Hà Giang Loop Part II

Am nächsten Morgen geht es mir genauso schlecht wie am Abend zuvor.
Der Wunsch wurde uns nicht erfüllt. Ein neues Auto ist nicht da.
Widerwillig geht es nach dem Frühstück zum Auto. Noch bevor wir losfahren, kommt ein Angestellter angeflitzt und bringt uns die Tüte mit den Lebensmitteln, die uns gestern Lu mitgebracht hat. Wir haben davon nichts gegessen. Als Lu es sieht, nimmt er die Tüte an sich. Das ist super - denken wir. Es soll jemand nehmen der es braucht.

Ja und zufälligerweise steht vor dem Hotel ein richtiger Jeep.
Ein schöner Vergleich...

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Halb Zehn starten wir unsere Tour zurück nach Hà Giang.
Es dauert nicht lang bis wir - so meine subjektive Einschätzung - den Abschnitt des Loops erreichen, der das Highlight der gesamten Reise darstellt. Es ist der Mã Pí Lèng Pass.

Mã Pí Lèng Pass

Der Mã Pí Lèng Pass liegt auf einer Höhe von 1.000 bis 1.500 Metern Höhe, ist ein etwa 20 km langer Gebirgspass in der Provinz Hà Giang. Er verbindet Đồng Văn (also da wo wir übernachtet haben) und Mèo Vạc und gilt als einer der spektakulärsten Straßenabschnitte des Landes.

Von oben schauen wir in die Tu Sản-Schlucht (Hẻm Tu Sản), die die tiefste Schlucht Vietnams ist und je nach Quelle 800 bis 1.000 Meter tief ist. Der wunderschön smaragdgrüne, milchige Fluß ist der Nho Quế-Fluss.

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Schon aus der Ferne wirkt es beeindruckend.
Doch je näher man hinsieht, desto klarer wird, wie anspruchsvoll es war, hier eine Straße zu bauen. Der Pass, in den 1960er Jahren größtenteils in Handarbeit erbaut, gilt als technisches Meisterwerk und als Symbol für die Entschlossenheit der vietnamesischen Bevölkerung.

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Genau so wirkt es hier: Die Passstraße zieht sich wie eine dünne, in der Luft schwebende Linie entlang der Karstfelsen. Erst aus dieser Perspektive lässt sich die gewaltige Dimension der Landschaft erfassen.
Erstaunlich, wie kleine Dörfer der ethnischen Minderheiten wie Hmong, Dao und Lô Lô an den Hängen zu kleben scheinen.
Vermutlich ist ihnen gar nicht bewusst, wie sehr wir diese Aussicht aus ihrem Wohnort beneiden 😉

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Atemberaubende Panoramen – kein Wort beschreibt es besser.
Wie feine, dünne Linien ziehen sich die Serpentinenstraßen am Bergkamm entlang. Unglaublich dass wir da entlangfahren. Einfach mal die beste Gelegenheit, um den Blick auf das endlose Karstplateau zu haben.

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Die Straße windet sich immer weiter.
Das Wetter ist perfekt, doch mein Befinden bereitet mir große Probleme.
Nach anderthalb Stunden Fahrt erklären wir Lu, dem Guide endgültig, dass wir die Tour an dieser Stelle abbrechen und auf eigene Kosten ein Taxi nehmen werden. Mit diesem Auto wollen wir nicht mehr weiterfahren. Zumal uns noch etwa fünf Stunden Fahrt bevorstehen!
Lu zeigt Verständnis, bittet uns aber, noch etwas durchzuhalten, um sein Elternhaus, ein traditionelles Hmong-Haus, zu besuchen.
Ja, wie cool ist das denn? Das können wir uns auf keinen Fall entgehen lassen. Aber halte ich so lange durch?
„Es soll nicht mehr weit sein“, meint Lu. Also gut.

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Im Grunde genommen hatten wir unser Highlight schon.
Aber was uns als nächstes erwartet, ist nicht mit den besten Panorama zu vergleichen.
Lu bringt uns tatsächlich zu seinem Elternhaus.
Das stand gar nicht auf dem Programm.
Aber sind wir darüber sauer? Natürlich nicht!

Zu Hause bei einer Hmong Familie

Vor dem Haus erwartet uns schon seine Mutter. Sie ist zart gebaut und 49 Jahre alt. Ihre Haut von Sonne und Trockenheit gegerbt.

Sie begrüßt uns total herzlich.
Ich stelle mir vor, ein Tourist wöllte mal meine Wohnung sehen. Wie würde es sich anfühlen? Ich weiss es nicht. Deshalb bin ich erfreut über diese Offenheit.

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Der Eingangsraum ist dunkel. Die Wände grob verputzt. Die Decke mit Holz verkleidet. Rechts hinter der Holztür befindet sich das Elternschlafzimmer. Ein paar verblichene eingerahmte Fotos von Angehörigen hängen an der einen Wand und ein „weißes Blatt“ an der anderen. Ich frage, was das ist. Und denke an eine Maske gefertigt von einem kleinen Kind. Ein Blatt mit drei Löchern. Gut, dass ich es nur gedacht habe!
Es ist das Abbild des Schamanen Txiv Neeb. Der Schutzpatron dieses Hauses, der Wohlstand bringen und vor Gefahren schützen soll. Jedes Jahr wird es erneuert.

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Lu ist vollkommen aufgelöst vor Freude seinen Neffen zu sehen.
Sie sehen sich selten - seinen Mama und er. Er wohnt in Hà Giang.

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Die Führung geht weiter.
Im dahinter liegenden Raum ist es genau so dunkel. Das Fenster in der Wand, lässt kaum Licht herein. Hier befindet sich die Küche. Auf dem Zwischenboden darüber liegen unzählige Maiskolben. Sie werden hier getrocknet.
Über dem Topf in einer Größe für etwa zehn Familien hängen rußige, getrocknete Fleischreste.
Der Raum ist jedoch vollkommen geruchsneutral.

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In den folgenden Räumen, die praktisch nur durch Trennwände von der Küche getrennt sind, befindet sich ein Schweine- und Kuhstall. Ausgewachsene Enten und Gänse watschen fröhlich durch die Räume. Und die kleinen Ferkel flitzen hin und her wie kleine Kinder.

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Am Ende ist eine weitere Tür. Die führt zum Hof, wo überwiegend Mais und Grünfutter für die Tiere angebaut werden.

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Ich will ganz ehrlich sein. Ich bin erschüttert und sprachlos darüber, dass Menschen so leben müssen.
Nicht verachtend. Nur fassungslos.
In diesem Moment schießt mir ein Satz in den Kopf, den wir in den Anfangszeiten der Corona-Pandemie so oft gehört haben. "In China leben die Menschen mit ihren Tieren zusammen" hieß es. Jetzt erst begreife ich, was damit gemeint war. So ein Leben konnte ich mir bisher nicht vorstellen.

Am Ende des Rundgangs gehen wir noch einmal in die Küche. Das Licht wird angeschaltet, und ich sehe eingeweichte Nudeln in einem schwarzen Topf. Insgeheim hoffe ich, dass wir nicht zum Essen eingeladen werden. Werden wir nicht.
Die Mutter stellt lediglich vier kleine Becher hin und gießt aus einem grünen Messbecher eine Flüssigkeit ein. Auf meiner Oberfläche schwimmt etwas. Nur ein Staubkorn? Oder eine Obstfliege? Ist das Wasser oder Tee?

Nun. Ich möchte nicht unhöflich sein. Es kostet mich ein kleinwenig Überwindung das zu trinken. Unter dem Motto „Was mich nicht umbringt, macht mich stark“ setze ich an. Auch Rainer.
Und? Boa!!! Es ist hochprozentiger, ganz sauber schmeckender Selbstgebrannter aus Mais.
Lu lacht und sagt: „It’s happy Water!“ 🤣
Alles klar.

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Was für ein Erlebnis!
Seit gestern habe ich mich gefragt, welchen Mehrwert unser Guide eigentlich hat. Viel zu erklären gibt es nicht. Aber der Besuch in seinem Elternhaus war ein unbezahlbarer Mehrwert.

Inzwischen steht das Taxi vor der Tür. Klar, dass der Fahrer nicht irgendwer ist – es ist ein ehemaliger Schulfreund von Lu. Er sieht fast noch wie ein Kind aus, und ich frage ihn, ob er überhaupt eine Fahrerlaubnis hat. Eine eindeutige Antwort bekomme ich nicht. Aber er hat vier Jahre Erfahrung auf dem Loop. Hm. Scheint das Gleiche zu sein 😎

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Der VF34 ist spritzig.
Doch der Fahrer fährt zu forsch für meinen Rücken und muss immer wieder ermahnt werden.
Auch auf diesem Teil ist die Gegend schön. Ich kann von den "Zipfelmützen-Hügeln" nicht genug bekommen.

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Nach dreieinhalb Stunden sind wir zurück in Hà Giang, trinken noch einen Kaffee im Bergcafé und fahren anschließend ins Hotel. Ich kann definitiv nicht mehr schmerzfrei gehen und bin froh, als ich endlich liegen kann.
Rainer hingegen bemängelt die Qualität des Autos und die Folgen für mich bei Winnie. Doch Winnie will erst den Fahrer sprechen. Und der ist mit seinem Klapperkasten natürlich immer noch nicht da.

Wir schlafen bis zum frühen Abend.
Zum Abendessen lassen wir uns etwas ins Zimmer bringen. Ich kann weder stehen noch sitzen, und die Tabletten zeigen keine Wirkung.
Spät am Abend kommt Winnie vorbei.
Sie meint, das Auto sei toll und entspreche genau den Fotos, die sie mir geschickt hat. Ihr das Gegenteil zu beweisen, ist nicht schwer. Ich zeige Ihr einfach mal kurz das Anschreiben von ihr. Wahrscheinlich ist sie ganz ehrlich und sieht gar keinen Unterschied zwischen dem Fake-Jeep und einem echten Jeep. Schließlich bietet sie uns 100 USD Entschädigung an – das sind 20 % des Reisepreises – und übernimmt auf meine Forderung auch die Taxikosten.


So geht es weiter

Letztendlich ist diese Entschädigungszahlung bedeutungslos.
Die letzte Nacht war für mich furchtbar. Zum ersten Mal spielen wir ernsthaft mit dem Gedanken, die Reise hier abzubrechen.
In diesem Zustand können wir praktisch nichts unternehmen.

Am Morgen schaue ich nach Flügen nach Hause. Es gäbe noch einen Meilenflug ab HongKong – das würde gut passen, denn für denselben Tag haben wir ohnehin einen Flug von Hà Nội nach HongKong gebucht. Allerdings ist die Umstiegszeit sehr knapp.
Was also tun?