Von Ninh Bình nach Pu Luông
Nach der wunderbaren Zeit im Hang Mùa Eco Garden geht’s nun in den Nordwesten von Nordvietnam,
nach Pu Luông.
Im Netz wird der Ort gerne mit bekannten Zielen wie SaPa oder Hà Giang verglichen.
Bei der Vorbereitung habe ich allerdings gelesen, dass SaPa stark vom Tourismus geprägt ist.
Sicherlich hat es landschaftlich seinen Reiz. Aber habe ich Lust auf überfüllte Straßen und
kommerzialisiertes Flair? Nein.
Es bleibt bei Pu Luông.
Der bestellte Fahrer, der uns nach Pu Luông bringen soll, erscheint nicht. Das ist ein Novum.
Denn bisher waren alle Fahrer überpünktlich.
Ngoan greift sofort zum Telefon und ruft beim Unternehmen an.
Währenddessen schaut Luc immer wieder auf sein Handy, das so eingestellt ist, dass er über die Außenkamera
die Straße im Blick hat.
Wir Vier sitzen zusammen, und die unerwartete Wartezeit verwandelt sich in eine ganz besondere Zeit des Austauschs.
Mit Hilfe des Übersetzers (denn die Beiden können nach wie vor ein Wort in Englisch: okay 😉)
erzählen wir von unseren Familien, zeigen uns Fotos und lachen gemeinsam. Es ist so schlicht und gleichzeitig so herzlich.
Die beiden sind von einer Bescheidenheit, die uns tief berührt.
Vermutlich gehören sie mit dem kleinen Homestay schon zum gehobenen Mittelstand.
Sie besitzen Autos, was in Vietnam eine Seltenheit ist, und Ngoan fährt sogar selbst.
Doch dann erzählt uns Luc mit einem leisen Lächeln, dass er spart, um sich im nächsten Jahr ein iPhone
leisten zu können. In diesem Moment wird uns bewusst, wie wertvoll und teuer solche Dinge hier sind
und wie unterschiedlich die Maßstäbe doch sein können.
Eine Dreiviertelstunde später erscheint das Taxi. Es fällt kein Wort, warum er zu spät kommt.
Aber was soll’s. Wir haben ja Zeit. Seine Fahrweise ist ausgezeichnet. Kein ständiges Hupen, kein Spielen auf dem Handy.
Zunächst geht es über eine Art Autobahn. Und wir verabschieden uns von der wunderbaren
Landschaft mit diesen sonderbaren Karststeinen. Was wir hier noch nicht wissen ist,
dass wir sie schon bald wieder sehen werden.

Das letzte Drittel der Fahrt jedoch scheint der Grund zu sein, warum manche Agenturen meine Transport-Anfrage
wegen angeblicher „schwerer Zugänglichkeit“ abgelehnt haben.
Nun ja. Von „schwer zugänglich“ würde ich sprechen, wenn wir uns mit der Machete den Weg freischlagen müssten
und Scherpas unser Gepäck tragen müssten. Stattdessen ist es eine ganz normale, gut asphaltierte, wenn auch enge
und kurvenreiche Straße. Nicht mehr.
Die letzten 200 Meter allerdings müssen wir tatsächlich zu Fuß gehen. Die Zugangsstraße zum Hotel
hat tatsächlich ein außergewöhnliches Gefälle.
Die Angestellten erklären, der Weg sei nicht befahrbar. Vermutlich aber können sie einfach selbst nicht fahren
und halten es für unmöglich. Immerhin bringen sie unsere Koffer auf Mopeds den steilen Weg hinunter.

Das Hanasa Pu Luông Resort liegt idyllisch im Naturreservat von Pu Luông.
Mehrere zweigeschossige Bungalows sind an den Berghang gebaut.
Die ebenerdigen Zimmer in der vordersten Reihe verfügen jeweils über einen privaten Pool.
Den spektakulären Blick auf die Reisfeldterrassen hat man aber aus jedem Zimmer.
Die gesamte Lage der Anlage gefällt uns sehr gut. Man wohnt ziemlich versteckt und mitten in der lokalen Thai-Gemeinschaft.
Alles ist sehr gepflegt. Und sicher trägt auch das Klima dazu bei. Warm und durch die vorbeiziehenden Nebelschwaden ständig
leicht feucht.
Das lässt die Pflanzen im Garten so üppig wachsen.




Unser neues Heim für die nächsten drei Nächte ist wirklich wunderschön.
Wieder wartet ein privater, wenn auch ungeheizter Pool auf uns. Dieses Mal ist das nicht nur
ein schnöder Pool. Im Pool ist ein riesiger Stein, wie sie hier in den Feldern überall zu sehen sind.
Es könnte alles perfekt sein, wäre da nicht das Bett: zu schmal, zu kurz und dazu viel zu weich.
Gerade das mögen wir so gar nicht.
Das ist aber jetzt meckern auf ganz hohem Niveau 😉




Schweinekaltes Wasser im Pool kostet anfangs ziemliche Überwindung um hinein zu steigen.
Aber dann ist es wie immer. Kaum hat man sich
an die Temperatur einigermaßen adaptiert, überwiegt die Freude über das gesamte Ambiente



Der Fernblick ist ein Träumchen. Leider – so prophezeit es die Wetter-App – nur heute.
Deshalb schickt Rainer Drohni sofort auf Erkundungsflug.
Beim Starten vom Rand des Pools erschreckt sich „etwas Großes“, das wohl tief im Gras saß.
Blitzartig springt es in den Pool und genauso schnell am anderen Ende wieder hinaus. Das Ganze passierte
so schnell, dass keine von uns beiden sagen kann, was es gewesen ist.
Der Wasserfleck ist breit. Ich tippe auf eine fette Kröte, die diese komischen Geräusche macht 🤔
Die Aufnahmen, die Drohni mitbringt, sind atemberaubend: Reisfeldterrassen im frischen,
leuchtenden Maigrün. Ein Anblick, den wir bisher nur von Bildern kennen.
Auch die Nuancen im Farbwechsel sind überwältigend schön.
Was man noch sieht ist, dass auf den Terrassen nicht nur Reis angebaut wird, sondern auch verschiedenes Gemüse.
Das gibt dem Bild noch zusätzliche Farbe.





Der Infinity-Pool vor dem Restaurant ist für alle Gäste da. Er lädt wirklich zum Verweilen ein. Aber niemand nutzt ihn.
Wahrscheinlich weil Pu Luông - jedenfalls während unseres dreitägigen Aufenthaltes - nur auf Durchreise besucht wird.
Das heisst, die Reisegruppen kommen am Nachmittag an und reisen am nächsten Morgen wieder ab.
Was wirklich schade ist. Pu Luông verdient einfach mehr Zeit.
Am ersten Abend machen wir es wie immer: Wir essen zu Abend im Hotel.
Sicher ist das niemals die preiswerteste Variante. Für vietnamesische Verhältnisse fast schon
hochpreisig. Aber für den Betrag würde in der westlichen Welt wahrscheinlich nicht einmal eine halbe Person satt werden.
Wir bestellen Speisen, die wir im Laufe der Zeit fast alle kennen. Sie unterscheiden sich meist
dann nur in den kräftigeren Soßen. Nordvietnams Speisen schmecken mir persönlich besser. Sie alle sind besser und runder abgeschmeckt.


Das Naturschutzgebiet Pù Luông in Brief
Pù Luông ist kein einzelnes Dorf, sondern ein weites Naturreservat.
Es ist ein steiles, fruchtbares Tal, das von Karstbergen umgeben ist und Häuser auf Stelzen usus sind.
Pù Luông scheint ein Land zu sein, in dem die Natur fast vollständig in Ordnung ist.
Hier endlich sehen wir die leuchtenden Reisterrassen, die auf keinem Werbeprospekt von Nordvietnam
fehlen.
Pù Luông ist ein Konglomerat kleiner Siedlungen, in denen vor allem die Weißen Thai und die Mường leben.
Vietnam ist nämlich die Heimat von 53 staatlich anerkannten ethnischen Minderheiten.
Zu den zahlenmäßig größten Minderheiten gehören die Thái sowie die Mường, Khmer, Hmong und Hoa (ethnische Chinesen).
Dabei haben die Thái Vietnams mit der Bevölkerung Thailands keine direkte Gemeinsamkeit.
Hier in Pù Luông haben sich überwiegend Mường und Weiße Thai niedergelassen.
Die Mường gehören zu den ältesten Volksgruppen Vietnams und sprechen ihre eigene Sprache.
Sie sind zahlenmäßig kleiner und gelten als direkte Nachfolger der Urvietnamesen verwandt mit den Viet (Kinh).
Die Mường leben eher in bodennahen oder halbunterirdischen Häusern, manchmal auch auf niedrigen Pfählen.
Ihre Häuser sind oft kleiner, kompakter und manchmal mit Strohdächern gedeckt.
Die Weißen Thai bilden mit etwa 1,45 Millionen Menschen
(etwa 1,5 % der Gesamtbevölkerung) die größte Minderheit im Nordwesten des Landes.
Ihre Sprache gehört zu einer ganz anderen Sprachfamilie als die der Mường.
Auch sie leben in Stelzenhäusern aus Holz. Diese Häuser stehen jedoch auf höheren Pfählen. Oft zwei bis drei Meter hoch,
damit darunter Tiere wohnen können oder der Hausboden bei Regen trocken bleibt.
Der Raum unter dem Haus dient oft als Lagerplatz.
Die Dächer sind traditionell aus Bambus oder Palmblättern, modernere Häuser oft mit Zinkblech gedeckt.
Die Häuser sind meist langgezogen, mit mehreren Räumen hintereinander.
Am Tag 2 hält sich das Wetter an die Vorhersage. Wir hängen in der Wolke.
Ich nenne es positiv denkend: Faltenglätter-Klima. Die teuren Cremes können in der Kulturtasche bleiben.
Erst am Nachmittag entschließen wir uns dann doch, ein Moped auszuleihen.
Wie so oft bleibt der Verleih "in der Familie". Ein Freund, der nur ein paar Schritte vom Hotel entfernt wohnt,
verleiht zufälligerweise welche. Das Wichtigste aber ist, dass die Mopeds zum Glück stark genug sind, um uns schwere Europäer auch diesen
steilen Berg hinaufzubringen.
Die Preise hier in der abgelegenen Gegend ist etwas teurer. Statt 120.000 Đồng (4,10 €) kostet die Tagesmiete 250.000 – also 4,40 € mehr,
allerdings inklusive Benzin. Am Ende eher Peanuts.
Das zur Theorie.
Der Verleih findet wenige Schritte vom Hotel entfernt, quasi zwei Häuser weiter statt.
Momentan ist aber niemand vor Ort, also wird kurzerhand jemand angerufen. In der Zwischenzeit schauen wir uns um.
Es ist ein ganz typisches Haus wie sie hier überall zu sehen sind. Die unterste Ebene ist gefliest,
die Schuhe auszuziehen ein Muss.
Obwohl es ja eigentlich draußen ist. So lebt man eben hier.
Natürlich gibt es hier kein Büro,
und natürlich will niemand irgendwelche Papiere sehen. Alles läuft auf Vertrauensbasis.
Wir zahlen bar und die Sache ist erledigt.
Die eigentliche Herausforderung ist nun der steile Berg beim Losfahren.
Ich traue dem Ganzen nicht und steige vorsichtshalber ab. Ich will schließlich nicht der Grund sein,
dass wir rückwärts talwärts rauschen 😂..


Impressionen von unterwegs
Wir fahren diese Bergstraße entlang, die anderswo als Scenic Drive ausgewiesen wäre.
Beidseitig stehen typische Stelzenhäuser aus massivem Holz.
Der Aufbau folgt immer demselben Muster: Die unterste Ebene ist gefliest, und die Schuhe werden vor dem
Betreten ausgezogen.Dort steht meist ein Tisch und fast immer mit Teetassen und einer Kanne darauf.
Auch die Mopeds oder landwirtschaftliche Geräte stehen nebenan.
Sehr oft hängt die Wäsche auf Bügeln zum Trocknen.
In manchen Häusern befindet sich in der untersten Ebene auch ein Stall.
Darüber liegt die geschlossene Wohnetage. Die Fenster sind klein, wahrscheinlich ist es dort
recht dunkel.

Die Straße fährt sich gut.
Rechterhand schauen wir immer wieder in Richtung der
Reisfelder. Das sieht für uns sehr ungewohnt aus. Aber es ist wunderschön!


Das Leben findet überwiegend draußen statt. Alle sind beschäftigt.
Es wird gebaut, gepflanzt, gesäubert und transportiert.
Niemand sitzt herum.
Als Sozius hinten auf dem Moped muss ich nicht auf die Straße gucken. Ich kann
das alltägliche Leben so intensiv beobachten. Das macht unheimlich viel Spaß.
Das ist was ich sehen will von solchen Ländern. Am beeindruckendsten empfinde ich die
kleinen Gesten der Menschen, die einfach mal winken und sich wahrscheinlich freuen, dass wir hingucken.
Und dann sehe ich das: Das ist ja wie bei uns! Ich schneide die Haare und Rainer ist mein Kunde.
Nur dass wir das im Inneren machen und hinterher beim wieder aufräumen viel mehr Arbeit haben.

In einem Ca Phé machen wir Pause. Das Grundstück ist riesig und „pappt“ an dem steilen Berg.
Dementsprechend ist die Weitsicht.
Noch während wir uns orientieren, werden zwei Stühle ganz vorn an die Brüstung gestellt.
Mit dem besten Blick auf die Reisfelder. Alles wirkt sehr primitiv und gleichzeitig liebevoll gestaltet.
Drei Girlies schmeißen den Laden. Der vietnamesische Kaffee ist perfekt. ich kann es nicht oft genug betonen:
Vietnamesischer Kaffee schmeckt immer. Wenn ich daran denke, wie enttäuscht wir in Kolumbien
über diese saure Plörre waren. Und in Vietnam, einem Land, in dem ich nur Tee erwartet habe,
haben sie so guten Kaffee.

Plötzlich informieren sie uns, dass sie das Ca Phé jetzt schließen müssen.
Ob wir noch etwas brauchen? Nein, tun wir nicht.
Als wir aufstehen, deuten sie an, dass wir sitzen bleiben dürfen, so lange wir wollen.
Nur sie seien dann für 'ne Stunde weg.
Das lassen wir uns nicht zwei Mal sagen. Wir bleiben und nutzen die Gelegenheit, genießen den entschleunigenden
Moment, die unvergleichbare Ruhe und die Aussicht auf die Reisfelder, von deren Anblick wir immer noch nicht genug bekommen.

Unser eigentliches Ziel sind die fotogenen Wasserräder, von denen ich im Netz schon so viele Bilder gesehen habe.
Voller Vorfreude steuern wir den markierten Punkt bei Google Maps an – doch plötzlich stehen wir vor 🤷🏼♀️.
Kein Wasserrad weit und breit, stattdessen ein paar Einheimische, die ihren Nachmittag hier gemütlich verbringen.
Hm, und wir?
Glücklicherweise zeigt die Karte, dass in der Nähe ein kleines, besuchenswertes Dorf liegen soll.
Also ändern wir flugs den Plan und nehmen die Abfahrt. Anfangs ist die Straße noch betoniert und harmlos,
doch schon bald wird sie schmaler, kurviger. Das Gefälle fast beängstigend.
Mir wird das zu riskant. Ich steige wieder einmal vorsichtshalber ab, während Rainer mutig vorausfährt, um zu checken,
ob sich der Weg dahin überhaupt lohnt.
Ich schleiche ziemlich vorsichtig hinab. Ich will nicht ausrutschen.
Unterwegs begegnen mir einzelne Touristen, außer Atem und erschöpft von dem steilen Aufstieg.
Aber jeden, den ich frage ob es sich lohnt, bejahrt es. Also gut.
Kho Mường
Als ich Kho Mường erreiche, fühlt es sich an, als würde man eine kleine, verborgene Welt betreten.
Außer ein paar Kindern, die uns schon von der Brücke zuwinken, ist niemand zu sehen. Vermutlich arbeiten viele im Reisfeld.
Es ist schon seltsam, hier fast allein entlangzuspazieren, ein wenig wie in einem Freilichtmuseum.
Die Fliesenböden sind blitzsauber und ich frage mich, wie oft sie wohl täglich gewischt werden müssen.
Hier und da hängen Matten zum Ausruhen. Wahrscheinlich trifft man sich nach getaner Arbeit, anstatt fernzusehen.
Ich weiß es nicht.




Das Dorf ist eingebettet in einem Tal, umringt von sattgrünen Reisfeldern.
Etwa 60 Haushalte mit rund 200 bis 230 Menschen sollen hier leben.
Alle sind mit Landwirtschaft und Viehzucht beschäftigt.
Eine richtige Schule gibt es im Dorf selbst nicht, lese ich.





Und das sind Impressionen vom Rückweg aus dem Tal und dann auf der landschaftlich schön gelegenen Verbindungsstraße.







Abends essen wir in einem Restaurant, in dem die Hälfte des Menüs „out“ ist.
Normalerweise würden wir enttäuscht das Lokal verlassen. Aber hier geht das nicht. Das können wir nicht machen.
Denn die Kellner sind allesamt so unbeschreiblich freundlich, dass wir die Karte nochmals durchforsten
und schließlich doch etwas leckeres für jeden von uns finden. Dafür sind sie unglaublich dankbar.
Am nächsten Tag kämpft sich die Sonne zaghaft durch die Wolken.
Gleich nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg zu den Wasserrädern.
Nachdem unser gestriger Versuch, sie zu finden, kläglich gescheitert war, habe ich gestern Abend
noch lange im Netz recherchiert, um den richtigen Standort herauszufinden.
Heute sollte es also klappen – da bin ich mir sicher.
Inzwischen hat Rainer das Moped im Griff und holt mich heute direkt in der Hotelanlage ab. Bereit für den steilen Weg zur Hauptstraße und bereit für unser nächstes Abenteuer.

Wir verlassen die Höhe unseres Ortes, um ins Tal, das bei etwa 50 Höhenmetern liegt, zu fahren. Mit Temperaturen weit über 30 Grad ist es hier deutlich wärmer.
Pù Luông hat nicht nur Reisfelder. Es ist auch ein Gebiet in dem es ausgedehnte Bambuswälder
gibt. Und Bambus ist nicht nur ein schnell nachwachsendes Holz sondern ist auch der universell eingesetzte
Werkstoff Asiens. Es wird hier andauernd abgeholzt. Im großen und kleinem Stil.
Bambus braucht jeder.



Und auch das ist ein Bild das uns täglich und überall begegnet: Schulkinder auf niedermotorigen Mopeds:

Und ja. Noch immer freuen wir uns über solche Anblicke.
Ein vollkommen überladener Postmann auf dem Weg in die höher gelegenen Dörfer.

Der Suối Chàm ist ein kleiner, klarer Flusslauf, der sich durch die Täler des Pù-Luông-Naturreservats
schlängelt. Er ist mit seiner idyllischen Lage mitten zwischen Reisfeldern ideal für kitschige Fotos. Anders kann ich
es nicht beschreiben.
Die Abfahrt zu den Waterweels ist nicht ausgeschildert. Aber wozu bin ich als Sozius denn da?
Zielgenau biegen wir auf eine Stichstraße.
Gefühlt drei Meter weiter stehen schon die ersten Wasserräder.
Wir stoppen gleich für die Erstbesichtigung - man weiss ja nie...
Eine unfassbar üppige Landschaft scheinbar unberührt und sich selbst überlassen,
wie man sie selten sieht, ist das was wir hier sehen.








Der Tourismus ist in Pu Luông noch nicht angekommen.
Oder doch?
Vielleicht noch nicht der große Tourismus. Aber der ein oder andere Kleintransporter schippert auf der Durchfahrt
einige Besucher hierher. Auch sie wollen diese Wasserräder aus Bambus sehen.
Wasserräder bei Ba Thước
Im Tal stehen einige Wasserräder. Voll funktionsfähig. Angetrieben nur von der Strömung des Flusswassers.
Diese handgefertigte Wasserräder
(vietnamesisch Cọn nước) gehören bis heute zur landwirtschaftlichen Grundausstattung.
Gefertigt aus regional verfügbarem Material wie Bambus,
nutzen sie die Strömung der Bäche, um Wasser effizient in höher gelegene Reisfelder zu leiten.
Eine Amerikanerin aus Chicago steht davor und fragt uns ob wir wissen wie das funktioniert.
Na klar. Nichts leichter als das!
Der Aufbau ist nämlich kein Hexenwerk. Es ist ein technisches Kunstwerk, das auf einem jahrhundertealten Handwerk beruht.
Und das funktioniert so: Der Wasserstrom setzt ein großes Holzrad in Bewegung. Am äußeren Rand sind Bambusrohre befestigt,
die das Wasser im Rhythmus des Rades aufnehmen und in höher gelegene Kanäle leiten.
Von dort fließt es direkt auf die Felder.
So beeindruckend und so easy.




Diese Technik dient nicht nur der Bewässerung. In manchen Dörfern werden Wasserräder auch zu mahlen von Reis verwendet. Es ist schon beeindruckend, wie so eine einfache Lösung zugleich eine geniale ökologische Alternative zu teuren Pumpen ist.


Während Rainer noch Aufnahmen macht, beobachte ich weiter hinten einen Mann.
Er gestikuliert, dass ich kommen soll. Gemeinsam staken wir dann hin.
Seine "Brücke" zu diesem schwimmenden Fischfang-Gebilde zu passieren, die aus Bambusstämmen besteht,
gleicht einem artistischen Balanceakt. Barfuß wäre dies bestimmt einfacher.
Als wir endlich da sind, zeigt er uns ganz stolz die gefangenen Fische und freut sich gleichzeitig so sehr,
dass wir dafür Interesse zeigen.
Wir wiederum sind dankbar, dass er uns das zeigt und wir wieder etwas vom Leben der Vietnamesen auf dem Land erkundet haben.




Der Gaudi ist dann kurze Zeit später vorprogrammiert. Nämlich als wir diese Bambusbrücke über den Suối Chàmentdecken.
Der Fluss ist hier gar nicht mehr so schmal.
Erst zögern wir und fragen uns, ob sie uns überhaupt aushält. Es wäre eine Abkürzung zur anderen Seite.
Dann wagen wir es doch.
Ich kann mich vor Lachen kaum halten. Es ist unglaublich laut, als würde jeder einzelne Bambusstab für sich laut singen.
Am anderen Ende angekommen, wollen wir es noch einmal wissen und fahren direkt wieder zurück.
Was für ein Fun!


Auf dem Rückweg nehmen wir uns endlich Zeit für die wichtigsten Tiere der Landwirtschaft. Die Wasserbüffel.
Sie stehen überall. Seit Jahrtausenden schon sind Wasserbüffel die treuen Arbeitstiere Südostasiens.
Unverzichtbar auf den Reisfeldern, zugleich aber auch Lieferanten für Milch und wertvollen Dünger.
Am liebsten verbringen sie den Tag im kühlen Wasser oder – wie auf meinem Foto – genüsslich in der kühlenden Matschepampe.
Sie scheinen anspruchslos zu sein, so geduldig wie sie knietief da stehen und nur reagieren weil wir stehen bleiben
und sie aus der Nähe betrachten wollen.



Die Zeit in Pu Luông könnte für uns immer so weiter gehen. Bitte einmal die Uhr anhalten!
Die Bergstraße fahren wir mehrfach. Jetzt fahren wir sie bis zum Ende des sehenswerten Abschnittes.
Unterwegs aber machen wir im Gateway Inn& Dining eine Zwischenpause. Das ist hier,
wo wir gestern auch zu Abend gegessen haben. Nur konnten wir gestern Abend nichts von der wunderschönen
Reisterrassen-Landschaft sehen. Das holen wir jetzt nach. Dazu gibt es einen Mango-Smoothie.
Die Einweiser und die Bedienung erkennen uns sofort. Sie bedanken sich so überschwänglich für unseren
erneuten Besuch, als hätten wir ein ganzes Festmahl bestellt.
Das ist wieder einmal etwas, das unter die Haut geht.

Hier treffen wir auf zwei deutsche Studenten, die sich – genau wie wir – darüber freuen, diesen Landstrich entdeckt zu haben.
Hier, wo der Tourismus noch keinen Einzug gehalten hat.
Natürlich tauschen wir uns auch über all unsere bisherigen Erlebnisse in Vietnam aus.
Wir klopfen uns auf die Schulter, Vietnam jetzt schon zu bereisen, bevor der
Tourismus das Ursprüngliche verändert und damit ein Stück weit zerstört, nur um den Besuchern zu gefallen.
Nach diesem netten Gespräch fahren wir weiter.




Auf dem Pu Luông Loop
Wie so oft erwarten uns auf der Straße QL15C/CT2 wunderbare Ausblicke.
Den bei Google verzeichneten „Viewpoint 1“ gibt es in Wirklichkeit gar nicht.
Die sich endlos schlängelnde Straße ist die Sehenswürdigkeit an sich.
Immer wieder öffnet die Natur neue Fernblicke – mal weiter, mal enger.
Enttäuschung kommt dabei keine auf, im Gegenteil. Wir sind restlos begeistert.
Am höchsten Punkt knacken wir sogar die 700-Meter-Marke. Höher geht es hier nicht.
An einem fotogenen, kaskadierenden Reisfeld legen wir eine Pause ein.
Hier steht nur ein einziges Haus. Es könnte ein idyllischer Ort sein,
wäre da nicht vermutlich das jugendliche Kind allein zu Hause, das gerade die Grenzen seiner Boxen austestet.
Selbst noch in mehreren hundert Metern Entfernung ist die Musik unüberhörbar.

Als wir unser Moped ausschalten, ist Stille. Es ist niemand zu sehen. Wahrscheinlich sitzt jemand oben.
Wir schauen uns auf dem offenen Gelände etwas um. Zugegeben etwas neugierig sind wir schon.
Gegenüber ist ein herrlich fotogenes Reisfeld. Das lädt ein zum Drohne aufsteigen lassen.




Irgendwann kehren wir um und nehmen für den Rückweg einen Ziehweg.
Hier draußen ist es wirklich JWD.
Wild und naturbelassen zeigt sich die Landschaft, Palmen wachsen üppig.
Um die schönen Blüten kümmert sich niemand. Sie sind einfach da.
Es wäre der perfekte Ort, um unsere Stühlchen und den Campingkocher aufzustellen und die Natur zu genießen.
Nur leider haben wir beides auf dieser Reise nicht dabei. Schade eigentlich.






Ich überlege, als Andenken ein Stück Bambusrohr mitzunehmen. Eines, das nicht bearbeitet ist, sondern einfach
hier herumliegt. Die meisten sind zu lang oder schon vergammelt. Doch dann entdecke ich ein schönes Stück.
Nicht zu groß. Genau richtig.
Rainer fragt mich, was ich zu Hause damit anfangen will. Aber das ist mir im Moment egal. Irgendeinen Platz
werde ich schon finden.
Blöd nur, dass an meinem Bambus ein Ast absteht. Wie bekomme ich den bloß ab?
Und der Boden ist auch etwas schief abgeschnitten.
Wir erreichen ein Dorf. Die Menschen arbeiten hier emsig und hart, oft mit den einfachsten Hilfsmitteln.
Überall wird auch Bambus verarbeitet. Das passt perfekt zu meiner Idee.
Unterwegs sehen wir ein Paar, das gerade einen Hühnerstall aus Bambus baut.
Spontan bitte ich sie, das Ende meines Bambusstücks mit ihrer Machete zu begradigen.

Als wir im Hotel ankommen und der Angestellte sieht, was ich in der Hand halte, ist ihm sofort klar, dass wir es nicht wissen. Für mich ist es ein schönes Deko-Stück aus Bambus. Für ihn eindeutig eine vietnamesische Pfeife. Blitzschnell zückt er Tabak und Feuerzeug und führt uns die Funktionsweise vor 🤦🏼♀️.
Damit hat sich das Mitbringsel erledigt. Abgesehen vom deutlichen Tabakgeruch im Inneren bin ich mir ohnehin nicht sicher, was hier schon alles geraucht wurde.
Das letzte Mal cruisen wir unsere Sightseeing Road entlang...
Es ist einfach schön hier!





Zum letzten Mal gehen wir dinnieren. Dieses Mal im "Nhà hàng Đặc Sản", was übersetzt Spezialitätenrestaurant heisst. Während ich etwas einfaches esse, hat sich Rainer Fische in Mikrogröße bestellt. Die Herausforderung lauert bei solchen Gerichten überall. Hier muss er diese Fische in Blätter einwickeln...
Zum letzten Mal gehen wir in Pu Luông essen. Dieses Mal im "Nhà hàng Đặc Sản", was übersetzt so viel wie Spezialitätenrestaurant bedeutet. Während ich mich für etwas Einfaches entscheide, bestellt sich Rainer winzige Fische mit irgendeinem kleingeschnippelten Gemüse. Die eigentliche Herausforderung liegt dann nicht im Geschmack, sondern im Handling. Er muss nämlich die kleinen Fische in Blätter wickeln. Und ich weiss wie er das "liebt".

Das war's also. Die Zeit in Pu Luông ist leider schon vorbei.
Ein letztes Mal gehts am Morgen diesen steilen Berg hinauf. Zweihundert außerordentlich steile Meter bis hoch zum Parkplatz.
Unterwegs gibt es die letzten Aufnahmen vom Weg nach oben.




Unsere Koffer werden wieder auf abenteuerliche Weise nach oben gehievt.
Hier wartet bereits unser Taxi für die längste Strecke auf der gesamten Vietnamreise.
Der Fahrer lässt gerade seine "Schlaffecke" im Gepäckraum verschwinden, als ich oben ankomme.
Oha - denke ich. Er ist also schon in den frühen Morgenstunden aus Hà Nội gekommen.
Wir hoffen, er fist trotzdem fit für die heutige Reise.


So geht es weiter
Wir lassen Pu Luông hinter uns und steigen ins Taxi. Eine etwa 350 km lange Fahrt steht uns nach Hà Giang bevor. Knapp Siebeneinhalb Stunden werden wir für die Reise auf kurvigen Bergstraßen durch Nordvietnams verzaubernde Landschaften brauchen.
Hà Giang ist der perfekte Ausgangspunkt für den legendären Ha Giang Loop. Ein etwa 350 km langer Rundkurs quer durch abgelegene Bergdörfer, über schmale Serpentinen, vorbei an atemberaubenden Kalksteinformationen und authentischer Minderheitenkultur..