Von Bản Giốc nach Hà Nội

Unser letztes Ziel auf dieser Vietnam-Reise ist Hà Nội.
Von Bản Giốc aus soll die Fahrt sechseinhalb Stunden dauern – so ungefähr zumindest. Wegen meiner „Unpässlichkeit“ bitten wir Tiana, die FOM
des kommenden Hotels, um Hilfe bei der Taxibuchung. Am liebsten würden wir wieder mit einem dieser bequemen Vinfast-Schlitten fahren.
Und tatsächlich: Es klappt!
Um 10 Uhr geht es los. Schon der erste Akt – die Villa verlassen und den Anstieg auf der anderen Seite bezwingen – ist schmerzhaft
genug. Unser Fahrer heute ist kein Unbekannter. Es ist wieder Chan. Der, der uns bereits aus Hà Giang nach Cao Bằng gebracht hat.
Seine Fahrweise hatte uns gefallen, angenehm ruhig, nicht ruppig und vor allem nicht dieses ständige Hupen. Dass er auf der Hauptstraße
in Cao Bằng so getrödelt hat, war schnell vergessen. Wir haben dem schlicht keine große Bedeutung beigemessen.
Bis Cao Bằng läuft auch alles bestens.
Aber dann. Ausgerechnet er, der nach eigenen Aussagen mehrmals wöchentlich das Dreieck Hà Giang – Cao Bằng – Hà Nội fährt,
findet den Zugang zur richtigen Straße nicht. Ernsthaft? Wir zuckeln durch die Gegend, versuchen auf immer neuen Straßen den Anschluß zu finden
und verlieren locker eine halbe Stunde. Und alles nur, weil er das Navi entweder nicht lesen kann oder nicht lesen will – wir wissen es nicht.
Als wäre das nicht genug, schlägt er sich ständig ins Gesicht, um nicht einzuschlafen. Er gesteht, die ganze Nacht durchgefahren zu sein.
Er sei sehr müde. Was sollen wir davon halten? Uns bleibt nur, es hinzunehmen und zu hoffen, dass er wach genug bleibt, um uns sicher ans Ziel
zu bringen.
Rainer bietet ihm irgendwann sogar an, das Steuer für eine halbe Stunde zu übernehmen.
Doch er lehnt ab – es gebe eine Innenkamera. Wirklich? Eine Innenkamera?

Die Zeit läuft gegen uns. Einen heutigen Besuch in der Arztpraxis in Hà Nội kann ich mir abschminken, denn es wirkt absolut aussichtslos, das Ziel noch vor der Schließzeit zu erreichen. Wir verstehen es nicht. Ich chatte also von unterwegs noch mit Tiana. Ich informiere sie, dass es schlecht aussieht. Wir werden sehr wahrscheinlich den heutigen Termin nicht mehr schaffen. Kurze Zeit später erhalte ich die neue Nachricht: Sie kann einen Termin am morgigen Tag vereinbaren. Nur mal by the way... morgen ist Sonntag.
Es ist so enttäuschend. Dass man in der kurvigen Bergregion keine Zeit gutmachen kann, ist klar. Aber als wir endlich, endlich die Schnellstraße
erreichen – leergefegt, mit erlaubten 100 km/h – trödeln wir mit 55 bis 85 km/h dahin. Unendlich frustrierend.
Am Stadtrand von Hà Nội werden wir ungeduldig. Oder besser gesagt: Uns platzt fast der Kragen. Es wirkt, als hätte unser Fahrer Angst vor
dem Verkehr der Großstadt. Seine Unfähigkeit, das Navi zu lesen oder überhaupt Auto zu fahren, entsetzt uns. Schwer zu glauben, dass er
angeblich mehrmals pro Woche hierher fährt.
Um dreiviertel sechs stehen wir schließlich vor dem Hotel. Während Cordula und Stefan hier noch vor zwei Wochen
gefroren haben, empfängt uns die Stadt heute mit unglaublich kuscheligen 33 °C. Ganz nach unserem Geschmack.

Nach acht Stunden Fahrt erreichen wir endlich das Meritel Hotel. Hier waren wir schon im letzten Jahr und waren vom Service und Niveau super begeistert. Wie gewohnt ist der Check-in außergewöhnlich.



Auch wenn wir schon mehrfach in schönen Hotels übernachtet haben – in Häusern der Luxusklasse abzusteigen gehört
eigentlich nicht zu unserem Standard.
Umso beeindruckender ist es, dass man über meine Rückenprobleme informiert ist. Ganz diskret wird uns mitgeteilt, dass deshalb das Bett
in unserem Zimmer vorbereitet wurde. Man hat es etwas härter eingestellt. Sollte es nicht genügen, könnten wir jederzeit per WhatsApp die
Rezeption informieren. Das ist wirklich ein ungewohntes Niveau!
Any, die diensthabende Rezeptionistin, begleitet uns in die entsprechende Etage.
Wieder einmal landen wir in Zimmer 803 – das finden wir allerliebst.
Doch was uns völlig sprachlos macht, ist der Anblick des Arrangements auf dem Bett.
Willkommener kann man sich nicht fühlen!



Und dann geht’s erst einmal hinaus auf die herrliche Terrasse.
Am meisten genießen wir hier, das geschäftige Treiben auf der Straße zu beobachten. Die vielen Mopeds, das Stimmengewirr und all die Geräusche,
die die Stadt lebendig machen. Dazu die Vielfalt der Gerüche, die aus Garküchen und Cafés hochziehen. Und all das bei diesen angenehmen
Temperaturen.
Es ist einfach nur genial.
Hà Nội ist einfach meins.


Der Tag war anstrengend – obwohl wir eigentlich nichts anderes getan haben, als stundenlang im Auto zu sitzen.
Auf die Straße zieht es uns jetzt nicht mehr. Also wählen wir die bequeme Variante: Abendessen im Zimmer. Während wir uns frisch machen und
es uns für die kommenden Tage gemütlich einrichten, rollt draußen schon der Wagen mit dem Essen an.
Wenig später klopft es, und die vielen Schalen und Teller müssen irgendwie Platz finden auf unserem viel zu kleinen Tisch. Darauf die vertrauten
Gerichte, die wir so gern haben – und natürlich auch eine Phở tái. Endlich! Denn nach drei Tagen ohne Suppe stellen sich bei mir schon fast
Entzugserscheinungen ein 😉


5:18 Uhr meldet sich Tiana per WhatsApp – und das, obwohl sie heute eigentlich frei hat. Sie schreibt mir, dass eine Mitarbeiterin von der Rezeption uns zum Arzt begleiten wird. Ich bin tief berührt von dieser Fürsorge. Mit welcher Aufmerksamkeit hier gearbeitet wird, lässt mich einfach nur dankbar und sprachlos zurück.
Das Frühstück nehme ich heute auf dem Zimmer ein. Ich hatte zwar versucht, unten im Restaurant zu essen, aber das geht einfach nicht
mehr – die gepolsterten Stühle sind für meinen Rücken eine Qual. Sicher hätte mir jemand sofort einen Holzstuhl organisiert, wenn ich darum
gebeten hätte. Aber so viel Aufhebens will ich nicht machen. Also gibt es Frühstück im Bett.
Danach geht es in die Klinik für Wirbelsäulenprobleme.
Tiana hat sich wieder rührend um alles gekümmert und sogar dafür gesorgt, dass uns eine Angestellte begleitet.
Bessere Unterstützung hätten wir uns wirklich nicht wünschen können. Ich will nicht sagen, dass wir ganz „lost“ gewesen wären.
Aber mit einer Muttersprachlerin an unserer Seite geht eben vieles einfacher und schneller.
So schnell kann ich gar nicht gucken, wie ich plötzlich im Rollstuhl sitze und mir damit das schmerzhafte Laufen erspare.

Nach einem kurzen Arztgespräch geht es direkt ins MRT. Anschließend heißt es warten.
Zeit, um mit Katy ein wenig über das Leben und die Verhältnisse in Vietnam und in seiner Hauptstadt zu plaudern.
Die Auswertung folgt erstaunlich schnell, und gleich danach bekomme ich ein – ich nenne es mal – Power-Treatment, bestehend
aus manueller Therapie, Ultraschall, Shockwave, Laserbehandlung und zum Abschluss Kühlung mit Eis.
Ich sag’s mal so: Zuhause hätte ich dafür Wochen, wenn nicht Monate gebraucht, nur um die Termine überhaupt zu bekommen.
Es geht mir deutlich besser, und ich bin sofort voller Optimismus. Doch leider trügt das Gefühl. Noch lange bin ich nicht so fit,
dass ich Hà Nội erobern könnte. Das macht mich schon traurig. Auf diese Stadt hatte ich mich besonders gefreut.
Aber gut, es ist nicht zu ändern.
Katy wird zum Glück noch einmal richtig nützlich. Als ich sie bitte, den Pfleger zu fragen, ob wir für die nächsten zwei
Tage einen Rollstuhl ausleihen können, managt sie das souverän.
Et voilà: Von nun an kann ich mich fast überallhin fahren lassen.
Für jemanden, der nur wenige Schritte gehen kann, ist das schlicht unbezahlbar.
Draußen sind es 36 Grad. Klagen will ich nicht – aber die Sonne brennt intensiv, und die hauchdünne Wolkendecke wirkt wie ein Topfdeckel auf einem kochenden Topf. So schaffen wir es gerade einmal eine halbe Stunde auf unserer Terrasse, bevor wir uns schließlich ins angenehm kühle Innere verziehen. Verziehen müssen. Das hält ja kein Mensch aus!



Bevor wir losziehen, habe ich Lust auf eine Schale Phở. Im Hotelrestaurant schmeckt sie einfach großartig.
Auch die Bún Chả ist hier absolut köstlich.


Hà Nội aus anderer Perspektive
Was also nun? Wir befinden uns in der geilsten Stadt Vietnams und hängen hier fest.
Rainer wagt am frühen Nachmittag einen kurzen Alleingang um den Block und kommt strahlend zurück. Es ist Sonntag. Nicht, dass es wochentags
in der Altstadt von Hà Nội still wäre. Aber die Stimmung draußen ist fantastisch. Also schlägt er vor, mich mit dem Rollstuhl durch die Gassen
zu schieben, damit auch ich etwas von diesem Flair aufsaugen kann.
Gesagt, getan. Es klappt besser als gedacht. Nur auf den Gehwegen geht es nicht: Sie sind schmal, uneben, oft von kleinen Stühlen besetzt,
auf denen die Geschäftsinhaber sitzen und – wie der Berliner sagt – „gucken, ob keener guckt“. Also rollen wir einfach auf der Straße,
so wie es auch die fliegenden Händler tun. Und da ich während der Reise schon oft erlebt habe, wie rücksichtsvoll die
Verkehrsteilnehmer hier sind, habe ich trotz meiner verletzlichen Position überhaupt keine Angst.
Rainers Idee war genial. Wir kommen zwar gemächlich voran – aber wir haben ja Zeit. Und so macht der Ausflug nicht
nur mich glücklich, sondern auch ihn.
Hà Nội ist eine pulsierende Stadt, die man einfach lieben muss. Und die Perspektive aus meiner Höhe ist auch nicht die schlechteste.







Irgendwann erreichen wir das Herz der Altstadt. Hier pulsiert das Leben. Es herrscht hier unbestritten eine einzigartigen Atmosphäre.
Mitten darin steht die St. Joseph Cathedral, erbaut 1886 im neugotischen Stil während der französischen Kolonialzeit.
Ihre beiden 31,5 Meter hohen Türme mitsamt der Fenstergestaltung sollen stark an die Pariser Notre-Dame erinnern. Bis heute finden hier
regelmäßig Messen statt.
Nun gilt sie auch als eines der Wahrzeichen von Hà Nội.
Rund um den Platz reihen sich Cafés, Restaurants und kleine Boutiquen dicht aneinander. Ein echter Anziehungspunkt für Besucher,
Einheimische und natürlich auch für fliegende Händler.
Wir steuern unser Lieblingscafé „Running Bean“ an. Hier hatten wir im letzten Jahr ausgezeichneten Kaffee und köstliche Kuchen gehabt. Heute kommen wir zu spät. Das Beste ist schon vergriffen. Es gibt weder frischen Egg-Coffee noch verlockende Törtchen. Also probieren wir andere Kreationen, die zwar nett sind, aber eben nicht die Bringer.





Dann geht es Richtung Hoàn Kiếm Lake, auf dem unter anderem der fotogene Tháp Rùa steht.
Am schönsten sieht er natürlich beleuchtet aus, aber so lange wollen wir nicht bleiben. Zuerst sammeln wir noch einmal Impressionen.
Es ist wirklich schön hier. Die Fassaden vieler Häuser sind im eleganten Kolonialstil gehalten, aber sie leiden unter dem Klima. Die feuchte
Wärme und der viele Regen im Sommer lassen viele Fassaden oft etwas gammelig aussehen. Das kennen wir schon aus Singapore.
Dennoch ist es eine wahre Freude, all das zu sehen. Ich habe den Eindruck, dass hier vieles mehr geschätzt und
gepflegt wird als bei uns, jedenfalls wenn ich es mit Berlin vergleiche.



Angeblich das schönste Uniqlo-Gebäude Asiens:

Hier drehen wir um und machen uns langsam auf den Rückweg.
Im Grunde haben wir durch unseren Aufenthalt im letzten Jahr in der Altstadt einen guten Überblick
und eine ungefähre Orientierung. Ab und zu erkennen wir einzelne Kreuzungen oder Häuser wieder.
Was wirklich angenehm ist: Wir müssen uns nicht einen Moment – selbst bei Dunkelheit – Sorgen machen,
Opfer krimineller Aktivitäten zu werden. Auch wenn wir die einzigen Nichteinheimischen weit und breit sind.
Was in anderen Städten der Welt ein eher beängstigender Gedanke wäre, fühlt sich für mich in Hanoi nie so an.
Die Locals sind entweder sehr freundlich oder ignorieren uns schlicht. Selbst in Gegenden, wo wir auffallen.




Den wunderbaren Tag beenden wir in der Rooftop-Bar des Meritels.
Das Klima könnte nicht besser sein. Es ist angenehm warm, so verweilen wir länger, essen Abendbrot und zum Abschluss gibt es noch
unser Lieblingsgetränk.

Am Folgetag hat sich die Sonne verzogen.
Der Tag beginnt wie immer: Frühstück und dann in die Klinik, wo ich meine Behandlung bekomme.
Heute kommt noch eine Anwendung dazu, nämlich eine medizinische Streckbank.
Sie sieht ein wenig aus wie ein Foltergerät. Mein Becken wird mit einem breiten Ledergurt fixiert und dann langsam auseinandergezogen. Etwas Angst habe ich, weil dies automatisch geschieht – so etwas habe ich bisher noch nie ausprobiert. Aber sofort spüre ich, wie sich die Wirbelsäule ganz langsam „verlängert“ und die Bandscheiben eine spürbare Entlastung erfahren.

"Kann ich das heute Abend nochmals haben?" frage ich den Therapeut. Aber er nimmt mir die Hoffnung. So etwas darf man maximal ein mal pro Tag machen. Hm. Wie schade!
Immer wieder werde ich von Tiana überrascht.
Denn während wir in der Klinik sind, ist sie bemüht, die Airlines zu kontaktieren, damit mein Transport am Internationalen
Flughafen Nội Bài und zwischen den Flügen in Singapore, München und Berlin reibungslos funktioniert.
Als die Behandlung beendet ist und wir die Klinik verlassen wollen, gießt es wie aus Kannen.
Erst warten wir ab. Aber als es gefühlt nicht aufhört zu regnen, lassen wir uns mit Grab in ein Shoppingcenter bringen. Eins, in dem es
ein Uniqlo gibt – denn nur in dieser Filiale gibt es meine gewünschte Leinenbluse. Auch Rainer findet ein Leinenhemd. Langärmelige
Leinenblusen haben in feuchtwarmen Ländern einen echten Mehrwert.
Das Vincom Center Ba Trieu ist sehr modern. In dieser Art könnte es in Hongkong oder Dubai oder auch irgendwo in den USA stehen.


Hoàn Kiếm
Hoàn Kiếm
...ist der kleinste jedoch am dichtesten besiedelte Stadtteil von Hà Nội. Offiziell 1981 gegründet und bezeichnet die Altstadt bestehend aus
18 Bezirken
Innerhalb von Hoàn Kiếm gibt es zwei klar unterscheidbare Bereiche: Das Old Quarter, das sich nördlich und westlich des Sees befindet,
und das French Quarter das südlich und östlich des Sees ist. Letzteres entstand während der französischen Kolonialzeit
im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Danach peilen wir zu Fuß das Viertel nordöstlich des Hoàn Kiếm Lake an.
Aber noch sind wir im Distrikt Hai Bà Trưng, benannt nach den legendären Schwestern, die im 1. Jahrhundert
gegen die chinesische Herrschaft kämpften.
Hier gibt es den Hồ Bảy Mẫu Lake. Es scheint, als ob jeder Distrikt seinen eigenen See besitzt.
Sicher auch sehens- beziehungsweise besuchenswert. Aber in meinem Zustand ist auch dessen Besuch gar nicht machbar.
Wie so vieles übrigens auf meiner noch offenen To-do-Liste.
Wir beschränken uns also auf das, was auf unserer Laufroute liegt. Ganz entspannt.
Und die führt uns über die Phố Huế.
Aber warum eigentlich „Phố“? Ich dachte, das ist der Name meiner Lieblingssuppe?
Es ist bei genauem Hinsehen nur ein kleines Häkchen das den Unterschied ausmacht:
„Phố“ ohne Seitenhäkchen bedeutet auf Vietnamesisch „Straße“.
Dagegen wird es durch das seitliche Häkchen auf dem „o“ zu „Phở“. Dem Namen der berühmten vietnamesischen Nudelsuppe.
Was soll ich sagen? Wieder einmal bildet das Reisen.
Und dann entdecken wir ein Eckcafé. Gemütlich sieht es aus.
Man sitzt halb auf dem Fußweg und beobachtet das Geschehen.
Also, wir Touristen machen das. Wir freuen uns über alles, was anders aussieht. Während die anderen Gäste eher aufs Smartphone
schauen – klar, für sie ist das hier alles gewöhnlich – lieben und genießen wir das People-watching. Es gibt nichts Schöneres,
als sich dafür Zeit nehmen zu können und passiv die Welt um sich passieren zu lassen.
Egal. Wir genießen unsere letzten Spezialkaffees.
Während Rainer einen Salt Coffee nimmt, trinke ich meinen letzten Egg Coffee.


Es folgen unendlich viele Impressionen.
Dieser Stadtteil ist einfach voller Gegensätze. Es gibt sehr Altes, auch liebevoll restauriertes Erbe.
Und dann der morbide Charme mit seinen abblätternden Fassaden. Den wir auch schon in Venedig so liebten.
Den absoluten Kontrast bildet die gläserne Moderne. Und alles passt irgendwie zusammen.







Etwa zwanzig Minuten hat es gedauert, bis wir das Südufer des Hoàn Kiếm Lake erreichen.
Wir fahren – beziehungsweise Rainer schiebt mich – an der Ostseite des Sees entlang.
Am Anfang noch wirkt alles etwas weitläufiger und moderner.
Die Promenade zeigt sich als typischer Mix: Altes, das geblieben ist, ergänzt durch neue, modernere Gebäude.

Wie schon an vielen anderen Orten sehen wir Aufsteller und Plakate, die an ein besonderes Jubiläum Ende April erinnern.
Vor 50 Jahren, am 30. April, endete der amerikanische Krieg, und Nord- und Südvietnam fanden wieder zusammen.
Ein Ereignis, das bis heute tief im Gedächtnis des Landes verankert ist.

Nordöstlich des Hoàn Kiếm Lake liegt - je nach Quelle (ich habe den Eindruck, eine klare Abgrenzung gibt es nicht) -
das French Quarter von Hà Nội.
Tatsächlich sind wir hergekommen, um vielleicht ein Mitbringsel für unsere Enkel zu finden. Ausserdem haben uns Cordula und
Stefan diese Gegend empfohlen.
Das Gebiet hier ist laut und etwas anstrengend. Und auch sehr touristisch.
Manche Straßen sind sehr eng und teilweise auch dunkel. Ich hab hier aber leider kein Foto gemacht. Der Straßenbelag ist für meine
lädierte Wirbelsäule auf dem Rollstuhl sehr ungeeignet. Uneben und mit vielen Absätzen.
Für Rainer wird das Schieben zur Herausforderung.
Vor allem sind hier auffallend viele westliche Touristen unterwegs. Und obwohl wir ja selbst welche sind, mag ich das Gefühl nicht,
hier unterwegs zu sein, um auf Jagd nach Schnäppchen zu gehen.
An jeder Ecke reiht sich ein kitschiger Andenkenladen an den nächsten. Aus meiner Sicht sind das keine Andenken und nichts Typisches.
Für mich ist das nur Ramsch.
Was ich persönlich auch nicht mag, ist, dass die Atmosphäre sich eher an Besucher als an das echte Stadtleben richtet.
Wir werden letztendlich nicht wirklich fündig.






Das historische Old Quarter hat die Jahrhunderte erstaunlich gut überstanden. Alles konzentriert sich aber auf engstem Raum. Auf jeden freien Raum, der zwischen den alten Mauern frei blieb. Und das sieht man immer wieder.

Was mir hier aber sehr gut gefällt, ist die Unaufdringlichkeit der Verkäufer.
Sie sitzen vor ihrem Lädchen und grüßen freundlich. Kein "Madame, Madame" und kein Zupfen am Ärmel wie das in Hoi An war.
Eigentlich wollten wir schon längst zurückfahren. Aber immer noch sind wir auf der Suche nach einem uns empfohlenen Kaffee.
Die Suche entpuppt sich schwieriger als gedacht. Kaffee wird in vielen Geschäften angeboten, aber wir suchen den Trung Nguyen Nr.4.
Das soll der Beste sein.
Rainer wird nicht müde, in jeden Kaffeeshop zu gehen und nach dieser Sorte zu fragen. Und tatsächlich kennt nur einer den Ort,
wo der verkauft wird. Wir nehmen gleich vier Tüten á 250 Gramm mit.
Das wird unser Mitbringsel aus Vietnam.





Hier nochmals meine Aussicht, während wir unterwegs sind 😉
Definitiv sind wir selbst auf der vierspurigen Straße sicher.
Keiner rempelt an. Keiner gibt uns das Gefühl, hier auf der Straße falsch zu sein.

Im Hotel angekommen, machen wir das Beste aus dem Rest des Tages: Trödeln, etwas schlafen, Rainer lässt sich nochmals
in einem Salon in unserer Straße massieren. Und bevor es ans große Packen geht, flitzt er noch schnell in die Apotheke.
Denn hier gibt es die 400mg Ibus als Gel Dragees. Außerdem nehmen wir zwei Flaschen Mückenspray mit. Das hat sich schon im letzten Jahr
als weltweit anwendbar und super erwiesen. Es ist nicht nur ein Naturprodukt, nein, es kann recht gut schützen.
Beim Packen bin ich dann so gar keine Hilfe. Das darf Rainer allein machen. Ich bin leider nur der Anweisungsgeber 😉
Zum Abschluss des Tages essen wir in der SkyBar direkt über uns.
Das Essen ist fantastisch - die Negronis auch.


Auf der gleichen Etage, wo sich der Barbereich befindet, ist auch der wunderschöne Rooftop-Pool mit Ausblick auf die Stadt.
Das glaubt uns keiner. Aber wir hatten trotz zweier Aufenthalte nicht einmal die Möglichkeit, ihn zu nutzen.
Im letzten Jahr schon haben wir durch verschiedene Umstände
aus drei Tagen nur eine Nacht gemacht.
Und in diesem Jahr bin ich der Bremsklotz.
Es scheint, als ob wir noch ein drittes Mal herkommen müssen 😎


So geht es weiter
Morgen werden wir Vietnam verlassen und machen uns auf den Weg über Singapore Richtung Berlin.
Mit einem sechsstündigen Aufenthalt in Singapore haben wir überraschend viel Zeit. Vielleicht HongLi zu treffen.
Das sage ich jetzt als hoffnungsloser Optimist.
Mal sehen, wie viel Energie uns nach all den aufregenden Tagen bleibt 🤷♀️