allein schon, wenn man nur die Übernachtungen betrachtet.

Gebucht haben wir:
10 × bei booking.com
4 × bei hotels.com
1 × direkt
1 × trip.com
1 × agoda.com

Das war also unser Vietnam 2025. Sieben Wochen voller Eindrücke, Begegnungen und Erlebnisse, die uns noch lange in Erinnerung bleiben werden. Auch wenn wir die Reise krankheitsbedingt vorzeitig beenden mussten und unsere weiteren Pläne damit nicht verwirklichen konnten, sind wir im Reinen mit dieser Lösung.
Wir nehmen unendlich viel Schönes mit nach Hause. Bilder, Geschichten und Gefühle, die uns keiner mehr nehmen kann.
Und wir sind uns sicher: Sobald es wieder möglich ist, werden wir neue Abenteuer suchen, neue Länder entdecken und uns erneut von unserem Lebensraum verzaubern lassen.